Ergebnis der Missbrauchsstudie Das jüngste Opfer war erst drei Jahre alt

Köln · Im Rahmen der Missbrauchsstudie seien 2155 Personalakten von Diözesanpriestern, Diakonen und Ordenspriestern durchforstet worden. In Akten wurden 87 mutmaßliche Missbrauchstäter gefunden.

So zerknirscht wie sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, am Mittag in Fulda gab, so „beschämt“, wie er sich selbst bezeichnete, zeigte sich der Kölner Generalvikar Markus Hofmann am Nachmittag bei der Vorstellung der Missbrauchszahlen für das Kölner Erzbistum: „Missbrauch durch katholische Priester, Diakone oder Ordensleute ist aus meiner Sicht noch schlimmer als anderer Missbrauch“, sagte Hofmann, „weil hier ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis missbraucht und ausgenutzt wird mit oft tiefen Verletzungen für ein ganzes Leben, bis hin zur persönlichen Beziehung zu Gott.“

Im Rahmen der Studie seien 2155 Personalakten von Diözesanpriestern, Diakonen und Ordenspriestern durchforstet worden, teilte der Interventionsbeauftragte des Erzbistums, Oliver Vogt, mit. Auch weitere Akten, „aus denen irgendwelche Hinweise auf Missbrauch hätten gewonnen werden können“, habe sich das Team aus dem pensionierten Oberstaatsanwalt Hans Jürgen Dohmen und vier eigens geschulten Mitarbeitern des Generalvikariats angesehen.

Gefunden habe man für die Zeit von 1946 bis 2015 Hinweise auf 87 mutmaßliche Missbrauchstäter, die für 119 Vorfälle verantwortlich gemacht wurden. Insgesamt hatten sich 135 Betroffene von sexualisierter Gewalt beim Erzbistum (103 Männer und 32 Frauen) gemeldet, deren Hinweisen nachgegangen wurde. Das Erzbistum wies darauf hin, dass es bei einzelnen Vorfällen mehrere Betroffene gab und ein solcher Vorfall dann als eine Tat erfasst wurde. Für die Studie wurden laut Erzbistum ausschließlich Angaben von Personen ausgewertet, die bei der Tat noch minderjährig waren. Das jüngste Opfer war drei Jahre alt.

Nur die Spitze des Eisbergs

Oft, so berichtete der Interventionsbeauftragte Vogt, habe das Team die Hinweise auf Missbrauch nicht in den normalen Personalakten gefunden, sondern in „Neben- oder Sonderakten“. Im Erzbistum geht man davon aus, dass es sich bei den 119 Vorfällen und den 87 Beschuldigten um die „Spitze eines Eisbergs“ handelt. „Wir sind sicher, dass es weitere Fälle gibt.“ Auch im Kölner Erzbistum habe es „Lücken in den Akten“ gegeben. Bisher seien insgesamt 620.635 Euro an Betroffene ausgezahlt worden, es seien Therapiekosten von 150.804 Euro übernommen worden.

Von den 87 Beschuldigten lebten 54 beim Eingang der Meldung über den Missbrauch noch. In 21 Fällen hat es laut Vogt Maßnahmen oder Sanktionen gegeben, von der Frühpensionierung über das Verbot, Gottesdienste zu halten bis zum Ausschluss aus dem Klerikerstand. In den übrigen Fällen seien keine Strafen verhängt worden. Bei 27 Klerikern habe die Tat nicht nachgewiesen werden können, in zwei Fällen sei die Unschuld nachgewiesen worden. Vier Meldungen seien anonym erfolgt, so dass keine abschließende Klärung möglich gewesen sei.

Schon am Wochenende hatte Rainer Maria Kardinal Woelki eine weitergehende Aufklärung des Umgangs mit sexuellem Missbrauch durch unabhängige Fachleute angekündigt. Hofmann sprach darüber hinaus von der Verantwortung des Erzbistums, „dass diejenigen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, anders als bisher, ernster genommen werden, dass sie jede notwendige Hilfe erhalten, dass die Täter bestraft werden und alles getan wird, dass so etwas nicht mehr passiert“.

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