Pass-Entzug für IS-Kämpfer Das bringt das Gesetz gegen deutsche Dschihadisten

Berlin · Angehörigen von Terrormilizen wie dem Islamischen Staat darf künftig der deutsche Pass entzogen werden - aber nicht allen, die schon gekämpft haben. Fragen und Antworten zum Gesetzentwurf des Justizministeriums.

Die von US-Präsident Donald Trump angestoßene Debatte über die Rücknahme gefangen genommener Dschihadisten durch ihre ursprünglichen Heimatländer hat den Blick auf einen seit Monaten im Bundesjustizministerium liegenden Gesetzentwurf gelenkt, wonach Angehörigen von Terrormilizen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden kann. Nach der Einigung der beiden Minister Horst Seehofer (CSU, Inneres) und Katarina Barley (SPD, Justiz) soll das Gesetz nun zügig beschlossen werden. Die wichtigsten Fragen.

Wer soll künftig mit Passentzug bedroht werden?

Jeder, der außer seiner deutschen Staatsangehörigkeit mindestens eine weitere besitzt, volljährig ist und sich nachweislich an Kampfhandlungen für eine Terrormiliz im Ausland beteiligt hat.

Können also die aktuellen Dschihadisten von Deutschland fern gehalten werden?

Nein. Denn das Rechtsstaatsprinzip verlangt, dass Gesetze mit derart schwerwiegenden Folgen nicht rückwirkend gelten dürfen. Jeder muss bei Begehung einer Tat wissen, mit welchen rechtlichen Konsequenzen er zu rechnen hat.

Wie viele Dschihadisten werden also betroffen sein?

Vermutlich keiner. Wenn das Gesetz, wie von Teilen der Bundesregierung bereits 2015 beabsichtigt, vor Jahren in Kraft getreten wäre, hätten davon noch zwischen 200 und 300 Ausreisende aus Deutschland grundsätzlich erfasst werden können. Doch seit April 2018 hat der Verfassungsschutz nur noch rund 50 Personen festgestellt, die von Deutschland aus in den Dschihad gezogen sind. Seit dem vorigen Herbst ist nur noch von sehr vereinzelten Reisen die Rede. Inzwischen ist das Kalifat, das ursprünglich weite Teile Syriens und des Irak erobert hatte, auf ein einziges Dorf zusammengeschmolzen. Bereits in wenigen Wochen dürfte das Territorium des einstigen Islamischen Staats völlig aufgelöst sein und die Terrormiliz "nur" noch mit Anschlagskommandos aus dem Untergrund operieren.

Warum hält die Regierung dennoch an ihrer Absicht fest?

Das Innenministerium will für künftige Fälle ausländischer Terrorbewegungen gerüstet sein und verspricht sich von der Gesetzesnovelle eine "präventive Wirkung" für die Zukunft.

Warum dürfen nur Menschen mit Doppelpässen, also auch von anderen Staaten, die deutschen Bürgerrechte entzogen werden?

Weil Artikel 16 grundsätzlich festlegt, dass die Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden kann. Und wenn dies gegen den Willen des Betroffenen auf der Grundlage eines Gesetzes dennoch erfolgen soll, darf derjenige auf jeden Fall nicht staatenlos werden.

Wie viele ausgereiste Deutsche haben für den IS gekämpft?

Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass aus Deutschland mehr als 1050 Islamisten nach Syrien und in den Irak ausgereist sind. Nur zu ungefähr der Hälfte liegen Hinweise über eine Beteiligung an Kampfhandlungen oder deren Unterstützung vor. Etwa ein Drittel ist nach Deutschland zurückgekehrt. Unter denen sollen sich rund 110 Personen mit Kampferfahrung befinden. Rund 200 Dschihadisten aus Deutschland scheinen ums Leben gekommen zu sein.

Kommt die Politik im Zusammenhang mit dem IS zum ersten Mal zu spät mit Gesetzesänderungen?

Nein, schon die Überlegung, kampfwillige Islamisten an der Ausreise aus Deutschland zu hindern, führte Ende April 2015 zu der Anti-Terror-Regelung, wonach gewaltbereiten Islamisten der Personalausweis entzogen werden kann. Allerdings hatte die Ausreisewelle bereits zu Beginn des Jahres 2013 begonnen. Als das Gesetz angewendet werden konnte, waren schon über 700 Dschihadisten ausgereist.

Funktionieren wenigstens die Zurückweisungen, für die Innenminister Seehofer im vorigen Sommer beinahe die Koalition gesprengt hätte?

Offensichtlich waren die Erwartungen deutlich überzogen. Das Innenministerium teilte nun mit, dass seit Bestehen der Abkommen mit Griechenland und Spanien insgesamt elf Personen zurückgewiesen wurden. Das bezieht sich auf solche Einreisen, die bei der Grenzkontrolle entdeckt werden und bei denen sich herausstellt, dass ein Asylverfahren bereits in einem anderen Staat gestartet wurde.

Gäbe es Anlass, bei anderen Migrationsfragen rechtzeitig nachzusteuern?

Seitdem die Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden, gingen die Asylbewerberzahlen deutlich zurück. Der Versuch, auch die Maghreb-Staaten und Georgien dieser vom Grundgesetz vorgesehenen Kategorie hinzuzufügen, scheiterte wiederholt am Widerstand der Grünen im Bundesrat. Davon waren im vergangenen Jahr 9845 Asylverfahren betroffen, die beschleunigter verlaufen wären, wenn Algerien, Marokko, Tunesien und Georgien schon "sichere" Länder gewesen wären. Wie sich aus den Statistiken des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) weiter ergibt, erfüllten im vergangenen Jahr 40 weitere Staaten das Kriterium einer Anerkennungsquote von unter fünf Prozent. Betroffen waren davon weitere 12.278 Verfahren.

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