Kommentar zur Debatte um Bluttests Dammbruch bei Gentests

Meinung | Berlin · Der Bundestag diskutiert am Donnerstag über Bluttests auf Down-Syndrom bei Schwangeren. Warum es nicht gut wäre, die gefährliche Untersuchung durch einen einfachen Bluttest zu ersetzen, kommentiert GA-Korrespondentin Eva Quadbeck.

 Mit einem Bluttest kann eine mögliche Trisomie 21 beim Embryo bestimmt werden

Mit einem Bluttest kann eine mögliche Trisomie 21 beim Embryo bestimmt werden

Foto: picture alliance / dpa-tmn

Schwangerschaft und Geburt sind in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr zu einem Ereignis geworden, bei dem so wenig wie möglich dem Zufall überlassen wird: Mann und Frau überlegen sich reiflich, wann sie Eltern werden wollen. Sie stimmen Beruf und Wohnung auf ihr Wunschkind ab. Die Schwangerschaft wird in enger Taktung ärztlich überwacht, die Entbindungsklinik sorgfältig ausgewählt. Diese Entwicklungen fallen unter die Rubrik Freiheit und Fortschritt. Sie tragen zum individuellen Glück der Familien bei, und das ist gut so.

Aussuchen kann man sich aber nicht, ob ein Junge oder ein Mädchen, ein extrovertiertes oder ein introvertiertes, ein behindertes oder ein nicht behindertes Kind zur Welt kommt. Seit Jahren wird Risikoschwangeren ab 35 Jahren das Angebot gemacht, über eine Fruchtwasseruntersuchung testen zu lassen, ob das Ungeborene ein Down-Syndrom aufweist. Für die Risikogruppe finanzieren die Kassen diese Untersuchung. Da diese wiederum mit dem Risiko einer Fehlgeburt behaftet ist, wird sie eher zurückhaltend in Anspruch genommen. Was spricht also dagegen, die gefährliche Untersuchung durch einen einfachen Bluttest zu ersetzen?

Eine Gesellschaft, die in hohem Maß auf die Optimierung des eigenen Lebens ausgerichtet ist, ist anfällig dafür, auch die Eigenschaften von noch nicht geborenen Kindern zu kontrollieren. Je mehr routinemäßig überprüft wird, desto größer wird der Druck auf junge Eltern, sich gegen Kinder zu entscheiden, die nicht das Merkmal „gesund“ tragen. Der einfache Bluttest würde zu einer solchen Routine führen und zugleich ein weiteres Loch in den Damm schlagen, den es für die Abtreibung behinderter Kinder noch gibt. Eine zusätzliche Beratung wird diesen Automatismus nicht aufhalten können.

Viel besser wäre es, wenn die Gesellschaft in dieser Frage einen Schritt zurückginge und die Untersuchung von Ungeborenen auf Down-Syndrom infrage stellte. Denn ansonsten wird bald die Debatte über weitere Genuntersuchungen losbrechen. Man sollte viel mehr den Menschen mit Down-Syndrom zuhören, die ihr Recht auf Leben reklamieren. Man müsste auch noch mehr den Eltern dieser Kinder zuhören, die ein erfülltes Familienleben führen, sich aber von außen die Frage gefallen lassen müssen: Kann man das heute nicht verhindern?

Das Down-Syndrom ist eine Behinderung – ja. Die Menschen, die daran leiden, brauchen auf vielen Feldern Rücksichtnahme, lassen sich aber in der Regel bestens in das sogenannte normale Leben integrieren.

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