Gegen Datenschutz-Bedenken Wie die Regierung um Vertrauen für die Corona-App kämpft

Berlin · Mitte Juni soll die Corona-Warn-App für Deutschland nun fertig sein. Die Regierung ringt derweil um Vertrauen bei der Bevölkerung – mit einer seltenen Transparenz, welche den Entwicklungsprozess offen legt.

 Demnächst auf allen Handys: So soll die von der Bundesregierung geplante Corona-App aussehen.

Demnächst auf allen Handys: So soll die von der Bundesregierung geplante Corona-App aussehen.

Foto: lal/alla

Es kommt nicht oft vor, dass die Regierung für eigene Pläne Unterstützung der Linksfraktion im Bundestag dringend gebrauchen kann. Was die geplante und Überwachungsängste auslösende Corona-Warn-App betrifft, empfinden deren Entwickler bei der Deutschen Telekom und dem Softwarekonzern SAP die Einschätzung der Linken-Abgeordneten Anke Domscheit-Berg jetzt aber als wohltuend. Denn selbst die prominente Datenschutzaktivistin habe den transparenten Entwicklungsprozess gelobt, hieß es am Freitag in Unternehmenskreisen mit dem Unterton, dass es dann doch auch alle Gegner glauben müssten: Diese App soll ein Lebensretter sein und kein Spion.

Ohne Vertrauen in den Staat hat die Corona-App keine Chance

Ein Grund für die positive Bewertung durch die Netzaktivistin ist, dass die bisherigen App-Arbeitsergebnisse von SAP und Telekom auf der internationalen Plattform für transparente Softwareentwicklung „Github“ veröffentlicht und ein sogenannter Open-Source-Entwicklungsprozess eingeleitet wurden. Damit könne die gesamte IT-Community, inklusive Hacker und Chaos Computer Club, in den Programmier-Code der App schauen, hatte Domscheit-Berg Mitte der Woche in einem Podcast des Bayerischen Rundfunks gesagt. Und noch vielmehr: Sie würden regelrecht ermutigt, sich zu beteiligen, Ideen zu liefern und mögliche Fehler zu finden. Das schaffe Vertrauen.

Ohne Vertrauen in den Staat, dass er keinerlei persönliche Daten – keine Telefonnummern, keine Bewegungsprofile, keine Fotos – bekommt und die versprochene Anonymisierung nicht rückgängig machen kann, hat die App keine Chance. Sie wird aber nur zur Eindämmung der Corona-Pandemie beitragen können, wenn sie möglichst viele Menschen – freiwillig - auf ihrem Smartphone herunterladen. Am besten etwa 40 bis 50 Millionen Bürger. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die App solle rechtzeitig zur geplanten Rückkehr zur Reisefreiheit in Europa Mitte Juni fertig sein.

Und so soll sie funktionieren: Wenn sich Nutzer – in einem für die Infektion mit dem Virus möglichen Abstand und Zeitraum – begegnen und auf ihren Smartphones die Tracing-(Rückverfolgungs)-App heruntergeladen ist, werden über Bluetooth Zahlenfolgen (IDs) ausgetauscht, was wie ein digitaler Handschlag wirkt. Die App speichert den Kontakt für voraussichtlich 14 Tage – die Dauer der Ansteckungsgefahr. Wer sich mit der Lungenkrankheit Covid-19 infiziert hat, kann diese Information in die App geben, die dann wiederum die per „digitalem Handschlag“ gespeicherten Kontakte warnt.

„Kleine App, große Wirkung“, soll ein Werbespruch heißen

Eine zentrale Speicherung, wie sie die Regierung zunächst vorsah, gibt es nicht. Die IDs werden nur auf den Smartphones der Nutzer gespeichert, also dezentral beziehungsweise lokal. Niemand erfährt, wer sich infiziert hat, sondern nur, dass man in der Nähe eines Infizierten war. Dann soll man sich umgehend in freiwillige Quarantäne begeben und schnellstmöglich testen lassen – die Test-Kapazitäten seien ausreichend, heißt es. Die dezentrale Lösung schützt besser vor Missbrauch, als wenn sich Unbefugte über Server Zugang zu zentral gespeicherten Daten verschaffen. Um die Nachverfolgung der Infektionsketten bemühen sich bislang die Gesundheitsämter in den Kommunen – eine extrem aufwendige und oft nicht erfolgversprechende Arbeit.

Es soll kein Anreizsystem für die App geben, wie Unionspolitiker vorgeschlagen hatten – Steuervorteile oder anderweitige Vergünstigungen bei Nutzung der App. Das habe mit Freiwilligkeit nichts zu tun, hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gesagt.

Domscheit-Berg rät der Bundesregierung zu einer breiten Informationskampagne: TV-Spots, Anzeigen, Erklärungen. Damit hat die Regierung bereits angefangen. Das Logo für die App verbreitete sie am Freitag: Ein blau-rotes C wie Corona mit stilisierten virentypischen Kronenzacken. Die Kampagne entwickelt die Werbeagentur, mit der die Regierung grundsätzlich zusammenarbeitet: „Zum Goldenen Hirschen“. Slogans sollen nach einem Bericht des „Spiegel“ so lauten: „Unsere App-traktion des Jahres“. Und: „Kleine App, große Wirkung“. Und: „Diese App kann nichts, außer Leben retten.“ Klar ist aber auch: Die App kann eine Ansteckung nicht verhindern. Dafür muss man weiter Abstand halten. Und das noch ein lange Zeit bis das Virus gestoppt oder ein Impfstoff gefunden ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort