Unions-Kongress in Bonn CDU und CSU üben die Harmonie

BONN · „Bevölkerungsentwicklung und Migration“ war das Thema des Bonner Kongresses im alten Plenarsaal. Nicht immer waren sich die Schwesterparteien in der letzten Zeit diesbezüglich einig. Doch man war um Frieden bemüht.

 Im Plenarsaal: CDU- und CSU-Mitglieder diskutierten gestern in Bonn.

Im Plenarsaal: CDU- und CSU-Mitglieder diskutierten gestern in Bonn.

Foto: dpa

In diesem Monat sind es genau 40 Jahre her, dass die CSU in Wildbad Kreuth ihre Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag aufkündigte. Der Trennungsbeschluss hielt zwar nur drei Wochen, doch die Bayern mit Franz Josef Strauß an der Spitze hatten der CDU unter Führung von Helmut Kohl mit ihrem Manöver auch so deutlich gemacht, dass sie mehr Eigenständigkeit für sich beanspruchten.

Nun sah es in den vergangenen Monaten nicht unbedingt danach aus, dass die CSU noch einmal einen Versuch unternehmen würde, sich von der Schwesterpartei zu lösen. Doch die Unterschiede in vielen politischen Fragen – diesmal vor allem in der Flüchtlingspolitik – waren so groß wie nie zuvor seit 1976.

Armin Laschet versucht das gern ein wenig herunterzuspielen. „Hier im Bundestag gab es auch schon heftige Debatten zwischen CDU und CSU“, sagte der CDU-Vize, der in den 90er Jahren in Bonn Bundestagsabgeordneter war, an diesem Mittwochnachmittag im alten Bonner Plenarsaal. Auseinandersetzungen seien also nichts Neues. Er fügte noch hinzu, dass man damals im Streit immer an der Sache orientiert gewesen sei.

Müller lobt Merkel

Für Laschet war das offenbar auch das Motto des Nachmittags. Kein böses Wort verlor er beim sogenannten fünften Deutschlandkongress von CDU und CSU über Horst Seehofer. Keinen Hinweis gab er darauf, dass er den von der CSU immer wieder propagierten Begriff der Obergrenze für Flüchtlinge stets ablehnt.

Als Versöhnungskongresse hatten CDU und CSU die Reihe der sechs Deutschlandkongresse zwischen Hamburg und München konzipiert. Und daran hielt sich beim Bonner Kongress zum Thema „Bevölkerungsentwicklung und Migration“ neben Laschet auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Der CSU-Politiker lobte immer wieder Bundeskanzlerin Angela Merkel und sagte zur Forderung seines Parteichefs Seehofer: „Wer die Obergrenze will, muss auch Wege der legalen Migration nach Europa und Deutschland schaffen.“ Nach strammer CSU-Politik hörte sich das jedenfalls nicht an.

Ähnlich äußerte sich Müllers Parteifreundin, CSU-Vize Angelika Niebler: „Wir müssen unsere humanitäre Verpflichtung wahrnehmen für Menschen auf der Flucht, wir können aber nicht alle aufnehmen, die Schutz suchen.“ Es müsse mehr getrennt werden zwischen Asylbewerbern und Wirtschaftsflüchtlingen. „Wir müssen selbst entscheiden, wer zu uns kommt und das nicht Schleusern und Schleppern überlassen, die jetzt das Sagen haben.“

Einig waren sich alle Redner darin, dass man es verhindern müsse, einen Flüchtlingszustrom wie im Jahr 2015 zu erleben. Der Hebel dafür könne nur heißen, Fluchtursachen in den Heimatländern zu bekämpfen. Da habe man in den vergangenen Jahren zu viele Fehler gemacht. Laschet erinnerte an den Film „Der Marsch“ aus dem Jahr 1990, in dem sich Menschen aus Libyen auf den Weg durch die Wüste machen und durch Algerien und Marokko versuchen, Richtung Europa zu kommen. „Das Thema gab es damals schon“, sagte Laschet. „Doch es hat uns noch nicht berührt, weil die meisten Menschen noch nicht bis zu uns gekommen sind“, ergänzte Niebler später.

„Unser Wohlstand basiert auf Ausbeutung“

Laschet entwickelte drei Thesen: „Wir dürfen nicht die Märkte in Afrika zerstören, müssen unserer Hilfe besser koordinieren und hierzulande mehr Geld in die Hand nehmen, um den Menschen dort Perspektiven zu geben.“ Darüber hinaus forderte Laschet einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen und eine Bekämpfung des Schleppertums.

Nach Meinung von Entwicklungsminister Müller ist das Thema Bildung das entscheidende. „Die Jugend in Afrika braucht Bildung, Bildung, Bildung“, sagte er. Und hier vor allem die Mädchen und die Frauen. 7,5 Kinder bekämen Frauen im Niger derzeit im Durchschnitt. Wenn es hier keine Veränderungen gäbe, dann werde sich die Bevölkerung in Afrika bis 2050 verdoppeln.

Für Verwunderung sorgte Müller unter den etwa 300 Besuchern mit dem Hinweis auf eine Studie, dass Frauen in Afrika von 100 verdienten Dollars 90 nach Hause brächten, Männer hingegen nur 30. Den Rest gäben sie für Alkohol, Drogen und Frauen aus. Da half ihm auch die Einschränkung nicht, viele würden wohl das Problem aus der eigenen Familie kennen.

Müller forderte, über das Leben in Europa mehr nachzudenken. „Unser Wohlstand basiert auf Ausbeutung“, sagte er und verwies auf den niedrigen Lohn für Näherinnen in Bangladesch, die damit nicht einmal das Leben ihrer Kinder finanzieren könnten. Seine Forderung: „Wir müssen vom Freihandel zum Fairhandel kommen.“ Ein Euro mehr für die Näherinnen könnte viel bewirken, sagte er. Europa müsse mehr Verantwortung übernehmen für die Menschen am Beginn der Produktionskette.

Laschet nahm zum Schluss den Satz Müllers auf, dass es Migration immer schon gegeben habe. „Wir müssen den Prozess aber ordnen“, so der NRW-CDU-Chef. Und dabei seien die beiden Unionsparteien „in vielem näher beieinander als viele Medien schreiben“, so Laschet. Der Nachmittag in Bonn habe das gezeigt. „Und das gibt uns Hoffnung für das nächste Jahr.“ Ob Seehofer das auch so sieht?

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