Seehofer bleibt im Amt CDU und CSU raufen sich im Asylstreit zusammen

Berlin/München · Es ist ein Blitz-Comeback: Eben wollte Horst Seehofer noch zurücktreten, nun ist alles ganz anders. Die Kanzlerin und ihr Innenminister haben sich in letzter Minute zusammengerauft.

 Über dem Regierungsviertel ziehen sich dunkle Wolken zusammen.

Über dem Regierungsviertel ziehen sich dunkle Wolken zusammen.

Foto: Wolfgang Kumm

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer haben sich auf einen Kompromiss im Asylstreit geeinigt und ein Auseinanderbrechen der Union vorerst verhindert.

"Wir haben uns geeinigt" , sagte Seehofer am Montagabend nach stundenlangen Verhandlungen in der CDU-Zentrale in Berlin. Die Einigung sehe vor, dass die illegale Migration an der Grenze zu Österreich unterbunden werde. Merkel sagte, sie glaube, "dass wir heute nach hartem Ringen und schwierigen Tagen einen wirklich guten Komopromiss gefunden haben."

Seehofer kündigte an, er wolle nun doch Minister bleiben. "Diese klare Übereinkunft (...) erlaubt mir, dass ich das Amt des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat weiterführe", sagte Seehofer. Noch am Sonntag hatte Seehofer bei einer Sitzung des CSU-Vorstands in München erklärt, er wolle von seinen Ämtern als Parteichef und Innenminister zurücktreten. Nach Gesprächen in der engsten Parteiführung, die ihn zum Weitermachen bewegen wollte, sagte er dann, er werde seine politische Zukunft von einem Einlenken der CDU abhängig machen. Nach der Rücktrittsankündigung von Seehofer stand die Zusammenarbeit der Union und die große Koalition auf dem Spiel.

In der am Montagabend geschlossenen Vereinbarung heißt es, CDU und CSU wollten für Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten. Aus diesen Zentren sollen Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. In der Vereinbarung der Unionsparteien wird betont, bei der Zurückweisung "wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen".

Die CDU und ihre bayerische Schwester CSU hatten seit Wochen darüber gestritten, ob bereits anderswo registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden sollen - Seehofer bestand darauf, Merkel wollte das nicht. Bei einem EU-Gipfel hatte Merkel eine Verschärfung der Asylpolitik der EU und die Aussicht auf bilaterale Abkommen ausgehandelt, aber der CSU reichte das nicht. Der 68-Jährige hatte seinen Rücktritt angekündigt, falls die CDU nicht einlenkt. In Bayern wird im Oktober der Landtag neu gewählt, der CSU droht der Verlust ihrer absoluten Mehrheit.

Nach der Einigung auf Transitzentren stellt sich nun die Frage, wie der Koalitionspartner SPD reagiert. Die Sozialdemokraten hatten sich bereits 2015 gegen solche Zentren gewehrt, wie sie CDU und CSU gefordert hatten. Nach dem Spitzentreffen der Union ist am späten Abend eine Sitzung des Koalitionsausschusses mit der SPD in Berlin angesetzt.

Kurz vor dem Spitzentreffen von CDU und CSU hatte Seehofer noch persönlich schwere Vorwürfe an Merkel gerichtet. "Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Er befinde sich in einer Situation, die für ihn "unvorstellbar" sei: "Die Person, der ich in den Sattel verholfen habe, wirft mich raus."

Es stand alles auf dem Spiel: Wäre die seit fast 70 Jahren bestehende Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag an dem Streit zerbrochen, hätte die Bundesregierung am Ende sein können. Ohne die Abgeordneten der CSU aus Bayern haben CDU und SPD keine Mehrheit im Bundestag.

SPD-Chefin Andrea Nahles kritisierte am Montagabend in der ARD-Sendung "Brennpunkt" den Streit in der Union als verantwortungslos. Kurz vor dem Koalitionsgipfel erklärte sie aber auch: "Aber ich hab' die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, dass das heute Abend auch zu einem guten Ende kommt - allerdings dann auch mit einem gemeinsamen Konsens von CDU/CSU und SPD."

Nach Angaben aus CSU-Kreisen hatte Seehofer am Samstag ein Kompromissangebot gemacht, dass Merkel aber abgelehnt hatte. Demnach schlug er vor, nicht alle Migranten zurückzuweisen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind, sondern nur solche, bei denen das Asylverfahren bereits läuft. Ebenfalls war Seehofer demnach bereit, Migranten, die in Griechenland oder Spanien registriert wurden, nicht zurückzuweisen. Mit diesen beiden Ländern ist bilateral vereinbart, dass sie solche Flüchtlinge zurücknehmen.

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