Wahlkampf und Flüchtlingspolitik CDU-Spitzenkandidaten setzen sich von Merkel ab

Berlin · Drei Wochen vor wichtigen Landtagswahlen setzen sich zwei CDU-Spitzenkandidaten gemeinsam vom Flüchtlingskurs ihrer Parteichefin ab. Doch die Kanzlerin hat auch Unterstützer.

Die Parteichefin lässt sich auch vom Wackelkurs ihrer Stellvertreterin nicht irritieren. Bloß keine Nerven zeigen. Gestern Abend wieder absolvierte Angela Merkel wie selbstverständlich Termine im Wahlkampf in Rheinland-Pfalz: erst Landau, dann Pirmasens. Egal, ob Julia Klöckner wie Ende Januar ihren Plan „A2“ vorlegt oder jetzt erneut, dieses Mal im Gleichschritt mit Guido Wolf, dem CDU-Spitzenkandidaten in Baden-Württemberg, Tageskontingente für Flüchtlinge vorschlägt.

Die CDU-Vorsitzende verzieht keine Miene. Wahlkampf ist Wahlkampf, mögen sich Klöckner und Wolf auch erkennbar von der Flüchtlingspolitik ihrer Parteivorsitzenden distanzieren. Denn Merkel weiß: Der Ausgang vor allem der Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kann auch über ihren künftigen politischen Weg entscheiden.

Dass CSU-Chef Horst Seehofer gegen Merkel quer- und hintertreibt, hat die CDU-Chefin längst verinnerlicht. Dass sich aber nun mit Klöckner und Wolf zwei CDU-Spitzenkandidaten in konzertierter Aktion von Merkels Position absetzen, kann die Parteivorsitzende nicht kalt lassen.

Koalition der Willigen? Koalition der Unwilligen? Vermutlich zählen Klöckner und Wolf vor allem zur Koalition der Nervösen. Beide Wahlkämpfer, bei denen drei Wochen vor dem Tag der Entscheidung einfach die Nerven blank liegen. In Baden-Württemberg muss Wolf registrieren, dass das von der CDU propagierte „Wolfserwartungsland“ – in Anspielung auf die vom Nabu im Südwesten ausgerufene Heimkehr des Wolfes – zumindest gefährdet ist.

Nach einer jüngsten Umfrage liegen die Grünen in Baden-Württemberg mit 30,5 Prozent erstmals vor der CDU mit 30 Prozent. Und in Rheinland-Pfalz muss Plan-A2-Architektin Klöckner zusehen, wie ihr Vorsprung auf die SPD zunehmend schrumpft: CDU 35 Prozent, SPD 33 Prozent. Es wird eng.

Merkel allein zu Haus? Nicht ganz. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte gestern, er könne nur „allen“ raten, von Merkels eingeschlagenem Weg nicht abzuweichen. „Jeden Tag neue Vorschläge führen, glaube ich, nicht zum Ziel.“ Mit Blick auf den für Anfang März in Brüssel angesetzten Sondergipfel der EU mit der Türkei mahnte Kauder, es komme jetzt darauf an, „dass wir der Bundeskanzlerin für die noch ausstehenden Verhandlungen Anfang März den Rücken stärken und dass wir denen, die sich nicht korrekt verhalten wie den Österreichern auch sagen, dass es so nicht geht“.

Merkel steht unter Druck. Unterstützung erfährt die CDU-Vorsitzende von SPD-Chef Sigmar Gabriel, wenngleich auch er ein Wahlkämpfer ist. Dem Berliner „Tagesspiegel“ sagte Gabriel zur jüngsten Forderung Klöckners nach einem Tageskontingent für Flüchtlinge auch in Deutschland: „So untergräbt Frau Klöckner die deutsche Verhandlungsposition und schwächt die Autorität der deutschen Bundeskanzlerin.“

Und: „Es ist weder klug noch anständig, der deutschen Kanzlerin mitten in den europäischen Verhandlungen in den Rücken zu fallen“, hatte Gabriel zuvor noch gesagt. SPD-Generalsekretärin Katarina Barley betont, Merkel werde inzwischen „aus wahltaktischen Gründen angeschossen aus den eigenen Reihen“. Und: „Wer solche Stellvertreter hat, der braucht keine Feinde mehr“, so Barley gestern. Merkel müsse selbst die Antwort geben, „wie sie mit solchen Illoyalitäten umgeht“.

Auch die im Bund oppositionellen Grünen, die in Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann den Ministerpräsidenten stellen und in Rheinland-Pfalz an der Seite der SPD mitregieren, legen sich für Merkels Flüchtlingspolitik ins Zeug. Grünen-Parteichefin Simone Peter lästerte, ob CDU-Spitzenkandidatin Klöckner nun Plan A2, A3 oder A4 vorlege, eine weitere Verschärfung des Asylrechts ist aus Grünen-Sicht „nicht zielführend“.

Wahlkämpferin Klöckner wehrte sich gestern gegen Kritik an ihrem Plan eines Tageskontingents: „Wir müssen selbst auch wissen, wie wir mit Flüchtlingen umgehen, die nicht bleiben dürfen in Deutschland, und da, glaube ich, müssen wir ein bisschen konsequenter werden.“

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