Machtkampf auf Wiedervorlage AKK stellt beim CDU-Parteitag in Leipzig die Vertrauensfrage

Leipzig · Die CDU-Chefin zieht ein scharfes Schwert, um sich gegen Friedrich Merz zu behaupten. Sie stellt in Leipzig beim CDU-Parteitag die Vertrauensfrage. Die Revolte bleibt aus. Aber versöhnt ist die Partei nicht.

 Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer beim Parteitag in Leipzig.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer beim Parteitag in Leipzig.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Friedrich Merz sitzt rechts außen. Ganz am Rand der Parteitagshalle in Leipzig hat der Delegierte aus dem Sauerland seinen Platz, zweitletzte Reihe, dritter von rechts. Auf  der Bühne sitzen andere. Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.

Merz gehört der Gruppe des größten CDU-Landesverbandes der Partei an. 295 der 1001 Delegierten kann Nordrhein-Westfalen zu einem CDU-Parteitag schicken. Eine Hausmacht. Nur, die wird von Ministerpräsident Armin Laschet geführt. Der Mann, der sich aus dem Machtkampf zwischen Merz und Kramp-Karrenbauer um die Kanzlerkandidatur heraushält. Noch.

Merkel wird nach ihrem kurzen Grußwort gefeiert

Man muss eine Weile suchen, bis man Merz entdeckt. Der frühere Unionsfraktionschef hat die Arme vor der Brust verschränkt. Er hat noch ein bisschen Zeit. Von seiner Rede wird abhängen, ob die Tür zur Kanzlerkandidatur offen bleibt oder jetzt zuschlägt. Zuerst sprechen die drei Frauen. Von der Leyen macht es kurz, Merkel noch kürzer. Sie sagt, dass sie es sich in ihren kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können, dass es vier Legislaturperioden als Kanzlerin werden. Sie dankt der CDU, dass sie „mich trägt als Bundeskanzlerin“. Es gibt viel Beifall, doch auf die Länge kommt es ihr nicht an. Wichtig ist das für Kramp-Karrenbauer. Ihre Rede wird genau daran gemessen. Weil sie einen Konkurrenten hat. Friedrich Merz.

Die CDU-Chefin legt gut los. Was sei nicht alles geunkt worden: „Die Revolution findet statt, der Aufruhr.“ Ohne JU-Chef Tilman Kuban zu nennen, der sie in einer Vorstandssitzung als Vorsitzende infrage gestellt hatte,  spricht sie an, dass die „Führungsfrage gestellt wurde“. Ohne den CDU-Fraktionschef in Baden-Württemberg, Wolfgang Reinhart, zu erwähnen, zitiert sie ihn mit dem Vorwurf, die CDU sei inhaltlich insolvent. Und ohne auf Merz und seine Kritik an der Bundesregierung („grottenschlecht“) einzugehen, warnt sie vor einer falschen Wahlkampfstrategie: Alles schlecht reden, was in Merkels Kanzlerschaft passiert sei, und dann den Wählern zu empfehlen, die CDU wieder zu wählen. Das werde schwer aufgehen. Sie ruft: „Wir lassen uns nicht in den Ruin hineinschreiben.“ Da hat sie die Delegierten hinter sich.

Viel Applaus bekommt sie für solche Sätze: „Ich habe die Nase voll davon, dass wir immer die Langsamsten in Europa sind.“ Oder: „Ärmel hochkrempeln, mutig sein. Weg mit der Bürokratie, wo wir sie nicht brauchen.“ Oder, wenn sie die CDU von der SPD abgrenzt und ruft: „Wir wollen Wohlstand für alle und nicht Wohlfahrt für alle.“ Richtig mitreißen kann sie den Saal aber nicht.

Paukenschlag kommt erst zum Schluss

Kramp-Karrenbauer spricht alle CDU-relevanten Themen an: Pflege, Familie, Sicherheit. Sie lobt die CDU-Bundesminister, die ehrenamtlich engagierten Bürger, die Polizisten, die Soldaten. Aber es ist keine emotionale Rede. Nach einer Stunde und 27 Minuten kommt sie zum Ende. Mit einem Paukenschlag.

Es sei kein leichtes Jahr gewesen, räumt sie ein. „Es ist nicht so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe, wie Ihr es Euch vorgestellt habt.“ Und dann, als viele Delegierte schon unaufmerksam sind, stellt sie die Vertrauensfrage. Wenn die Partei nicht bereit sei, sagt sie, ihren Kurs für eine starke Mitte mitzugehen, solle sie das auf dem Parteitag klären. „Dann lasst es uns heute aussprechen. Dann lasst es uns heute beenden. Hier und jetzt und heute.“

Nicht allen scheint klar, was die Vorsitzende da gesagt hat und was das bedeuten würde. Delegierte meinen später, mit „es“, das hier und jetzt beendet werden solle, hätten sie das Theater, das Gezerre um die Parteiführung verstanden. Aber nicht, dass sie damit ihren Rücktritt noch am selben Tag angeboten habe. Anderen ist blitzschnell klar: Jetzt stellt die Chefin die Machtfrage. Sie sind erschrocken. Das machten Führungspersonen nur, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stünden, aus einer schwachen Position heraus, heißt es. Kramp-Karrenbauers Schlusssatz ist aber: Wenn die CDU ihren Weg mitgehen wolle, solle sie „hier und jetzt die Ärmel hochkrempeln und anfangen“. Die 57-Jährige will klar Schiff machen. Ihre Widersacher sollen springen oder schweigen. Sieben Minuten applaudieren die Delegierten im Stehen. Für eine Rede, die sie ansonsten wenig mitgerissen hat.

Merz erinnert an seine „Bierdeckel-Steuererklärung“

Es wird still, als Merz zur Bühne geht. Kramp-Karrenbauer habe eine kämpferische, eine mutige Rede gehalten, sagt er. Er ist gut drauf, wirkt selbstbewusst und selbstsicherer als vor einem Jahr, als er gegen Kramp-Karrenbauer verlor. Er habe für seine Kritik an der Bundesregierung viel Zustimmung bekommen, „aber auch manches an Kritik“. Dass es umgekehrt war, ficht ihn nicht an. Er behauptet, „die Sozialdemokraten sind strukturell illoyal und wir sind loyal zu unseren Vorsitzenden und unserer Bundesregierung“. Da zucken manche Delegierte. Die CDU hat eher das Gegenteil vermittelt. Merz lobt sich für seine Idee von 2003, dass ein Steuerkonzept auf einen Bierdeckel passen müsse, und erklärt an diesem Beispiel, warum es so wichtig sei, komplizierte Sachverhalte einfach zu erklären.

Die Umweltaktivistin Greta Thunberg nennt er eine  „beeindruckende Person“. Aber er ärgert sich, dass Thunberg den Eliten vorwarf, dass sie ihr ihre Jugend gestohlen habe. „Dann muss man ihr sagen: Nein. Ihr habt in der Generation die beste Jugend gehabt, die es jemals überhaupt gegeben hat.“ Die Delegierten jubeln. Aber wenn das so bleiben solle, „müssen wir heute viel ändern, damit es morgen so bleibt“.

Merz vertagt die Führungsfrage

So wie Kramp-Karrenbauer die Pauke geschlagen hat, bläst Merz in die Trompete. „Nein, nicht dieser Parteitag wird die endgültigen Entscheidungen treffen, sondern in einem Jahr nach einem weiteren Prozess des Nachdenkens, des Entscheidens, des Vorbereitens auf diesen Parteitag dann 2020, der diese entscheidende Antworten geben muss.“ Er macht klar: Die Debatte, das Theater, das Gezerre um die Führungsfrage sind nicht beendet.

Merz sagt: „Wir sind am Anfang dieses Prozesses und ganz gewiss nicht am Ende. Wir müssen diesen Prozess mit glaubwürdigen Personen verbinden. Wir müssen uns in dieser Breite der Partei aufstellen.“ Er zählt sich dazu. Kramp-Karrenbauer hat die Vertrauensfrage gestellt. Die Machtfrage bleibt offen.

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