Neues Programm für kommende Wahlen CDU macht sich hübsch für die Grünen

BERLIN · Neulich kam es wieder knüppeldick für die CDU. Oberbürgermeisterwahl in Dresden. Die Landeshauptstadt Sachsens, dort also, wo die Union im Landtag mit sicherer Mehrheit regiert. Die Wahl wurde zum Debakel für die Union.

 Julia Klöckner, die Landesvorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz.

Julia Klöckner, die Landesvorsitzende der CDU Rheinland-Pfalz.

Foto: dpa

Gerade mal 15,4 Prozent der Wähler unterstützten ihren Kandidaten Markus Ulbig - immerhin der Innenminister des Landes. Der FDP-Kandidat Dirk Hilbert (Sieger in der Stichwahl) erhielt doppelt so viele Stimmen, die SPD-Kandidatin Eva-Maria Stange sogar 37 Prozent.

Die CDU ist da inzwischen schmerzresistent. Sie regiert in keiner einzigen der 15 deutschen Großstädte mit mehr als 400 000 Einwohnern. Auch nicht in den Stadtstaaten. Allein zwischen 2009 und 2013 wurden in 27 Großstädten Oberbürgermeister gewählt - eine endlose Kette von CDU-Pleiten. Hamburg, Wolfsburg, Frankfurt, Duisburg, Karlsruhe - Städte, die lange in Unionshand waren: sie alle gingen verloren. Stuttgart wird inzwischen grün regiert.

Schon 2004 prophezeite der damalige Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Günther Oettinger, höchst präzise: "Wer die Großstadt aufgibt, verliert mittelfristig das ganze Land." Im selben Jahr legte der damalige NRW-Vorsitzende der CDU, Jürgen Rüttgers, ein Großstadtkonzept vor. Er warnte davor, dass die Grünen systematisch die bürgerlichen Großstadtmilieus eroberten, und empfahl der Union einen Mentalitätswandel - zum Beispiel in ihrer Einstellung zum Thema Homosexualität. 2012 legte der Frankfurter Bundestagsabgeordnete Matthias Zimmer eine Analyse vor. Sie ist schonungslos. In den Metropolen des Landes, dort wo jeder dritte Deutsche lebt, wird die CDU als "uncool" wahrgenommen: Sicherheit und Ordnung seien die Themen, mit der die Partei dort assoziiert werden, ganz sicher aber nicht mit kultureller Vielfalt und unterschiedlichen Lebensentwürfen.

Aber jetzt soll sich das ändern. Wenn Du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis. Nach diesem Motto haben 17 Monate lang gleich drei parteiinterne Kommissionen getagt - zu den Themen Nachhaltigkeit, Bürgergesellschaft und Zukunft der Arbeit. Dass mit Thomas Strobl, Armin Laschet und Julia Klöckner jeweils stellvertretende Bundesvorsitzende die Kreise leiteten, macht klar: Der Partei ist es ernst. "Das ist keine Nebensächlichkeit, sondern eine für uns zentrale Frage", sagt Strobl, CDU-Landesvorsitzender im Südwesten. "Bei den Landtagswahlen 2011 haben nicht nur drei von vier Stuttgarter Wahlkreise verloren, wir sind auch in einer ganzen Reihe von Groß- und Universitätsstädten unterlegen", räumt er ein. Dass die Union das prominente Trio an die Spitze der Programmkommission gesetzt hat, liegt nicht nur an deren Promistatus. Sie kommen aus Baden-Württemberg (Strobl), Rheinland-Pfalz (Klöckner) und Laschet (NRW), also drei Flächenländern, in denen noch vor der Bundestagswahl 2017 gewählt wird. Die Drei haben also die Möglichkeit bekommen, Weichen zu stellen. Sozusagen den "Sound" der Union zu bestimmen, der die kommenden Wahlkämpfe bestimmen soll. Haben sie geliefert? Die Antwort ist ein kräftiges "Kommt drauf an. . ."

Inhaltlich gibt es keine Aha-Effekte. Es soll einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet geben und bis 2018 ganz Deutschland breitbandverkabelt sein. Eltern sollen bei der Renten- und Pflegeversicherung entlastet werden. Bei den Rentenbeiträgen wäre ein Elternbonus neu. Den Schülern soll Alltagskompetenz bei Ernährung und Lebensmitteln vermittelt werden. Und es gibt auch noch ein kleines Multi-Kulti-Signal: "Nach dem jüdischen Leben gehört heute der Islam zu Deutschland. Er ist selbstverständlicher Teil der deutschen Gesellschaft." Etwas geschraubt, aber doch deutlich.

Das ist alles nicht revolutionär, aber es zeigt immerhin eine neue Sensibilität für Themen urbaner Milieus. Wichtiger aber ist wahrscheinlich der Ton. Besonders der Text der von Julia Klöckner geleiteten Kommission "Nachhaltig leben - Lebensqualität bewahren" ist so demonstrativ voll von traditionell grünem Vokabular, dass sie bei der Vorstellung zu erklären hatte, worin denn überhaupt der Unterschied zu den Grünen bestehe. Die Antwort musste angesichts der bewussten Annäherung an die Öko-Partei reichlich bemüht wirken: "Die Union wolle die Bürger nicht bevormunden, sondern befähigen." Da aber Programmpapiere vor allem von ihren Autoren, aber wesentlich weniger von den Bürgern gelesen werden, wird man den Sinn der ganzen Übung wohl vor allem in einem strategischen Ziel zu suchen haben: Die CDU macht sich hübsch für die Grünen.

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