Ankara lenkt ein Bundestagsabgeordnete mit Nato-Ticket ins türkische Konya

Berlin · Von Berlin nach Konya sind es keine vier Flugstunden. Für Bundestagsabgeordnete war der Nato-Stützpunkt trotzdem bisher unerreichbar. Jetzt hat die Türkei eingelenkt.

 Awacs-Aufklärungsflugzeuge auf dem Flughafen des vorgeschobenen Militärstützpunkts in Konya (Archivbild).

Awacs-Aufklärungsflugzeuge auf dem Flughafen des vorgeschobenen Militärstützpunkts in Konya (Archivbild).

Foto: Andrea Hohenforst

Nach einem Einschreiten der Nato dürfen Bundestagsabgeordnete nun doch die deutschen Soldaten im türkischen Konya besuchen. Die Reise zu dem Nato-Stützpunkt soll am 8. September unter Leitung von Nato-Vizegeneralsekretärin Rose Gottemoeller stattfinden.

Einen Besuch auf Eigeninitiative des Bundestags hatte die Türkei im Juli noch unter Hinweis auf die schlechten beiderseitigen Beziehungen verhindert.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen begrüßte den am Dienstag von der Nato verkündeten Kompromiss. "Das ist auch eine Frage des gegenseitigen Respekts in der Nato", sagte die CDU-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. "Wir sollten uns darauf konzentrieren, den islamistischen Terror zu bekämpfen. Das ist auch im Interesse der Türkei."

Von Konya aus unterstützt die Nato den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) mit Awacs-Aufklärungsflugzeugen. Derzeit sind dort neun deutsche Soldaten stationiert. Abgeordnete des Verteidigungsausschusses wollten sie bereits im Juli besuchen. Die türkische Regierung stellte sich aber quer und verschob den Besuch auf einen unbestimmten Zeitpunkt. Zuvor hatte sie schon Pläne für Parlamentarierreisen nach Incirlik durchkreuzt.

Letzteres führte dazu, dass die dort stationierten Tank- und "Tornado"-Aufklärungsflugzeuge sowie 260 Soldaten gerade nach Jordanien umziehen. Ein Abzug der Bundeswehr hätte auch in Konya gedroht, wenn die Türkei hart geblieben wäre. Anders als Incirlik ist Konya aber ein Nato-Stützpunkt.

Nach anfänglichem Zögern schaltete sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in den Streit ein und hat ihn nun - zumindest fürs Erste - geschlichtet. Geplant ist nun eine Reise von sieben Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen nach Konya. Geleitet wird die Delegation allerdings von der Nato-Vizegeneralsekretärin. Damit handelt es sich offiziell nicht um eine Bundestags-, sondern um eine Nato-Reise.

Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz begrüßte die Vereinbarung. "Es löst noch nicht alle Konflikte und Probleme, die wir mit der Türkei haben, aber es ist sicher ein Schritt nach vorne", sagte der SPD-Chef in Chemnitz. Es gehe in die "richtige Richtung", wenn die Regierung in Ankara auf einen kooperativeren Weg zurückkehre und zu einem rationaleren Umgang zwischen Türkei und Bundesrepublik beitrage.

Der Linken-Abgeordnete Alexander Neu sprach hingegen von einem "faulen Kompromiss". "Die Bundesregierung ist erneut eingeknickt", sagte er der dpa. "Man ist nicht eigenständig in der Lage, mit der türkischen Regierung Tacheles zu reden."

Der Obmann der Linksfraktion im Verteidigungsausschuss überlegt noch, ob er überhaupt mitreisen soll. Es gehe für ihn auch um eine persönliche Sicherheitsfrage, sagte Neu. Er sei im Frühjahr vom Bundeskriminalamt darüber informiert worden, dass er "auf einer Liste des türkischen Nachrichtendienstes" geführt werde. "Ich werde deswegen beim Auswärtigen Amt eine Sicherheitsgarantie erbitten."

Die Bundesregierung und der Bundestag bestehen auf dem Besuchsrecht für Abgeordnete bei deutschen Soldaten im Ausland, weil sich die Bundeswehr als Parlamentsarmee versteht. Über ihre Einsätze entscheidet - anders als in den meisten anderen Ländern - das Parlament und nicht die Regierung.

Ob das Besuchsrecht in Konya nun für immer gewährleistet ist, bleibt unklar. Für Incirlik hatte die türkische Regierung im vergangenen Herbst auch zunächst einen ersten Abgeordnetenbesuch erlaubt und einen weiteren in diesem Jahr dann verboten. Der Verteidigungsausschussvorsitzende Wolfgang Hellmich (SPD) ist aber zuversichtlich: "Ich gehe davon aus, dass das Besuchsrecht grundsätzlich akzeptiert ist."

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