Geburtstagsempfang für Norbert Blüm Blüm: Eine neue Völkerwanderung

KÖNIGSWINTER · Es war wie in den Zeiten, in denen sie noch politische Ämter hatten: Norbert Blüm und Heiner Geißler waren sich einig. Einig, darin, dass Europa mehr, sehr viel mehr tun müsse, um der Flüchtlingsbewegung Herr zu werden.

 Zum 80. Geburtstag von Norbert Blüm (Sechster von links) kamen unter anderen (von links) Armin Laschet, Axel Voss, Norbert Röttgen, Rita Süssmuth, Werner Schreiber, Karl-Josef Laumann, Heiner Geißler, Bodo Löttgen und Peter Hintze.

Zum 80. Geburtstag von Norbert Blüm (Sechster von links) kamen unter anderen (von links) Armin Laschet, Axel Voss, Norbert Röttgen, Rita Süssmuth, Werner Schreiber, Karl-Josef Laumann, Heiner Geißler, Bodo Löttgen und Peter Hintze.

Foto: Frank Homann

Der äußere Anlass dieser Demonstration der Einigkeit war eigentlich ein fröhlicher: Die CDU Nordrhein-Westfalens hatte zum Geburtstagsempfang für Blüm ins Arbeitnehmerzentrum Königswinter geladen, doch der Ernst der politischen Lage prägte weite Teile der Festreden.

Geißler, von 1977 bis 1989 CDU-Generalsekretär unter Helmut Kohl und heute 85, machte den Anfang und Blüm, von 1982 bis 1998 Arbeitsminister der Bundesregierung unter Kohl und seit Juli 80 Jahre alt, machte weiter. Geißler attackierte die Exportpolitik der EU, die Märkte etwa in Afrika zerstöre und resümierte: "Die Europäer setzen Ursachen für die Fluchtbewegungen."

Blüm knüpfte an die erschütternden Bilder der vergangenen Woche an. Das Bild des toten dreijährigen Jungen am Strand von Bodrum und die Bilder des Kühltransporters mit den Leichnamen von Flüchtlingen auf der österreichischen Autobahn. "Diese Welt darf nicht so bleiben, wie sie ist. Das wird sie nicht ertragen."

Für Blüm ist klar: "Die neue Völkerwanderung hat begonnen." Kein Stacheldraht werde hoch genug sein, um die Armen dieser Welt daran zu hindern, sich auf den Weg zu machen. Der Politik warf er eine "völlig disproportionale Reaktion" auf die Herausforderung durch die Flüchtlinge vor. "Europa muss sich zusammenreißen. Europa ist degeneriert. Von der EU ist vor allem der Euro geblieben", rief der Jubilar. Und setzte dieser Kritik noch eine drauf: Wenn jetzt über Quoten für qualifizierte Zuwanderer diskutiert werde, dann sei das unverantwortlich: "Wir sahnen ab." Die Qualifizierten aus Afrika dürften ins Land (und fehlten in ihrer Heimat), die weniger Qualifizierten müssten draußen bleiben.

Geißler hob in seiner Laudatio auf Blüm vor allem dessen ungebrochenes Engagement für Menschenrechte hervor. Insbesondere erinnerte er an Blüms Interventionen bei Chiles Diktator Augusto Pinochet Ende der 80er Jahre. Blüms Satz im direkten Gespräch mit Pinochet: "Wer wochentags foltern lässt, hat sonntags in der Kirche nichts verloren", sei unvergessen.

Menschrenrechte, solidarischer Staat und Kapitalismuskritik - drei Elemente in den Reden von Blüm und Geißler, die austauschbar waren. Geißler redete seiner Partei auch nachträglich noch einmal ins Gewissen. "Kapitalismus ist nicht die Wirtschaftsphilosophie der CDU." Das sei eine Verwechslung, die der Union Anfang des Jahrhunderts gefährlich geworden sei. "Sie hat die Köpfe verwirrt und Entscheidungen produziert, die uns nicht genutzt haben." Applaus im Saal - auch DGB-Chef Reiner Hoffmann und der frühere sozialdemokratische NRW-Sozialminister Friedhelm Farthmann hatten sich zu Ehren Blüms eingefunden. Applaus auch vom und für den Jubilar. CDU-Landeschef Armin Laschet: "Sie sind das soziale Gewissen der Bonner Republik. Dafür danken wir Ihnen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort