„Gruppe S.“ Behörden ermitteln über Reichweite von Terrorzelle

Berlin · Die vor einem Monat gefassten mutmaßlichen Rechtsterroristen der „Gruppe S.“ waren schnell im Visier der Behörden. Wie weit ihre Netzwerke reichen, muss nach wie vor ermittelt werden.

 Festnahme Mitte Februar: Polizisten bringen einen Verdächtigen zum Bundesgerichtshof

Festnahme Mitte Februar: Polizisten bringen einen Verdächtigen zum Bundesgerichtshof

Foto: dpa/Silas Stein

Intelligent sollten sie sein, dazu „hart“, „brutal“ und „schnell“. Jene Männer, die der 53-jährige Werner S. nach dieser, in abgehörten Gesprächen geäußerten Qualifikation um sich scharte, um nicht länger Hass und Hetze nur schriftlich und mündlich zu verbreiten. Sie sollten töten: In kleinen Teams Moscheen an kleineren Orten in zehn Bundesländern stürmen und mit Pistolen und Granaten überall Blutbäder anrichten. Wie weit war es von dieser Theorie zur Tat?

Armin Schuster (CDU), als Chef des geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums einer der bestinformierten Politiker Deutschlands auf dem Gebiet drohender Gefahren, kommt zu einer doppelten Einschätzung. Einerseits seien der mutmaßliche Anführer und seine „Gruppe S.“ sehr früh unter Behördenkontrolle gewesen. Deshalb habe auch nicht die Gefahr eines kurz bevorstehenden Anschlages bestanden. Auf der anderen Seite gelte inzwischen aber eines als gesichert: „Prinzipiell muss man die Gruppe als brandgefährlich einschätzen“, so Schuster.

Offenbar kamen die Behörden dem immer größer werdenden Terrorrisiko von zwei Seiten mehr oder weniger gleichzeitig auf die Spur. Als ein erstes Treffen im September vergangenen Jahres an der Hummelgautsche, einem Freizeittreffpunkt neben einer alten Mühle rund 50 Kilometer von Stuttgart, begann, standen die Männer bereits unter Beobachtung. Denn einer von ihnen soll von den Behörden bereits als „Gefährder“ geführt worden sein, also als ein besonders gefährlicher Extremist, dem jederzeit eine Anschlagsplanung zugetraut wurde.

Bis zu diesem Herbsttag sollen die Männer sich vor allem aus dem Internet und nicht persönlich gekannt haben. Sie seien sich, so die Ermittler, aber schnell einig gewesen, gegen die Demokratie aktiv zu werden und sich dafür, jeder für sich, in Schießübungen fit zu machen.

Wenig später meldete sich einer der Internet-Chatpartner bei den Behörden, weil ihm die Radikalisierung doch zu heftig ausfiel. Das mag die Erklärung dafür sein, dass der Generalbundesanwalt gegen 13 Personen wegen Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelte, aber nur für zwölf von ihnen Haftbefehle beantragte. Mit dem 13. soll schon früh über ein Zeugenschutzprogramm gesprochen worden sein.

Ermittler fahnden im Umfeld der Festgenommenen

Der Anwalt von Werner S. bestreitet dessen Rädelsführerschaft. Und er verstärkt auch Zweifel, wie konkret Tatortplanungen bereits waren und wie weit die Gruppe mit ihrer Bewaffnung gekommen war. Das hatte der Generalbundesanwalt aufklären wollen, als er Mitte Februar die zwölf Männer festnehmen und ihre Wohnungen durchsuchen ließ. Es war von selbst gebauten Handgranaten, einer scharfen Pistole vom Kaliber 9 Millimeter, von Messern, Dolchen und einer Armbrust die Rede. Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach mit Bezug auf Durchsuchungen von Handgranaten, Sprengstoff, Kalaschnikows, die sich Rechtsextremisten in verblüffend kurzer Zeit zugelegt hätten.

Die Ermittler fahnden nun vor allem im Umfeld der Festgenommenen, in der Prepper- und Reichsbürgerszene, aber auch in den Behörden selbst. Einer der Inhaftierten arbeitete als Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in Hamm. Derzeit prüfen die Behörden, ob es unter seinem Einfluss Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Waffenerlaubnissen gab. Die größte „Unregelmäßigkeit“ besteht offenkundig schon darin, dass er mehrfach mit rechtsextremistischen Signalen auffiel, ohne dass dies zu schwereren Konsequenzen als Ermahnungen führte.

Bei Recherchen fanden sich nun sogar einschlägige Aufforderungen, die der Polizei-Mitarbeiter geteilt haben soll. Darunter der Appell an Polizisten, ihre Waffe gegen „Gesindel“ einzusetzen, und die Aussage, man müsse von Zeit zu Zeit Terroranschläge verüben.

Aus den abgehörten Gesprächen ergibt sich das Bild einer von Gewaltphantasien getragenen Stimmung innerhalb der Gruppe. Die Mitglieder sollen sich gegenseitig versichert haben, Hunderte, wenn nicht gar Tausende bewaffneter Gesinnungsgenossen mobilisieren zu können. Das hing mit ihrem Plan zusammen, mit den Massenmorden in Moscheen gewaltsame Reaktionen von Muslimen auszulösen, diese wieder zu rechtsterroristischen Antworten zu nutzen, um so einen Bürgerkrieg in Deutschland auszulösen. In einzelnen Gesprächen sollen Gruppenmitglieder, die selbst Väter waren, keine Skrupel beim Töten von muslimischen Kindern geäußert und auch das Szenario von Selbstmordfeldzügen entwickelt haben.

Auch Schuster spricht von „extrem rassistischer Kommunikation“ sowie von „bürgerkriegsähnlichen Gewaltphantasien bis hin zur märtyrerhaften Opferbereitschaft“, die die besondere Gefahr der Gruppe ausgemacht hätten. Insofern könne man bei der Gefährlichkeit dieser Personen kaum einen Unterschied zu islamistischen Gefährdern erkennen. Als wichtige Aufgabe sieht es Schuster nun an, die Verbindungen in weitere Netzwerke konkret zu ermitteln. S. – im Netz auch als „Teutonico“ bekannt – soll über eine Chatgruppe namens „Freikorps Heimat“ viele Kontakte gesammelt haben.

In Freikorps hatten sich nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ehemalige Frontsoldaten gesammelt. Sie schlugen revolutionäre Aufstände blutig nieder und machten aus ihrer völkischen Gesinnung keinen Hehl. Sie beteiligten sich am Kapp-Lüttwitz-Putsch, gingen zu einem Teil auch in eine geheime Organisation, die demokratische Politiker der Weimarer Republik ermordete. Somit kommt auch durch diese Namensgebung zum Ausdruck, was der Gruppe S. vorschwebte und wie gefährlich sie war.

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