Peer Steinbrück im Wahlkampf "Bei mir rockt es"

BERLIN · Der Energieeinsatz ist über Maximum. Der Kandidat beziffert ihn auf 150 Prozent. Die Magensäfte angeregt, der Blutdruck in Wallung, so jedenfalls berichtet Peer Steinbrück an diesem Vormittag in einer Art Selbstdiagnose über das organische Innenleben des namensgleichen SPD-Kanzlerkandidaten.

 Großer Auflauf: SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück am Donnerstag vor der Presse in Berlin.

Großer Auflauf: SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück am Donnerstag vor der Presse in Berlin.

Foto: dpa

Gerade ist er gefragt worden, ob er sich theoretisch, aber trotzdem grundsätzlich nach der Wahl auch eine Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen vorstellen könne. Also bitte, er sei jetzt "fokussiert" und konzentriert" - in diesen entscheidenden Wochen vor der Bundestagswahl. Er beschäftige sich voll und ganz mit seinem Wahlkampf. "Laufen, laufen, laufen", beschreibt Steinbrück seine Devise, ganz so, als habe er eine Mannschaft zu motivieren, die über den Kampf zurück ins Spiel finden wolle.

Und so ist es ja irgendwie auch. Der Rückstand von SPD und Rot-Grün auf die Union und Schwarz-Gelb ist beträchtlich. Steinbrück kämpft. Noch sind es 23 Tage bis zur Wahl. Der SPD-Kanzlerkandidat hat sich aufgemacht, um vor den versammelten Hauptstadt-Korrespondenten sein 100-Tage-Programm vorzustellen, mit dem die SPD am 22. September eine Mehrheit für eine Bundesregierung unter eigener Führung bekommen will.

Steinbrück sagt: "Am 22. September endet der Stillstand in Deutschland." Der SPD-Kanzlerkandidat verspricht einen Politikwechsel, und zwar sofort. In 100 Tagen will Steinbrück per Gesetz einen Mindestlohn von 8,50 Euro flächendeckend einführen, ebenso gleichen Lohn für Frauen und Männer sowie auch gleichen Lohn für gleiche Arbeit von Werksmitarbeitern und Leiharbeitern (nach Einarbeitung).

Eine von ihm geführte Bundesregierung würde eine Solidarrente von 850 Euro nach 30 Beitragsjahren oder 40 Versicherungsjahren möglich machen, das Betreuungsgeld abschaffen sowie eine Mietpreisbremse, die doppelte Staatsbürgerschaft und eine Finanztransaktionssteuer einführen. Und schließlich auch noch einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent ab einem Einkommen von 100 000 Euro bei Singles sowie 200 000 bei Verheirateten.

Steinbrück gibt sich damit programmatisch vorbereitet für den Fall seiner Vereidigung als Bundeskanzler. Nur mit wem will er die Mehrheiten dafür holen? Mit Stimmen der Linken, das macht der frühere Bundesfinanzminister aus Zeiten der großen Koalition nochmals deutlich, will er sich im Bundestag nicht zum Bundeskanzler wählen lassen.

Die Linke in ihrer jetzigen Verfassung sei drei Parteien in einer, kurz: "nicht koalitionsfähig". Er ahnt schon jetzt die möglichen Stolperstellen einer rot-rot-grünen Koalition. Steinbrück: "Ich habe nicht die Absicht, wöchentlich hinzuhorchen, ob ich noch die Mehrheit habe." Eine Koalition unter Einschluss der Linken werde es nicht geben, auch keine Tolerierung.

Doch der Kandidat glaubt an die Chance, jedenfalls vermittelt er in diesen gut 75 Minuten seines Auftritts diesen Eindruck. Nichts sei entschieden, beteuert er. Bis zu 40 Prozent der Wahlberechtigten seien unentschlossen. Und draußen im Lande gebe es zehn Millionen Menschen, die früher SPD gewählt hätten und die sich jetzt in einer Warteposition befänden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe kürzlich bei ihrem Auftritt vor der Bundespressekonferenz den Satz geprägt: "Ich warte ab." Steinbrück hält dagegen: "Ich warte nicht ab." Merkel agiere mit ihrer Politik "sehr stark im Ungefähren". Steinbrück sagt über sich: "Ich bin nicht der Typ, der im Ungefähren bleibt."

So will er die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin schon in zwei Tagen beim einzigen TV-Duell zwischen Amtsinhaberin und Herausforderer am Sonntag Abend stellen. Steinbrück verspricht einen unterhaltsamen Abend. Er sagt, er will in diesem Wahlkampf "das Maximale herausholen, was eben geht". Dafür geht er auch über die Langstrecke. Wie war das gleich? "Laufen, laufen, laufen."

Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer hat einmal über sich selbst gesagt, er sei so etwas wie der "der letzte Rock'n'Roller der deutschen Politik" gewesen. Steinbrück mag Rock'n'Roll. Er hört gerne Bill Haley.

Steinbrück sagt: "Bei mir rockt es." Wenn noch jemand Zweifel habe, so möge der ihn doch einfach besuchen. Im Wahlkampf. Rock'n'Roll für Deutschland.

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