Flüchtlingskrise BAMF geht mit 400 000 offenen Asylanträgen ins neue Jahr

Nürnberg/Berlin · Es war ein ehrgeiziges Ziel: Bis Ende 2016 sollten die meisten Flüchtlinge ihren Asylbescheid in den Händen halten. Später war von einem Überhang von 250 000 Anträgen die Rede, den das BAMF ins Jahr 2017 nehme. Aber auch dabei wird es wohl nicht bleiben.

 Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei Asylanträgen liegt aktuell bei 6,9 Monaten.

Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei Asylanträgen liegt aktuell bei 6,9 Monaten.

Foto: Uli Deck

Zum Jahreswechsel müssen deutlich mehr Flüchtlinge auf ihre Asylentscheidung warten als von den Behörden geplant.

Man werde voraussichtlich mit rund 400 000 offenen Asylanträgen ins neue Jahr gehen, teilte ein Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg mit. Er bestätigte damit Berichte der "Rheinischen Post" und der "Bild"-Zeitung vom Freitag.

Die Zahl der noch nicht entschiedenen Anträge dürfte damit deutlich über früheren Prognosen von BAMF-Leiter Frank-Jürgen Weise liegen. Weise hatte zuletzt mehrfach davon gesprochen, die von ihm vorübergehend geleitete Behörde werde voraussichtlich mit einem Überhang von 200 000 bis 250 000 unabgeschlossenen Asylverfahren ins neue Jahr gehen.

Ein Behördensprecher erklärte, die Zahl von 400 000 habe sich bereits seit längerer Zeit angedeutet. Er geht aber davon aus, dass der Antragsüberhang bis zum Frühjahr 2017 abgearbeitet sei. Dass der Überhang etwas höher sei als zunächst angenommen, liege auch daran, dass die Aufstockung der BAMF-Belegschaft etwas langsamer gegangen sei als erhofft.

Diese hätten den Schwerpunkt zunächst auf Anhörungen von Antragstellern gelegt. Daher hätten sie weniger Entscheidungen treffen können, erläuterte der Sprecher. Bei einem Teil der Asylverfahren seien die Asylentscheider zudem auf die Zulieferungen Dritter angewiesen, etwa auf Botschaften. "Es sind teils aufwendige Recherchen notwendig, oder es müssen Sprachgutachten in Auftrag gegeben werden."

Zugleich wies das BAMF den Vorwurf mangelnder Effektivität bei der Bearbeitung der Asylanträge zurück. Der Vergleich der Überhangzahlen von Ende 2015 mit der Zahl der unbearbeiteten Asylbewerberzahlen Ende 2016 hinke. Das BAMF habe zwischen Januar und November 2016 mehr als 723 000 Asylanträge aufgenommen, im Vorjahreszeitraum seien es nur knapp 476 600 gewesen.

Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer bei Asylanträgen lag dieses Jahr im Schnitt bei 6,9 Monaten - nach 5,2 Monaten im Jahr 2015. "Dieser Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass das Bundesamt momentan viele ältere, oftmals komplexe Verfahren abarbeitet, die mehr Zeit benötigen. Die Verfahrensdauer wird deutlich sinken, wenn die Altfälle abgeschlossen sind", sagte der BAMF-Sprecher. Das politisch vorgegebene Ziel einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von drei Monaten für Neuanträge sei bereits erreicht worden.

Nach Ansicht des scheidenden BAMF-Chef Weise gilt es jetzt, "die vielen Bleibeberechtigten zu integrieren". Rund 70 Prozent von ihnen seien im erwerbsfähigen Alter und auf der Suche nach Arbeit, sagte er der "Rheinischen Post". "Wenn es uns nicht gelingt, diese Flüchtlinge und anderweitig Schutzberechtigten in den Arbeitsmarkt zu integrieren werden sie auf Dauer das Sozialsystem belasten und die Stimmung im Land kann kippen. Das darf nicht passieren."

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