Berliner Abgeordnetenhauswahl Auf einem ganz speziellen Pflaster

Berlin · Der Druck auf CDU-Chefin Angela Merkel ist nach der nächsten Wahlniederlage in einem Bundesland nicht weniger geworden. Doch auch die SPD muss erkennen, dass Volksparteien immer weniger jene erreichen, von denen sie früher gewählt wurden.

 Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel drückt dem Spitzenkandidaten der Berliner SPD, der Regierende Bürgermeister Michael Müller nach ersten Ergebnissen zu der Abgeordnetenhauswahl in Berlin die Hand.

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel drückt dem Spitzenkandidaten der Berliner SPD, der Regierende Bürgermeister Michael Müller nach ersten Ergebnissen zu der Abgeordnetenhauswahl in Berlin die Hand.

Foto: dpa

Angela Merkel ist dieses Mal in Berlin geblieben. Keine Teilnahme am UN-Flüchtlingsgipfel in New York und auch keine Rede in der Generaldebatte der UN-Vollversammlung in dieser Woche. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vertritt die Bundesregierung am East River. Anders als vor zwei Wochen, als die Menschen in Merkels politischer Heimat Mecklenburg-Vorpommern der Landes-CDU und damit auch der Bundesvorsitzenden einen heftigen Denkzettel ausstellten, will sich Merkel dieses Mal die Deutungshoheit über das Wahlergebnis nicht mühsam aus dem Ausland erkämpfen müssen. Damals musste Merkel beim G20-Gipfel in China die heftige Wahlniederlage der Landes-CDU im Nordosten erklären. Merkel räumte ein, dass ein wesentlicher Grund für den Absturz der Landes-CDU bei der Politik im Bund gelegen habe: Merkels Flüchtlingspolitik und ihre Entscheidung von vor einem Jahr, Zehntausende Flüchtlinge unbürokratisch ins Land zu lassen. Es kamen Hunderttausende, schließlich mehr als eine Million.

An diesem Montag also muss die CDU-Bundesvorsitzende das bisher schlechteste Ergebnis einer Berliner Landes-CDU überhaupt erklären. 2006 war die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Friedbert Pflüger historisch tief auf 21,3 Prozent gefallen. Doch jetzt erreicht die Landes-CDU nach 23,4 Prozent 2011 in der Bundeshauptstadt einen neuen Tiefpunkt: rund 18 Prozent. Es ist die nächste Niederlage Merkels bei einer Landtagswahl, bei der die CDU-Chefin zugleich zur Kenntnis nehmen muss, dass die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) nun in das zehnte von 16 Landesparlamenten eingezogen ist. Der Siegeszug der der AfD geht ungebremst weiter. Möglicherweise auch ein Problem für künftige Mehrheiten bei einer Regierungsbildung im Bund im kommenden Jahr. Merkel hat noch nicht erklärt, ob sie 2017 noch einmal als Kanzlerkandidatin der CDU in den Bundestagswahlkampf ziehen wird. Nach den Niederlagen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin muss sich die Parteivorsitzende mit einem möglichen Merkel-Malus auseinandersetzen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, will den Grund für die nächste Niederlage in einem Land nicht sofort bei der Bundespolitik abladen. „Ich bin ein bisschen vorsichtig, Ergebnisse aus Berlin ins Bundesgebiet zu übertragen. Berlin ist ohnehin ein spezielles Pflaster.“

Da kann Merkel wenig trösten, dass auch SPD-Chef Sigmar Gabriel nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern nun auch in Berlin erhebliche Stimmverluste von gut sechs Prozentpunkten hinnehmen muss. SPD-Vize Manuela Schwesig sieht in dem Ergebnis gleichwohl einen „klaren Regierungsauftrag“ für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller – „für eine gute soziale Politik“. Rot-Grün-Rot? Schwesig sagt, was Bundespolitiker in solchen Fällen immer sagen. Die Entscheidung über eine Koalition im Land Berlin liege bei den Genossen an der Spree. „Wir erleben jeden Tag, dass wir eine starke SPD brauchen“. Die AfD spalte das Land, CDU und CSU seien mit sich selbst beschäftigt und zerstritten. Müller sagt unter dem Applaus der Genossen in der Columbiahalle: „Wir sind stärkste politische Kraft in dieser Stadt geblieben. Und wir haben einen Regierungsauftrag.“ Gabriel betont, natürlich freue man sich mit Michael Müller. „Aber natürlich brechen wir auch nicht in Jubel aus bei dem Ergebnis.“ Gabriel will im Ausgang der Abgeordnetenhauswahl kein Signal für die Abstimmung des SPD-Parteikonvents über das Freihandelsabkommen Ceta an diesem Montag in Wolfsburg sehen.

Grünen-Vorsitzende Simone Peter sieht die Lage für CDU und SPD wenig euphorisch: „Die große Koalition hat wieder mal stark verloren. Es wird schwieriger, insgesamt auf Zweier-Bündnisse zu setzen. Es gehe um eine „bessere Politik“. „Deswegen stehen wir Grüne bereit für die Verhandlungen“, sagt Peter. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt will noch nicht ins Wahljahr 2017 blicken: „Rot-Grün-Rot wäre erstmal ein Signal der Veränderung in Berlin. Und im Bund haben wir noch etwas Zeit.“

Linke-Chefin Katja Kipping freut sich über einen Stimmenzuwachs von rund fünf Prozentpunkten im Land Berlin. Mit 25 Prozent ist die Linke im ehemaligen Ostteil Berlins immer noch stärkste Partei. Kipping sieht die große Koalition in Berlin abgewählt. Kipping euphorisch: „Das macht Mut für das ganze Land. Das macht Mut für neue linke Mehrheiten.“

AfD-Chef Jörg Meuthen verweist derweil auf nahezu durchgängig zweistellige Ergebnisse bei Landtagswahlen. „Ich bin felsenfest überzeugt, dass wir auch im nächsten Jahr zweistellig in den Bundestag einziehen.“

FDP-Chef Christian Lindner freut sich über den Wiedereinzug ins Berliner Abgeordnetenhaus. „Für viele Wähler war die FDP das stärkere Angebot.“ Die Liberalen hätten eine „konstruktive, aber kritische Linie gegenüber Frau Merkel“ und deren Flüchtlingspolitik bewiesen.

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