Bombe an S-Bahn-Station Anschlag in Düsseldorf scheint aufgeklärt

Düsseldorf · Vor fast 17 Jahren explodiert in Düsseldorf eine Rohrbombe. Die meisten der zehn Verletzten sind jüdische Einwanderer. Der Verdacht fällt schnell auf die rechte Szene. Nun scheint der Anschlag aufgeklärt.

Die weiße Plastiktüte baumelte an einem Geländer: Am 27. Juli 2000 um 15.04 Uhr explodiert am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn in der Tüte eine Rohrbombe, gefüllt mit dem Sprengstoff TNT, vermutlich ferngezündet. Die ersten Rettungskräfte berichten von „vielen Bewusstlosen mit großen blutenden Wunden“. Ein Metallsplitter dringt in den Bauch einer schwangeren Frau und tötet ihr ungeborenes Baby. Sie schwebt lange in Lebensgefahr. Die zehn Verletzten sind überwiegend jüdische Einwanderer.

Fast 17 Jahre später scheint der Terroranschlag aufgeklärt. Die Spur führt ins rechtsradikale Milieu. Am Mittwochmorgen nimmt eine Spezialeinheit den 50-jährigen Ralf S. wegen der heimtückischen Tat fest. Nicht zum ersten Mal: Schon kurz nach der Explosion war S. wegen der Bombe festgenommen worden.

Der Rechtsradikale betrieb in der Nähe des Tatorts einen Militaria-Laden, war als Waffennarr und fremdenfeindlich bekannt. Seine martialischen Auftritte hatten ihm im Viertel den Spitznamen „Sheriff von Flingern“ eingebracht. Doch während der Mann damals mangels ausreichender Beweise wieder auf freien Fuß gesetzt werden muss, erlässt diesmal ein Richter Haftbefehl.

Die Opfer kamen vom Deutschunterricht an einer Sprachschule. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) sprach von einer „abscheulichen Tat“. In der Folgezeit schnellten die rechtsradikalen Straftaten in Deutschland in die Höhe, die Forderung nach einem NPD-Verbot wird laut.

Wenige Monate später ist Düsseldorf erneut im Fokus: Nach einem Brandanschlag auf die Synagoge eilt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in die Landeshauptstadt, fordert einen „Aufstand der Anständigen“. Für die Opfer des Wehrhahn-Anschlags werden fast 100 000 D-Mark (51 000 Euro) gespendet.

Die Polizei trieb einen gewaltigen Aufwand, um den Anschlag aufzuklären. 1400 Menschen wurden wegen des Wehrhahn-Anschlags befragt, mehr als 300 Spuren verfolgt, 450 Beweisstücke eingesammelt. Für viel Geld wird ein Spezialdetektor aus den USA beschafft, um im unübersichtlichen Bahngelände Partikel des Zünders zu finden. Vergeblich.

Waren es Islamisten? Rechtsextremisten, womöglich sogar das Zwickauer NSU-Trio? Steckten private Motive dahinter? War es die russische Mafia, weil die Opfer aus Osteuropa kommen? „Die meisten Spuren gingen in Richtung Rechts“, erinnerte sich Kommissar Dietmar Wixfort später. Er leitete damals die Ermittlungen.

Als ein islamistischer Terrorist einige Jahre später gesteht, er habe mit seiner Gruppe Al Tawhid in Düsseldorf Anschläge auf Juden geplant, sind die Wehrhahn-Ermittler elektrisiert. Doch der ehemalige Leibwächter Osama bin Ladens hat ein Alibi: Er war zur Tatzeit in einem Terror-Camp in Afghanistan.

Zuletzt waren die Ermittler besonders sparsam mit Auskünften zum Anschlag. Weil der NSU-Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags den Fall aufrollte, wurden die Ermittlungen als „vertrauliche Verschlusssache“ eingestuft. Doch die Verschwiegenheit war offenbar nicht der einzige Grund. Im Verborgenen waren auch die Ermittlungen wieder ins Rollen gekommen.

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