Kommentar zur Studie der Bertelsmann-Stiftung Alltag der Integration

Meinung | Bonn · Eine Bertelsmann-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Zusammenleben von Einheimischen und muslimischen Zuwanderern hierzulande gut funktioniert. Auf welche Menschen sich Integration dabei konzentrieren muss.

 In Istanbul geboren, in Deutschland Polizist: Die Integration von Muslimen in Deutschland macht laut einer aktuellen Studie deutliche Fortschritte.

In Istanbul geboren, in Deutschland Polizist: Die Integration von Muslimen in Deutschland macht laut einer aktuellen Studie deutliche Fortschritte.

Foto: epd

Das Zusammenleben von Einheimischen und muslimischen Zuwanderern in Deutschland ist besser als sein Ruf. Dieses Ergebnis der Bertelsmann-Studie über das Verhältnis der Religionen in Europa reflektiert einen Alltag des Zusammenlebens, der eher unspektakulär verläuft und mit radikalen Erdogan-Anhängern, Islamisten oder Terror nichts zu tun hat.

Interessant ist dieser Befund, weil er auf einem Vergleich europäischer Länder beruht. Die Ergebnisse machen deutlich, wie unterschiedlich die Gesellschaften funktionieren und welche Rolle historische Entwicklungen, Bildungssysteme und soziale Verhältnisse spielen.

Die Studie beschreibt ein allmähliches Zusammenwachsen. Es gibt gerade in den westdeutschen Ballungsräumen viele deutsch-türkische oder deutsch-arabische Familien mit Kindern. Es gibt das Mit- und Nebeneinander in Nachbarschaften, Kindertagesstätten und Schulen, bei der Arbeit und im Fußballverein. Wenn die erste Generation noch Probleme mit der Sprache hatte, dann sind die Möglichkeiten ihrer Kinder und Enkel schon deutlich besser.

Integration funktioniert in Generationen – eine soziologische Beobachtung, die nicht ganz neu ist, die aber in der kurzatmigen politischen Debatte gerne unter den Tisch fällt.

Die Illusion einer schnellen Integration

Schnelle Integration ist eine Illusion. Sie ist eine Sache von Jahrzehnten. Religiöse Unterschiede werden jedoch bleiben, denn die Religion wird meist in der Familie weitergegeben und gehört somit zu den ganz tiefen Strukturen der persönlichen Identität. Es wird also darauf ankommen, dieses Nebeneinander der Religionen vernünftig zu gestalten.

Die Bedeutung der Religion auch in muslimischen Familien wird sich ändern, wenn sie gut integriert sind. Religion wird aber vermutlich der Kristallisationspunkt all jener bleiben, die Integration ablehnen. Radikale Strömungen müssen daher mit Verstand zurückgedrängt werden.

Konflikte als Voraussetzung für positive Entwicklungen

Konflikte sind unvermeidbar und in gewisser Weise sogar Voraussetzung für eine positive Weiterentwicklung der Gesellschaft, weil nur konstruktiver Streit zu Lösungen führt. Diese Spannungen gilt es nicht eskalieren zu lassen. Alle Menschen in Deutschland haben ein Interesse an einem friedlichen Miteinander. Dieses Ziel muss die Debatten leiten.

So wie Muslime in Deutschland ihren Weg finden müssen, werden die Einheimischen lernen, die Muslime nicht nur zu tolerieren, sondern sie zu akzeptieren. Viele von ihnen bleiben, weil ihre Kinder Bürger dieses Landes werden. Das Thema Religion fordert dabei mehr Aufmerksamkeit der Politik als bisher, denn Erfolg oder Misserfolg von Integration wird sich hier entscheiden.

Die Voraussetzungen für eine positive Entwicklung sind gegeben. Die allermeisten Muslime fühlen sich wohl in Deutschland und wollen Teil dieser Gesellschaft sein. Auf diese Menschen sollte sich Integration konzentrieren.

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