Interview mit AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel: „Nur Zäune garantieren Freiheit“

Bonn · Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel äußert sich im Interview zum Diesel-Skandal, der Wiedereinführung der Binnengrenzen und dem Asylrecht.

Frau Weidel, sehen Sie die Diesel-Schummelsoftware anders als andere Parteien, weil Sie negieren, dass Schadstoffausstoß etwas mit Klimawandel zu tun hat?

Alice Weidel: Wir negieren das nicht, es gibt einfach keinen Nachweis für einen menschengemachten Klimawandel.

Was folgern Sie aus der aktuellen Diesel-Debatte?

Weidel: Der Diesel ist ein Wettbewerbsvorteil für die deutsche Industrie. Wer den Diesel politisch angreift, gefährdet rund 900 000 Arbeitsplätze. Fahrverbote unter Verweis auf Stickoxidwerte sind nicht schlüssig, wenn sogar in Büros höhere Werte gemessen werden. Außerdem sind Fahrverbote eine Enteignung der Dieselfahrer. Das ist eine ideologiegetriebene Verkehrswende. Wir brauchen eine Dieselgarantie bis 2050, damit wir keinerlei Investitionsunsicherheiten mehr haben.

Für Ihren NRW-Wahlkampf ist Ihnen in Düsseldorf eine Halle abhandengekommen. Was macht das mit Ihnen?

Weidel: Es ist eine große Gefahr für die Demokratie, wenn das Versammlungsrecht immer weiter eingeschränkt wird. Das ist eine sehr ungesunde gesellschaftliche Entwicklung und hochproblematisch.

Aber jeder Saalbesitzer ist doch frei darin, an wen er vermietet, zum Beispiel nicht an eine Partei, die er für rassistisch hält...

Weidel: Dahinter steckt doch Anderes: Gastwirte bekommen Angst, weil sie mit Repressalien bedroht werden, weil sie Sachbeschädigungen befürchten müssen, wenn sie an uns vermieten. Der Spielraum für unsere Partei wird erheblich eingeschränkt.

Wie reagieren Sie darauf?

Weidel: Da gibt es kaum eine Möglichkeit, weil wir immer noch Vertragsfreiheit haben in Deutschland.

Also kein Wahlkampfauftakt in NRW?

Weidel: Das kann sein. In Schleswig-Holstein haben wir auch kurzfristig keinen Ersatz bekommen, als uns eine Halle abgesagt wurde.

Könnte es Ihnen letztlich auch nutzen, weil Ihre Sympathisanten Sie als verfolgte Unschuld erleben?

Weidel: Das kann ich nicht beurteilen. Ich finde es einfach schade, dass die Chancen sinken, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Es ist nicht gut, wenn der gesellschaftliche Diskurs unterbrochen wird, über Probleme zu sprechen.

Was packen Sie nach der Bundestagswahl als Erstes an?

Weidel: Wir beantragen als Erstes einen Untersuchungsausschuss gegen die Bundeskanzlerin, der die Rechtsverletzungen in der Flüchtlingskrise aufklärt. Außerdem bringen wir eine Verfassungsklage gegen Heiko Maas wegen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes in Gang.

Dann kommt auch Ihr Parteitag. Bewerben Sie sich um den AfD-Vorsitz?

Weidel: Meine Priorität gilt der Fraktion.

Welche Perspektive sehen Sie für Frauke Petry?

Weidel: Sie ist aktuell Bundesvorsitzende, genau wie Jörg Meuthen, und wenn sie sich wieder bewirbt, würde ich das begrüßen, ebenso bei Herrn Meuthen.

Der will aber nicht mehr mit Petry zusammen. Macht das Spaß, Spitzenkandidatin einer Partei zu sein, deren Flügel sich erbittert bekämpfen und deren Chefs nicht miteinander können?

Weidel: Das ist zumindest teilweise von den Medien aufgebauscht. Man sucht bei uns ja immer nach der Nadel im Heuhaufen, um uns als zerstrittene Partei darzustellen. Das kann ich so nicht bestätigen. Grundsätzlich empfehle ich jedem, das Politische von persönlichen Differenzen zu trennen.

Was den Ausschluss von Björn Höcke betrifft, sind sie sich mit ihrem Spitzenteamkollegen Alexander Gauland aber auch nicht einig, oder?

Weidel: Nein, wir sind in dem Punkt geteilter Ansicht. Das haben wir schon im Februar diskutiert: Herr Gauland war gegen den Ausschluss, ich war dafür – jetzt müssen die Parteischiedsgerichte entscheiden.

Stehen Sie denn als Spitzenkandidatin der AfD auch für Höcke?

Weidel: Also zumindest hat er gesagt, dass ich auch seine Spitzenkandidatin bin. In erster Linie aber stehe ich für unser Wahlprogramm.

Die AfD will die Grenzen schließen. Heißt das raus aus dem Schengen-Vertrag?

Weidel: Ja. Schengen ist gescheitert. Die Bedingung für die Öffnung der Binnengrenzen war, dass die Außengrenzen gesichert sind. Sie sehen aber, dass die EU schon 2015 mit der Flüchtlingskrise völlig versagt hat und es auch bis heute nicht in den Griff bekommen hat. Und wenn Europa das nicht schafft, muss es jeder Staat wieder selbst machen.

Wollen Sie also wieder Grenzschranken an jedem Übergang?

Weidel: Auf jeden Fall. Die Personenströme müssen kontrolliert werden. Der Staat muss anhand von Papieren überprüfen, wer ins Land reinkommt und wer wieder rausgeht.

Und Sie denken sogar an Zäune rund um Deutschland?

Weidel: Wenn sie eine grüne Grenze absichern wollen, kommen auch Zäune ins Spiel, natürlich. Auch wenn das widersprüchlich klingt: Nur Zäune garantieren Freiheit.

Was bedeutet die Forderung nach einem Zuwanderungsziel von Null – Abschaffung des Grundrechts auf Asyl?

Weidel: Unser Asylrecht ist veraltet. Die Orientierung am Einzelfall wird einer gigantischen Migration aus dem Nahen Osten und Afrika nicht gerecht. Wir müssen das Asylrecht deshalb nicht abschaffen, aber verändern. Etwa mit einer Obergrenze.

Und die Obergrenze ist Null?

Weidel: Das hängt von den jeweils aktuellen Kapazitäten ab. Wir können dem Migrationsdruck aus Afrika in Europa nicht gerecht werden. Asylanträge dürfen nur noch mit gültigen Papieren aus Flüchtlingscamps heraus heimatnah oder in Auslandskonsulaten gestellt werden.

Anlässlich der tödlichen Vorfälle in Hamburg und Konstanz fordern Sie ein „Rückgaberecht für Islamisten“ – wie soll das aussehen?

Weidel: Die als Gefährder eingestuften Personen gehören abgeschoben, und zwar innerhalb von 24 Stunden. Außerdem soll Gefährdern, die bereits eingebürgert sind, die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden.

Und wenn sie in der Konsequenz staatenlos werden?

Weidel: Da muss man dann bilaterale Abkommen treffen. Die Länder, aus denen sie kommen, müssen sie dann zurücknehmen. Wenn nicht, zwingen wir sie dazu, indem wir Entwicklungs- und Fördergelder streichen.

Es gibt nun die „Ehe für alle“. Werden auch Sie heiraten?

Weidel: Für mich ist das eine rein semantische Debatte. Ich sage doch seit Langem, dass ich verheiratet sei, obwohl ich in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebe. Aber die Ehe ist ein Wert und von der Verfassung geschützt. Wenn Sie den mit der „Ehe für alle“ aufweichen, was kommt dann als Nächstes? Die Ehe zu dritt, wie in Kolumbien?

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