Bundeswehrskandal Akt der Selbstverteidigung

Berlin · Ursula von der Leyen (CDU) muss erkennen, dass ihre Kritik an der Bundeswehr sie auch selbst unter Druck gesetzt hat. Hinter verschlossener Tür versucht sie, die jüngsten Fälle von Verfehlungen in der Truppe aufzuarbeiten.

 Versprechen Aufklärung auf höchster Ebene: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Generalinspekteur Volker Wieker.

Versprechen Aufklärung auf höchster Ebene: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Generalinspekteur Volker Wieker.

Foto: dpa

Maximale Aufklärung? Das schon, aber Ursula von der Leyen entscheidet sich dann doch lieber für die verschlossene Tür. Donnerstag, 14 Uhr, Bendlerblock, zweiter Dienstsitz der Bundesministerin der Verteidigung. Die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt hat rund 100 Generale und Admirale nach Berlin eingeladen. Versuch der Aufarbeitung der jüngsten Fälle von Verfehlungen in der Truppe. Wer wusste was? Funktionieren die Meldewege? Warum gelangten Informationen über Mobbing, sexuelle Belästigung, entwürdigende Aufnahmerituale und Rechtsextremismus offenbar erst verspätet ins Ministerium und dort noch später: auf den Schreibtisch der Ministerin?

Von der Leyen hat zu dieser frühen Nachmittagsstunde erheblichen Aufklärungsbedarf. Aber eben: intern. Selbst ein Bildtermin für Auftaktfotos wird kurzfristig abgesagt. Es soll zunächst möglichst nichts nach außen dringen, jedenfalls nicht unmittelbar. Erstmals hat ein Skandal auch von der Leyen in ihrem Amt als Verteidigungsministerin erreicht, jedenfalls könnten Fälle von Mobbing, sexueller Belästigung und Rechtsextremismus in der Truppe bei ihr abgeladen werden. Die CDU-Politikerin ist in diesen Tagen gewissermaßen eine Ministerin der Selbstverteidigung geworden.

Tags zuvor noch war von der Leyen, die bislang weitgehend ohne öffentlichen Makel durch ihre dreieinhalb Jahre als Verteidigungsministerin gerauscht ist, zu einem Blitzbesuch in Illkirch im Elsass. Dort, am Stützpunkt der deutsch-französischen Brigade, war jener Oberleutnant der Bundeswehr stationiert, der ein Doppelleben als registrierter Flüchtling führte und Anschläge geplant haben soll. Von der Leyen ließ, da die Wellen wegen eines mögliches Versagens des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) und mangelhafter Aufklärung nicht abebbten, dann eigens eine länger geplante USA-Reise platzen. Die Berliner „taz“ titelte süffisant: „Auslandseinsatz abgesagt“. Seit dem Wochenende, als von der Leyen nach Wahrnehmung von Verteidigungspolitikern und Militärs allzu pauschal die Bundeswehr für deren identifiziertes Haltungs- und Führungsproblem kritisierte, steht die Verteidigungsministerin nun selbst im Feuer. Erst versuchte sie noch, das Problem irgendwie bei der Truppe abzuladen. Doch das schlug fehl. Inzwischen fordert die Opposition eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses. „Keine Show, sondern schonungslose Aufklärung“, so Grünen-Expertin Agnieszka Brugger.

Von der Leyen, die Politmanagerin, erkannte sehr schnell, dass diese Skandale das Zeug haben, sie selbst zu beschädigen, und ruderte zurück. Womöglich habe sie in diesen Fällen selbst „nicht tief genug gegraben“, räumte sie ein und setzt nun mit einer Entschlossenheit nach, die der Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben soll. Ministerin in Aktion. Disziplin: Vorneverteidigung. Warum hat der auch für die Früherkennung extremistischer Tendenzen in der Truppe zuständige Militärische Abschirmdienst nicht gehandelt beziehungsweise war nicht ins Bild gesetzt worden, dass Oberleutnant Franco A. eine Masterarbeit abgeben konnte, deren Inhalte teilweise klar rassistisch gewesen seien, fragt nun auch die Ministerin.

Neben von der Leyen steht nach dem Versagen von Vorgesetzten im Falle von Franco A. sowie wegen diverser Fälle von Mobbing und sexueller Belästigung auch Generalinspekteur Volker Wieker unter Druck. Der höchste militärische Berater der Bundesregierung kündigte nun Klärung auf höchster Ebene an. Eine zentrale Frage: Ist womöglich „falsch verstandener, übertriebener Korpsgeist“ Ursache dafür, dass Missstände in der Truppe verschwiegen worden sind?

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