Weitere Amtszeit der CDU-Chefin Wird Angela Merkel noch einmal Kanzlerin?

Berlin · Die CDU-Chefin will womöglich beim CDU-Parteitag im Dezember ihre erneute Kanzlerkandidatur verkünden. Doch vorher gilt es, einige Hürden zu überwinden.

 ARD-Sommerinterview: Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit Journalisten in Berlin. FOTO: DPA

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Angela Merkel lauscht andächtig. Der Mann neben ihr ist ein Freund des Sports. Im Basketball beispielsweise habe es sich schon oft bewährt, „frische Beine“ ins Spiel zu bringen. Kein Vertun: „I love this job“, sagt der Gast aus Washington, der der deutschen Bundeskanzlerin noch Minuten zuvor ein überragendes Zeugnis ausgestellt hat. „Das ist die wichtigste, die vertrauensvollste Beziehung, die ich in meiner Amtszeit gehabt hatte.“ Aber bitte, für ihn, Barack Obama, ist nach der zweiten Legislaturperiode Schluss als US-Präsident, so hat es der Kongress nach dem Zweiten Weltkrieg für alle US-Präsidenten nun einmal bestimmt: maximal zwei Amtszeiten. Und er beteuert: „Ich beneide Angela Merkel nicht für die Tatsache, dass sie keine Begrenzung ihrer Amtszeit hat.“

Merkel ist an diesem Tag im April auf Schloss Herrenhausen in Hannover beeindruckt von Obamas Ausführungen. So viel Lob, und dann doch ein Hauch Zweifel. „Zu gegebener Zeit“ hatte sie wieder und wieder auf Fragen geantwortet, wann sie bekanntgeben wolle, ob sie, Angela Dorothea Merkel, geborene Kasner, 62 Jahre alt, promovierte Physikerin, vielleicht noch eine vierte Amtszeit an ihre dritte hängen will.

Nach einem knappen Wahlsieg und langwierigen wie schwierigen Koalitionsverhandlungen war sie im November 2005 als erste Frau ins höchste deutsche Regierungsamt gekommen. 2009 dann ihre erste Wiederwahl als Bundeskanzlerin und Wechsel zu einer schwarz-gelben Koalition. 2013 schließlich verfehlten die Unionsparteien mit Merkel als Spitzenkandidatin eine absolute Mehrheit nur hauchdünn.

Und jetzt Spitzenkandidatur für eine vierte Amtsperiode als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik? Merkel hält sich bedeckt. „Wer sich zuerst bewegt, verliert“, hatte der Alt- und Großmeister der Diplomatie, Hans-Dietrich Genscher, einmal über die Kunst des Wartenkönnens und auch Wartenlassens gesagt. Merkel lässt warten, obwohl sie ihre Entscheidung vermutlich längst getroffen haben dürfte. Wer Merkel erlebt, wie sie in Brüsseler Nächten oder auf kräftezehrenden Auslandsreisen jede Zeitverschiebung wegsteckt, muss unweigerlich zu dem Schluss kommen: Die Frau hat weiter Spaß an ihrem Job. Erkennbare Spuren von Amtsmüdigkeit: Fehlanzeige.

Beim nächsten CDU-Bundesparteitag im Dezember in Essen, so jedenfalls will es die „Bild“-Zeitung aus Merkels Partei erfahren haben, will die CDU-Vorsitzende öffentlich erklären, sich noch einmal um das höchste Regierungsamt in Deutschland bewerben zu wollen.

Angeblich will Merkel damit zwei Probleme in einem abräumen. Wegen der anhaltenden Kritik auch innerhalb der CDU an ihrer lange Zeit zu offenen Flüchtlingspolitik müsste Merkel bei ihrer Wiederwahl zur Parteichefin einen Denkzettel befürchten. Die CDU-Chefin könnte einen solchen Dämpfer, wie ihn im vergangenen Dezember SPD-Chef Sigmar Gabriel bei seiner Wiederwahl als Parteichef von einem Viertel der SPD-Delegierten erleben musste, zu vermeiden suchen, indem sie vor ihrer Wiederwahl als CDU-Chefin ihre erneute Kanzlerkandidatur verkündet.

Die Delegierten, so das von der „Bild“ beschriebene Kalkül, wären dann gewissermaßen in der Pflicht, ihre Vorsitzende mit einem großen Vertrauensbeweis in die nächste Runde als Kanzlerkandidatin zu schicken. Eine überzeugende Wiederwahl in Essen käme einem guten Omen gleich, denn in der zweitgrößten Stadt im Ruhrgebiet wählte im April 2000 eine von der CDU-Spendenaffäre durchgeschüttelte Parteibasis eine unbelastete Kandidatin Merkel mit 95,9 Prozent erstmals zur neuen Vorsitzenden.

Eine Zustimmungsquote in dieser Größenordnung wäre für Merkel Bestätigung genug. Doch vorher muss die CDU-Vorsitzende noch etwas klären. Will Merkel wieder Kanzlerin werden, braucht sie die mehr oder minder uneingeschränkte Unterstützung der CSU, frei von Querschüssen ihres Vorsitzenden Horst Seehofer.

Das Problem: Seehofer hat bis heute nicht jene Obergrenze bei der Flüchtlingsaufnahme bekommen, die er über Monate von Merkel gefordert hat. Bis zuletzt kursierten aus der CSU Gerüchte, man könnte im Freistaat Bayern wegen des Ärgers über ihre Flüchtlingspolitik womöglich ohne Merkel Wahlkampf machen und gar einen eigenen CSU-Kanzlerkandidaten aufstellen. Merkel und Seehofer leben also vermutlich auch im Wahljahr in ihrer spannungsgeladenen Beziehung: zwei, die einander brauchen, aber nicht unbedingt mehr einander wollen.

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