Wirbt in NRW für Koalitionsvertrag Wie die SPD für die Groko trommelt

Kamen · 450 Genossen diskutieren bei der einzigen Regionalkonferenz in NRW mit der Parteiführung den Koalitionsvertrag. Währenddessen werben die Jusos auf ihrer „NoGroko-Tour“ in Köln für ein Nein.

 SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Andrea Nahles versucht im westfälischen Kamen die Parteimitglieder zu überzeugen.

SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Andrea Nahles versucht im westfälischen Kamen die Parteimitglieder zu überzeugen.

Foto: dpa

Eigentlich sind Monika und Walter Lambert schon zum Nein entschlossen. Die Dortmunder wollen keine Neuauflage der großen Koalition mit der Union. „Das zieht die SPD nur noch tiefer in den Sumpf“, sagen die beiden, die seit mehr als 30 Jahren der Partei angehören. So könne sich die SPD nicht aus der „Umarmung der CDU“ lösen und klarmachen, wofür sie stehe.

Trotzdem ist das Ehepaar an diesem Sonntagmorgen nach Kamen gekommen – in der dortigen Stadthalle wirbt der Parteivorstand bei einer von deutschlandweit sieben Regionalkonferenzen um Zustimmung für den Koalitionsvertrag. „Wir sind gespannt, was die Damen und Herren im Elfenbeinturm von sich geben werden“, beschreiben die Lamberts ihre Motivation für die Teilnahme an der für rund drei Stunden angesetzten parteiinternen Diskussion.

Nicht alle 450 Genossen, die sich auf den Weg in die westfälische Kleinstadt gemacht haben, sind so skeptisch wie die Lamberts. Dem Rheinberger Wilhelm Dibowski etwa geht es vor allem darum, einen detaillierteren Überblick „aus sicherer Quelle“ zu bekommen. Aber auch der designierten Parteivorsitzenden Andrea Nahles ist bewusst, dass ihr heute wohl mehr Gegenwind entgegenwehen wird als am Vortag in Hamburg und Hannover. „Ich rechne hier mit intensiveren Debatten, das hat sich schon im Vorfeld abgezeichnet.“

Viele kritische Stimmen aus dem Ruhrgebiet

So gab es auf dem Bonner Parteitag im Januar viele kritische Stimmen aus dem Ruhrgebiet. Aber Nahles demonstriert im leuchtend roten Mantel Optimismus. Sie sei überzeugt davon, dass sich mit Argumenten etwas erreichen lasse. „Ich will die Leute nicht überreden, ich will sie überzeugen“, betont die 47-Jährige kämpferisch. Sie weiß natürlich, welch großen Einfluss der mitgliederstärkste nordrhein-westfälische Landesverband auf das Votum hat – und die Veranstaltung in Kamen ist die einzige Regionalkonferenz in NRW.

Insgesamt sind deutschlandweit rund 463.000 Mitglieder aufgerufen, per Briefwahl über den Koalitionsvertrag abzustimmen. „Wir haben gut verhandelt und viel herausgeholt, gerade bei den Themen, die uns Herzensanliegen sind“, sagt Nahles. Sozialer Arbeitsmarkt, Pflege, Rentenniveau und vor allem die sachgrundlose Befristung – dort habe die SPD noch etwas erreicht und damit wolle sie werben. Ihr sei aber auch klar, dass die Partei in den vergangenen Wochen nicht immer ein gutes Bild abgegeben habe.

Der NRW-Landesvorsitzende Michael Groschek beschreibt die aktuelle Stimmung in der SPD derweil plakativ: „Wer den Diskurs bestellt hat, darf sich über den Diskurs nicht beschweren.“ Jetzt gebe es „Leben in der Bude, manche tanzen auf den Tischen und Bänken“. Aber das sei besser, als wenn Grabesstille herrsche. „Die SPD lebt“, ruft er.

Drei Stunden Diskussion

Gut drei Stunden lang diskutieren die SPD-Mitglieder letztlich hinter verschlossenen Türen. Gerade der Anfang soll turbulent gewesen sein, weil die Groko-Gegner sich auf dem Podium zu kurz gekommen fühlten. Dann konnten alle Parteimitglieder mit Nahles und Groschek oder dem kommissarischen SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz und Generalsekretär Lars Klingbeil in kleineren Runden über die Zukunft streiten. „Überzeugt bin ich noch nicht“, sagt danach der ehemalige Bergmann Manfred Mertins, der seit mehr als 50 Jahren SPD-Mitglied ist.

Die Diskussion sei sachlich und kompetent geführt worden, seiner Meinung nach aber auch an der Realität vorbeigegangen. „Ich hatte mir mehr erhofft, mehr Ehrlichkeit.“ Der Koalitionsvertrag werde zu positiv verkauft. Der Essener Juso Deniz Ibis ist weiter unentschlossen. Er sorgt sich auch, dass die AfD im Falle einer großen Koalition größte Oppositionspartei wäre. Die Kamenerin Bärbel Filthart will dagegen für die Groko stimmen. „So kann man mitwirken und mitbestimmen“, betont sie. Ihr haben Veranstaltung und Diskussion gut gefallen. Groko-Befürworter und -Gegner seien jeweils etwa zur Hälfte da gewesen, schätzt sie.

Das Dortmunder Ehepaar Lambert bleibt bei seiner Ablehnung. „Ich denke, dass es eng wird“, sagt Monika Lambert mit Blick auf das Mitgliedervotum. Nahles will wie Scholz weiter für ein Ja trommeln. „Ich habe am Ende das Gefühl gehabt, wir konnten hier einige mehr überzeugen als zu Beginn.“ Aus Kamen fuhren beide gleich weiter nach Mainz, zur nächsten Regionalkonferenz.

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