Bilanz zur bisherigen Regierungszeit So schneidet die Bundesregierung in Zahlen ab

Bonn · Kurz vor der Bundestagswahl am Sonntag wird eine Bilanz der bisherigen Regierungskoalition gezogen: Auch wenn sich diese nicht eindeutig in Zahlen messen lässt, zeichnen die Daten und Grafiken eine Bilanz der bisherigen Regierungszeit.

Die deutsche Wirtschaft ist seit Jahren auf Wachstumskurs, die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung und die Bürger sind mit der Regierung im Großen und Ganzen zufrieden. Auf einer Skala zwischen - 2,5 und + 2,5 geben die von der Forschungsgruppe Wahlen Befragten der Regierung die Note + 1,3. Hat die schwarz-rote Koalition also alles richtig gemacht?

Auch wenn sich die Bilanz der Bundesregierung nicht eindeutig in Zahlen messen lässt, die eine oder andere Baustelle legen die Statistiken durchaus offen. So hat die Anzahl der Hartz-IV-Empfänger zuletzt ebenso zugenommen wie der Ausstoß von Kohlendioxid. In verschiedenen Grafiken im Laufe des Artikels wird der Versuch unternommen, eine Bilanz der Regierungszeit zu ziehen.

Natürlich finden sich darin nicht alle Themen, die CDU, CSU und SPD angepackt haben. In die Leistungsbilanz gehört zum Beispiel auch, dass die Union die Mütterrente und die SPD sowohl den Mindestlohn als auch die Rente mit 63 durchgesetzt haben. Das CSU-Lieblingsthema des Wahlkampfs 2013, die Pkw-Maut, ist auch auf den Weg gebracht worden.

Was gab es noch?

Die Mietpreisbremse ist zwar beschlossen, doch sie läuft weitgehend ins Leere. Die Schuld dafür gibt die SPD der Union, weil diese zum Beispiel nicht bereit gewesen sei, Mieterhöhungen nach Modernisierungen einzuschränken.

Auch große Würfe wie Reformprojekte im Gesundheitswesen oder bei der Rente sucht man vergebens. Viele hochverschuldete Kommunen, gerade in NRW und Rheinland-Pfalz, hätten sich zudem gewünscht, dass der Bund eine Steuerreform in die Wege leitet, die Städten und Gemeinden wieder zu stetigeren Einnahmen verhilft.

Eine Reform des Einwanderungsrechts fehlt ebenfalls noch. Vielleicht packen es die Parteien ja nach der Wahl an. Klar ist jedenfalls, dass die große Flüchtlingskrise ab Sommer 2015 das Megathema in der ablaufenden Wahlperiode war. Wie kein anderes polarisierte es die Bürger. Während sich Hunderttausende in der Hilfe für die Schutzsuchenden engagierten, lehnten viele andere die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland rundweg ab.

Lesen Sie auf den kommenden Seiten die Bilanz der Regierung - übersichtlich nach Themen geordnet.

Regierung, Ausland und Migration

Regierung

Insgesamt wurden vier der 15 Ministerposten im Laufe der 18. Wahlperiode unter Schwarz-Rot umbesetzt. Unter Schwarz-Gelb wechselten neun Minister.

95 Prozent der verabschiedeten 555 Gesetze waren Vorlagen der Regierung. Die meisten lieferte das Justizministerium.

3798 Anfragen haben die Fraktionen sowie eine außerfraktionelle im Rahmen der Kontrolltätigkeit des Parlaments gestellt. Davon 41 von CDU/CSU und SPD, 1649 von den Grünen und 2107 von den Linken.

Ausland

19 der 25 Regierungserklärungen, die die Kanzlerin in der 18. Wahlperiode abgab, beschäftigten sich vor allem mit außenpolitischen Themen. Davon fünf jeweils im Rahmen der Flüchtlingspolitik sowie Ukraine/Russland, drei bezüglich der EU und jeweils zwei zum Brexit und IS-Terror.

149 Auslandsreisen hat Angela Merkel in dieser Wahlperiode unternommen. Im Vergleich: Konrad Adenauer ist in seiner 14-jährigen Amtszeit als erster deutscher Kanzler nur rund 50 Mal ins Ausland gereist.

2854 Deutsche waren 2016 als Personal an internationalen Friedensmissionen – durch Nato-, UN- und EU-Missionen sowie sonstige – beteiligt, weniger als halb so viele wie 2013 (6155).

Migration

Seit 2014 wurden in Deutschland knapp 1,5 Millionen Asylanträge gestellt – ohne Folgeanträge.

33,9 Prozent der Asylanträge kommen seit 2014 von Flüchtlingen aus Syrien. Albanien gilt seit 2015 als sicheres Herkunftsland.

1.551.729 Entscheidungen über Asylanträge hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seit 2014 gefällt. 69.692 Menschen wurden seit 2014 aus Deutschland abgeschoben.

Staatsfinanzen, Infrastruktur und Umwelt

Staatsfinanzen

329,1 Milliarden Euro beträgt das Volumen des Bundeshaushalts 2017. Um durchschnittlich 4,25 Prozent stiegen in dieser Legislaturperiode jährlich die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden auf 706 Milliarden Euro im Jahr 2016. Die Prognose für 2017 liegt bei circa 732 Milliarden Euro Steuereinnahmen.

Im Jahr 2014 gab es knapp 40.000 Selbstanzeigen wegen Steuerbetrugs. Seitdem geht die Zahl stark zurück. 2016 waren es nur noch 5272 Anzeigen.

Infrastruktur

350.000 Wohnungen müssen laut Bundesregierung in Deutschland bis 2020 jedes Jahr neu gebaut werden, vor allem in Ballungsgebieten.

Der Zugang zum schnellen Internet ist seit 2013 um 17,2 Prozent gestiegen. Über drei Viertel der Deutschen können heute Geschwindigkeiten von über 50 Mbit pro Sekunde nutzen (Stand Jahresmitte 2017: 76,9 Prozent).

Die Lücke zwischen Investitionen des Staates und dem Wertverlust der Infrastruktur summiert sich seit 2013 auf rund zehn Milliarden Euro.

Umwelt

906 Millionen Tonnen Treibhausgase wurden 2016 in Deutschland ausgestoßen. Als Klimaschutzziel sind für 2020 nur noch 751 Millionen Tonnen sowie für 2030 nur noch 563 Millionen Tonnen Treibhausgase geplant.

Rund 40,3 Prozent des gesamten Stroms für Deutschland wurden 2016 durch Kohlekraftwerke erzeugt, die erneuerbaren Energien liegen bei fast 30 Prozent.

Von den Autos, die 2016 auf Deutschlands Straßen zugelassen wurden, waren rund 0,75 Prozent elektrobetrieben. Das schließt auch Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge ein. Zum Vergleich: Knapp 1,7 Millionen Benziner sowie rund 1,5 Millionen Dieselfahrzeuge zählt das Kraftfahrt-Bundesamt.

Arbeit und Gesellschaft

Arbeit

Der gesetzliche Mindestlohn für Arbeitnehmer beträgt derzeit 8,84 Euro pro Stunde. Diesen hat die große Koalition vor zwei Jahren eingeführt. 2015 waren es noch 8,50 Euro. Die Verhandlungen für die kommenden Jahre laufen noch.

Rund 7,46 Millionen Menschen sind in Minijobs beschäftigt (Stand: Mai 2017), durch welche sie bis zu 450 Euro monatliche verdienen. Davon sind 4,76 Millionen Arbeitnehmer nur im Minijob tätig, bei 2,69 Millionen Menschen handelt es sich bei dem Minijob jedoch nur um einen Nebenjob.

In der Bundesrepublik empfangen knapp 6,1 Millionen Bürger Harzt-IV-Leistungen (Stand: Juli 2017). Diese schließen sowohl Sozialgeld als auch Arbeitslosengeld 2 ein.

Fast 16 Prozent der Menschen in Deutschland verdienen weniger als 60 Prozent des Durchschnitts und gelten als armutsgefährdet.

Gesellschaft

In Deutschland fehlen laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aktuell rund 293.000 Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren. Vor allem im Westen der Bundesrepublik ist die Betreuungslücke hoch – in NRW fehlen etwa 77.000 Plätze.

Um 6,3 Prozentpunkte ist der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten großer Unternehmen seit Einführung der Quote gestiegen. Währen es im Januar 2015 nur 21,3 Prozent waren, waren im März 2017 bereits 28,1 Prozent der Führungskräfte weiblich.

Fast zwei Drittel der Abgeordneten haben im Juni im Bundestag für die "Ehe für alle" gestimmt. Im Bundestagsvotum stimmten 63 Prozent dafür, 36 Prozent dagegen. Aus der Bevölkerung positionierten sich 66 Prozent dafür und 26 Prozent dagegen. Der restliche Anteil sind enthaltene und nicht gewertete Stimmen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Jan Drebes, Berlin,
zu russischer Spionage
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in DeutschlandEnde der Naivität
Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Kommentar zu den Folgen der Cannabis-Legalisierung Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Zum Thema
Aus dem Ressort