Innenminister als Brückenbauer Seehofer versucht Neustart der Islamkonferenz

BERLIN · Der Bundesinnenminister Seehofer versucht einen Neustart der Deutschen Islamkonferenz und gibt sich betont moderat. Auf die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, geht er erst einmal nicht weiter ein.

 Neustart der Islamkonferenz: Horst Seehofer begrüßt Ayten Kilicarslan (li.), als Vorsitzende des Verbandes „Sozialdienst muslimischer Frauen e.V.“, und den Islamismus-Experten Ahmad Mansour (Mi.).

Neustart der Islamkonferenz: Horst Seehofer begrüßt Ayten Kilicarslan (li.), als Vorsitzende des Verbandes „Sozialdienst muslimischer Frauen e.V.“, und den Islamismus-Experten Ahmad Mansour (Mi.).

Foto: dpa

Ein unverfängliches Wort: „alltagspraktisch“. Klingt nicht nach Aufreger. Doch die Juristen im Bundesinnenministerium werden aufhorchen. Und nicht nur sie. Ihr oberster Dienstherr will künftig das Zusammenleben mit den organisierten und den nicht organisierten rund 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland auf „alltagspraktische Fragen“ abklopfen. Und dazu auch die Deutsche Islamkonferenz in ihrer Arbeitsweise, bei der Auswahl ihrer Teilnehmer und ihrer Themen neu aufstellen – nach Fragen der Alltagspraxis.

Im Saal ist es mucksmäuschenstill. Vorne spricht schließlich jener Mann, der schon kurz nach seinem Amtsantritt als Bundesinnenminister einen Pfeiler seiner Integrationspolitik regelrecht in den Boden gerammt hat: „Nein, der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt. Dazu gehören der freie Sonntag, kirchliche Feiertage und Rituale wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten.“ Horst Seehofer hat dabei zwar noch betont, dass die in Deutschland lebenden Muslime „selbstverständlich“ zu Deutschland gehörten. Doch der Protest war ihm gewiss, wie auch wenig später im Bundestag eine Klarstellung der Bundeskanzlerin fällig war. Deutschland sei stark vom Christentum geprägt und auch jüdisch, aber inzwischen lebten auch Millionen Muslime hier. Angela Merkel unmissverständlich: „Diese Muslime gehören auch zu Deutschland, und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland, also auch der Islam.“ Seehofer saß da auf seinem Platz in der ersten Reihe der Regierungsbänke – und musste es hören.

Aber jetzt, acht Monate später, will der CSU-Chef, der bei einem Sonderparteitag im Januar zumindest als Parteichef abtreten wird, ein neues Kapitel in der Zusammenarbeit mit den Muslimen und ihren Dachverbänden in Deutschland aufschlagen. In diesen 30 Minuten seiner Rede an die erste Islamkonferenz unter seiner Führung hat Seehofer die Kanne mit Öl, mit dem er das Feuer in der Integrationsdebatte weiter anfachen könnte, vor der Tür gelassen.

Er blendet kurz zurück. Tag der offenen Tür im Bundesinnenministerium im Sommer. Die Bürger können sich über die Arbeit des Hauses informieren. Es kommt zur Begegnung einer muslimischen Familie mit dem Hausherrn. „Herr Seehofer, Sie sind doch der Meinung, dass wir hier nicht dazugehören?“, ist der Bundesinnenminister gefragt worden. Da war sein Interview mit der Aussage, wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre, bereits in der Welt. Seehofer habe damit sehr, sehr viele Muslime „enttäuscht“, so die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat.

Seehofer stellt bei dieser mittlerweile vierten Phase der Deutschen Islamkonferenz am Mittwoch in Berlin klar: „Muslime gehören zu Deutschland.“ Damit hat er noch nichts über die Zugehörigkeit von deren Religion, dem Islam, gesagt. Seehofer weiter: „Muslime haben selbstverständlich die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten wie jeder hier in Deutschland.“ Daran könne es „keine vernünftigen Zweifel“ geben. Der Bundesinnenminister will nicht schon wieder der Brandbeschleuniger sein und betont dazu, er verstehe sich vielmehr als „Brückenbauer“.

Natürlich weiß Seehofer, dass er an diesem Tag vor diesem Forum kein Heimspiel hat. Das ist hier kein Parteitag der CSU zu seinen besseren Tagen als Parteichef. Das hier ist die Islamkonferenz. Im Saal sitzen auch Zuhörer, die sich gewünscht hätten, Seehofer wäre nie Bundesinnenminister geworden – oder inzwischen wieder abgelöst. Aber nun hören sie Seehofers Dialogangebot: Er wolle einen „Islam in, aus und für Deutschland“. Und dazu zähle auch, dass sich Moscheen für bessere Integration öffneten, vernetzten und kooperierten, aber eben auch die Ausbildung von Imamen in Deutschland. Moscheegemeinden müssten nicht nur ihre Finanzierung selbst stemmen, sondern auch die Ausbildung ihrer Prediger.

Neben anderen hatte zum Tag der Islamkonferenz auch die Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gefordert, zu einem Neustart der Islamkonferenz gehöre auch, „dass bei uns in Deutschland mehr Imame ausgebildet werden“. Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, erinnerte daran, dass seine Organisation bereits vor zehn Jahren gefordert habe, Imame auch in Deutschland auszubilden.

Seehofer ist dann wieder ganz der Bundesinnenminister: Hüter über Recht und Ordnung. Alles hat seinen Rahmen und seine Grenzen. Die Kooperation mit den Muslimen und ihren Verbänden in Deutschland könne „nur im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ verlaufen. Das Grundgesetz bilde dabei die Grenze. Er wolle, wenn die Neuaufstellung der Islamkonferenz in guten Bahnen verlaufe, dann hoffentlich „mit mehr Ruhe“ zum nächsten Tag der offenen Tür – in seinem Ministerium – sagt Seehofer, womit er auch sagt, dass er gerne eines bliebe: Bundesinnenminister.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Kommentar zu den Folgen der Cannabis-Legalisierung Lauterbachs Gesetz führt zu Chaos
Zum Thema
Ende der Naivität
Kommentar zu russischer Spionage in Deutschland Ende der Naivität
Aus dem Ressort