Kommentar zum Tempolimit Pure Provokation

Meinung | Berlin · Die Behauptung, dass ein generelles Tempolimit den CO2-Ausstoß um 28 Millionen Tonnen senken würde, kann nur im Labor entstanden sein, kommentiert unser Autor.

Für mehr Klimaschutz schlägt eine Regierungskommission unter anderem Tempolimits vor.

Für mehr Klimaschutz schlägt eine Regierungskommission unter anderem Tempolimits vor.

Foto: dpa

Die Debatte um Tempolimit und Spritpreise sollte – um es ironisch zu sagen – von Älteren geführt werden. Die können sich nämlich noch an Zeiten erinnern, in denen es auf Deutschlands Autobahnen freie Fahrt für freie Bürger gab und nicht ständig 2000 Staus und 400 Baustellen die Autos auf bestenfalls Schrittgeschwindigkeit herunterbremsten wie im vergangenen Jahr. Und sie wissen, wie den Grünen in den 1990er Jahren ihre Forderung nach fünf Mark für den Liter Sprit bekommen ist: Um ein Haar wären sie aus dem Bundestag geflogen, weil sie sich alle Berufspendler und Nicht-Reiche zum Feind gemacht hatten.

Im Ernst: Man kann ja über Tempolimits im Zusammenhang mit Unfallzahlen reden oder weil es das Reisen angenehmer macht. Aber dann geht es um nicht angepasste Geschwindigkeit, und die kann bei Tempo 80 so verhängnisvoll sein wie bei Tempo 160. Nicht von ungefähr haben sich die Deutschen auf eine Richtgeschwindigkeit verständigt. Du kannst und Du solltest höchstens 130 fahren, aber Du musst nicht. Wer in diesen Monaten einmal von Ost nach West oder von Nord nach Süd fährt, fragt sich ohnehin, ob die Strecken ohne Stau, ohne Baustellen und ohne Geschwindigkeitsbegrenzung überhaupt noch einen nennenswerten Teil der Autobahnen ausmachen.

Die Behauptung, dass ein generelles Tempolimit den CO2-Ausstoß um 28 Millionen Tonnen senken würde, kann nur im Labor entstanden sein. In der deutschen Straßenwirklichkeit stellt sich eher die Frage, wie viele Millionen Tonnen CO2 sich einsparen ließen, wenn die Autos nicht mehr auf 1,5 Millionen Kilometern Stau Schadstoffe produzieren, ohne voranzukommen.

Schon jetzt bedeutet für Familien mit engem Geldbeutel, auch mit dem Gaspedal über mehr oder weniger finanzielle Spielräume am Ziel der Reise zu entscheiden. Wer gemächlich fährt, hat am Ende so viel weniger fürs Tanken ausgegeben, dass es locker für ein Abendessen reicht. Doch wer mal deutlich schneller am Ziel sein muss und dafür auch etwas Geld auszugeben bereit ist, den sollte der Staat nicht per Tempolimit erziehen wollen. Erst Recht gilt das für den unsozialen Vorschlag, den ohnehin schon überaus üppigen Steueranteil an den Spritpreisen um einen weiteren halben Euro aufzublähen.

Das würde vermutlich auch in Deutschland die Autofahrer in die Gelbwesten treiben. Denn so lange der Staat an vielen anderen Stellen seine Hausaufgaben zum Klimaschutz auch im Straßenverkehr nicht erledigt hat, muss der von fragwürdigen Feinstaubmessmethoden, widersprüchlichen Grenzwerten und unsinnigen Fahrverboten drangsalierte Autofahrer eine solche Verbots- und Verteuerungsdebatte als pure Provokation begreifen. Deshalb tut Verkehrsminister Andreas Scheuer gut daran, das Papier seiner Experten schleunigst vom Tisch zu nehmen.

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