Kommentar zum Kompromiss zwischen CDU und CSU Nur eine Atempause

Meinung | BERLIN · In Berlin tagt die CDU, in München die CSU. Beide schlagen versöhnliche Töne an und schaffen es doch nur, die immer noch mögliche Eskalation zu verschieben.

Der große Knall zwischen CDU und CSU konnte abgewendet werden. Die beiden Parteien haben getan, was in der Politik eigentlich normal ist: Sie sind sich beide ein Stück entgegengekommen. Für eine so kleine Bewegung in einer politischen Sachfrage muss man eigentlich keine historische Krise provozieren. Der Kompromiss ist aber nicht von langer Dauer.

Nur wenn es der Kanzlerin gelingt, tatsächlich spätestens beim EU-Gipfel am 28. und 29. Juni, eine Reihe von süd- und südosteuropäischen Ländern dazu zu bewegen, die bei ihnen registrierten Flüchtlinge im Fall von Zurückweisungen an der deutschen Grenze auch zurückzunehmen, kann der Streit zwischen CDU und CSU befriedet werden. Die Kanzlerin mag Wenn-Dann-Fragen aus gutem Grunde nicht. Die Chancen, dass ihr solche Abkommen glücken und für Deutschland bezahlbar bleiben, sind nicht sehr gut. Dann ist die Zwei-Wochen-Frist nur eine Atempause in der Regierungskrise. Denn dann wird Seehofer voraussichtlich auch ohne Einwilligung der Kanzlerin die Bundespolizei anweisen, deutlich mehr Flüchtlinge als bisher an der Grenze zurückzuweisen. Merkel müsste tun, was in den vergangenen Tagen nur mit Mühe verhindert werden konnte: Ihren Innenminister entlassen und damit das Ende der noch jungen Regierungskoalition einleiten.

Die Fehde zwischen CDU und CSU wird sich fortsetzen – so oder so. selbst wenn Merkel mit dem Druck im Rücken, dass die Flüchtlingsfrage die deutsche Regierung sprengen könnte, die Abkommen schließen kann, bleibt die Entfremdung der Schwesterparteien. Ob Seehofer den Satz, dass er mit „dieser Frau“ nicht mehr arbeiten könne, tatsächlich gesagt hat, ist nicht verbrieft. Er bestreitet das. Seine Performance in den vergangenen Tagen und Wochen aber legt nahe, dass er genau so denkt. Merkel wiederum, die Kritik, persönliche Angriffe und sogar öffentliche Düpierung recht gut an sich abtropfen lassen kann, verliert inzwischen bei Seehofer die Nerven. Die aufreibende Auseinandersetzung seit zweieinhalb Jahren um die Flüchtlingspolitik hat beide mürbe werden lassen. Sollten sie nun ohne Bruch der Unionsfraktion noch einmal aus dieser schweren Regierungskrise herauskommen, dann wird sich bald das nächste Thema finden, an dem sich der nächste Streit entzündet.

Die Umfragen zeigen, dass der Streit beiden schadet, CDU und CSU. Die CSU wird niemals die absolute Mehrheit in Bayern holen können, wenn ihre Spitzenpolitiker in dieser Art und Weise weiter herumholzen, wie Ende vergangener Woche. Ja, die Bürger wünschen sich mehrheitlich, dass die Flüchtlingspolitik noch mehr mit dem Anspruch an Recht und Ordnung gemacht wird. Aber von zwei Schwesterparteien, die nicht mehr in der Lage sind, pragmatische Kompromisse dafür zu finden, wenden sie sich ab. Mit einem Anti-Merkel-Wahlkampf kann man auch in Bayern nicht die absolute Mehrheit gewinnen.

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