Urgestein der Bonner Republik Friedrich Nowottny feiert seinen 90. Geburtstag

Bonn · Der Fernsehjournalist und frühere WDR-Intendant Friedrich Nowottny wird an diesem Donnerstag 90 Jahre alt. Er begegnete den Mächtigen stets mit Distanz und verfeinerte trockene Nachrichten gern mit ironischem Unterton.

Erinnerung an Bonner Hauptstadtzeiten: Friedrich Nowottny blättert im Fotoalbum, das ihm WDR-Kollegen schenkten.

Erinnerung an Bonner Hauptstadtzeiten: Friedrich Nowottny blättert im Fotoalbum, das ihm WDR-Kollegen schenkten.

Foto: Matthias Kehrein

Er mit Willy Brandt, mit Schmidt, mit Kohl. Mit Leonid Breschnew, mit Strauß und Schiller, mit Genscher und Gorbatschow. Und mit der Queen. Wenn Friedrich Nowottny im Fotoalbum blättert, das ihm WDR-Kollegen zu seinem Abschied als Intendant 1995 geschenkt haben, wird deutlich, welche Rolle der Journalist zu Bonner Hauptstadtzeiten einnahm. Unter den Mächtigen, aber stets kritisch Distanz wahrend.

Von 1967 bis 1985 war er das freundliche, oft süffisant lächelnde Gesicht des politischen Fernsehjournalismus. Bambi-Preisträger, Goldene Kamera, Bundesverdienstkreuz. Nowottny brachte den „Bericht aus Bonn“ freitags in die deutschen Wohnzimmer. Insgesamt 571 Mal. Sein Abschiedsgruß lautete stets: „Auf Wiedersehen - das Wetter“.

Wenn das Thema es zuließ, verfeinerte er trockene Nachrichten gern mit ironischem Unterton. Das passte nicht jedem Politiker oder Zuschauer. Sie lasen aus seinen Moderationen wechselweise Präferenzen für die CDU, die SPD oder die FDP heraus. „Ich habe bis heute kein Parteibuch“, sagt er. Nowottny bezeichnet sich als Liberalen, „aber nicht im parteipolitischen Sinne“. Diese Neutralität war es auch, die ihn 1983 das Angebot von Helmut Kohl, sein Regierungssprecher zu werden, ausschlagen ließ: „Das wäre nicht mein Job gewesen. Zur Loyalität mit einer Regierung war ich nicht fähig.“

Noch nicht einmal 16, wurde der in Hindenburg (Oberschlesien) geborene Nowottny vor Kriegsende noch in den Volkssturm eingezogen. Über Prag und Passau flüchtete er mit Mutter und Schwester nach Bielefeld. Dort dolmetschte er für die britischen Besatzer und begann eine Lehre als Versicherungskaufmann. In den Journalismus stieg er Anfang der 50er Jahre bei der „Neuen Presse“ in Bielefeld ein. 1962 wechselte er zum Saarländischen Rundfunk.

Respektvolles Verhältnis zu Helmut Schmidt

Zeitsprung: Gerade ist Nowottny mit seiner Frau Gisela nach Bonn gezogen. Das Haus in Swisttal-Buschhoven hatte zu viele Stufen, die neue Wohnung ist seniorengerecht. Die Möbel hat er den Rheinbacher Pfadfindern geschenkt. Im Kottenforst holte er sich morgens auf dem Rad die Kondition für den stressigen Job in Bonn. „Die 18 Jahre waren eine sehr spannende Zeit, die sich tief in mein Gehirn eingebrannt hat“, sagt er. Mit Hochachtung spricht er von den Kanzlern der Republik. „Alle große Persönlichkeiten, da hat unser Land Glück gehabt. Auch Merkel macht tolle Arbeit.“

Von gegenseitigem Respekt war das Verhältnis zu Helmut Schmidt geprägt. Dessen Vorwurf an die Journaille, „Wegelagerer“ zu sein, traf Nowottny nicht. „Das waren wir in gewisser Weise ja auch, wir haben ja oft stundenlang vor verschlossenen Türen auf Informationen gewartet.“

Nowottny war es auch, der 1972 die Nachricht exklusiv verkündete, dass die Union ein Misstrauensvotum gegen Willy Brandt auf den Weg bringen würde. Dabei half ihm der Zufall. Auf dem Bonner Münsterplatz traf er „einen bedeutenden CDU-Mann“, dessen Namen er auch heute noch nicht verraten will und der ihm das Vorhaben „steckte“. Diese Meldung schaffte es natürlich in die Tagesschau. „Sie schwebte damals über der ARD. Oft hatten wir Mühe, unsere eigenen Nachrichten in der Sendung unterzubringen.“ Man habe in Hamburg nicht etwa vom „Hauptstadtstudio“ gesprochen, sondern verschämt vom „Bonner Büro“. Da mag auch Neid eine Rolle gespielt haben, aber Qualität setzt sich am Ende durch.

Debattenkultur im Bundestag missfällt Nowottny

Die Qualität seiner Berichte aus Bonn führte Nowottny 1985 auf den Intendantenstuhl des WDR. Nach wie vor hält er die öffentlich-rechtlichen, durch Gebühren finanzierten Sender für wichtig in einer Demokratie. Er schaut fast alle politischen Talkshows, wobei ihm besonders Anne Will gefällt: „Die macht einen guten Job.“

Die Debattenkultur im Bundestag missfällt Nowottny: Die Regierung müsse sich häufiger in Fragestunden ihrer Verantwortung gegenüber dem Parlament stellen. Die Medien zum „Prügelknaben“ zu machen und sie als „Lügenpresse“ zu bezeichnen, hält Nowottny für „billig“ und wenig differenziert. Gerade jetzt müssten die Medien daran arbeiten, ihre Glaubwürdigkeit zu erhalten. Angst vor einem Rechtsruck hat er nicht. Rechte Parteien habe es in der Bundesrepublik immer gegeben, das Land werde auch die AfD „verdauen“. Für Bonn befürchtet er, dass irgendwann alle Bundeseinrichtungen nach Berlin wandern, „denn die Zahl der Bonn-Befürworter in Berlin ist überschaubar“.

Die Geschichten zu den Fotos, die er in seiner neuen Wohnung nahe des Botanischen Gartens in Bonn voller Spaß und Leidenschaft erzählt, böten genügend Stoff für ein dickes Buch. Doch Memoiren will Nowottny nicht schreiben. Auch nicht zu seinem 90. Geburtstag, den er an diesem Donnerstag im Kreise seiner Familie feiert. „Das ist doch alles Schnee von gestern, der längst geschmolzen ist“, sagt er. „Damit will ich die Leser nicht belästigen.“ Belästigung? Es wäre ein Vergnügen!

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