Ermittlungen zum Attentäter von Berlin Fall Anis Amri: Geisel werden Fehler vorgeworfen

BERLIN · Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) steht im Fall Anis Amri unter besonderem Druck.

 Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD).

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD).

Foto: dpa

Ein Blick vom 28. Stockwerk eines Hochhauses über die Dächer Berlins. Noch vor einem Jahr stand Andreas Geisel an einem wunderbaren Sonnentag neben Bundesbauministerin Barbara Hendricks und die beiden berieten darüber, wo und wie in Berlin zusätzlicher, weil dringend benötigter Wohnraum geschaffen werden könnte. Eine gute Möglichkeit: Aufstockung oder Ausbau der Dachgeschosse. Berlin könne auch in die Höhe wachsen, so Geisel, der damals noch Senator für Standentwicklung und Umwelt war.

Inzwischen ist der 51 Jahre alte SPD-Politiker auf dem harten Boden der Innenpolitik angelangt. Seit dem 8. Dezember ist Geisel Senator für Inneres und Sport der rot-rot-grünen Landesregierung in Berlin. Nur elf Tage nach seinem Amtsantritt traf auch Geisel die Nachricht vom Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz im Zentrum des alten Westberlins. Zwölf Menschen starben, mehr als 60 wurden teilweise schwer verletzt.

Dass der Attentäter, der Tunesier Anis Amri, auch noch behörden- und polizeibekannt war, wie sich bald herausstellte, erhöhte den Ermittlungsdruck auf den frischgebackenen Innensenator. Geisel wurde am Abend dieses 19. Dezember gewissermaßen ins kalte Wasser geworfen. „Mit Sicherheit Berlin“ steht auf seiner Homepage. Das hört sich in diesen Tagen, da ein möglicher Vertuschungsskandal die Berliner Landespolizei durchschüttelt, wie ein großes Versprechen an.

Der Berliner Innensenator kann vor allem nicht sicher sein, dass der Fall Amri nicht noch weitere dunkle und halbdunkle Wahrheiten in sich birgt. „Ich bin da auf Verschiedenes vorbereitet“, sagte Geisel dieser Tage im Berliner Abgeordnetenhaus. Möglicherweise habe der Staatsschutz Amri laufenlassen, weil sich dessen Ermittler für den Tunesier als Drogenhändler nicht zuständig gefühlt hätten, so der Innensenator.

Aber bitte, Fakten zählen, bloß keine Mutmaßungen. Geisel weiß: Als Innensenator steht er in einem solch heiklen Fall, bei dem die Landespolizei wegen des Verdachts der Vertuschung und Urkundenfälschung ins Rampenlicht geraten ist, selbst unter Beobachtung. Doch Geisel gilt als besonnen und fand bereits in der Nacht des Attentats die richtigen Worte.

Geisel wurde 1966 in Ostberlin geboren, ging zunächst an eine polytechnische Oberschule, absolvierte danach eine Berufsausbildung mit Abitur zum Nachrichtentechniker. Nachrichtentechnik beziehungsweise die Fähigkeiten, Nachrichten richtig zu deuten, braucht er auch jetzt als Innensenator. In den letzten Jahren der DDR arbeitete Geisel als Fernmeldetechniker beim Fernsprechamt in Ostberlin.

Nach der Wende fungierte er zunächst als Sachbearbeiter in der Liegenschaftsverwaltung der Oberpostdirektion der Telekom in Berlin-Charlottenburg. Danach arbeitete er kurze Zeit für die Unternehmensberatung „Price Waterhouse“ in Berlin. Von 1992 bis 1995 studierte Geisel an der Humboldt-Universität Volks- und Betriebswirtschaft. Als Ökonom denke er unternehmerisch, sagt Geisel über sich. Als Senator und Bezirksbürgermeister von Lichtenberg sei ihm die Verwaltung aus leitender Position vertraut.

Der SPD trat Geisel direkt nach der Wende bei. Der verheiratete Vater zweier Kinder war schnell Sprecher der Jusos in seinem Heimatbezirk Lichtenberg und rückte dann 1996 in den Landesvorstand auf. Seit dem vergangenen Jahr ist Geisel als SPD-Vize in Berlin auch Stellvertreter von Landeschef Michael Müller. Ein enger Draht zum „Regierenden“, der Müller auch ist, hat noch nie geschadet.

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