Interview mit Jochen Flasbarth "Die Welt ist zusammengerückt"

BONN · Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, meint, dass nichtstaatliche Akteure immer mehr zu Antreibern der internationalen Klimapolitik werden. Im GA-Interview spricht er über die Bilanz der Bonner Klimakonferenz.

 Bedrohtes Paradies: Das Dorf Vunisavisavi auf den Fidschi-Inseln musste wegen des steigenden Meeresspiegels ins Landesinnere umgesiedelt werden.

Bedrohtes Paradies: Das Dorf Vunisavisavi auf den Fidschi-Inseln musste wegen des steigenden Meeresspiegels ins Landesinnere umgesiedelt werden.

Foto: dpa

Herr Flasbarth, was war das Besondere an der Cop23?

Jochen Flasbarth: Es war die erste Cop, nachdem Donald Trump den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt hat. Die Frage war, ob die Weltgemeinschaft nun zusammenrückt oder andere dem Kurs Trumps folgen. Das Ergebnis hier ist: Nicht nur die Staaten sind näher zusammengerückt, sondern auch die Gesellschaften. Das hat man in der Bonn-Zone deutlich gesehen, wo Vertreter der Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Industrie, Städte und Bürgermeister miteinander kooperiert und gezeigt haben: Klimaschutz ist mehr als das, was Regierungszen-tralen machen. Das zeigt: Die USA sind wirklich der einzige Staat auf der Welt, der sich isoliert und völlig allein steht.

Die USA haben am Donnerstag ihr offizielles Statement abgegeben. Was ist Ihr Eindruck?

Flasbarth: Es hat den Eindruck bestätigt, den wir schon während der gesamten Konferenz gewonnen hatten. Die USA verhalten sich unauffällig, treten nicht als Blockierer auf. Auffällig war lediglich ein Side Event der USA, bei dem sie die Kohle- und die Atomindustrie als Lösung der Klimaschutzprobleme präsentiert haben – das haben die Nichtregierungsorganisationen und Beobachter als Provokation empfunden und ganz friedlich dagegen protestiert.

Sie haben die Rolle der nichtstaatlichen Akteure angesprochen. Hat sich da eine neue Dynamik entwickelt?

Flasbarth: Eindeutig. Die Auseinandersetzung darüber, wohin wollen wir eigentlich, sind vorbei. Wir wissen, wir müssen in diesem Jahrhundert eine Welt erreichen, in der wir ohne menschengemachte Treibhausgasemissionen auskommen, eine Welt ohne fossile Energieträger. Und da entstehen auch interessante Märkte. Man merkt, dass diejenigen, die erneuerbare Energien oder Effizienztechnologien anzubieten haben, die andere Lösungen in der Städteplanung und -entwicklung oder im Verkehrswesen haben, zu wirklichen Antreibern werden.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Konferenz?

Flasbarth: Wir haben hier die Vorbereitungen getroffen, damit im nächsten Jahr in Kattowitz in Polen das sogenannte Regelbuch verabschiedet werden kann – die Regeln zur praktischen Umsetzung des Pariser Abkommens. Unser Ziel war es, dafür sämtliche Texte auf den Tisch zu bekommen. Die sind noch nicht ausverhandelt, sondern eine Sammlung der Sichtweise aller Staaten, die zum Teil noch viele Widersprüche enthalten. Aber ohne diese Basis könnte man in den kommenden zwölf Monaten gar nicht weiterverhandeln, um dann in Polen zu Entscheidungen zu kommen. Es ist also ein unspektakulärer Fortschritt, aber ein essentieller, um zum Abschluss zu kommen.

Umstrittener war das Thema Verluste und Schäden durch den Klimawandel und die Finanzierung. Gab es da Fortschritte?

Flasbarth: Beim Thema Verluste und Schäden sind wir weitergekommen. Es geht darum, dass besonders anfällige Staaten wie kleine Inselstaaten mit Recht sagen: Wir sind ja schon Opfer des Klimawandels. Wir haben schon Landverluste, Ernteverluste, größere Aufwendungen zum Schutz vor Schäden, obwohl wir gar nicht Verursacher dieser Schäden sind. Das ist ja auch richtig. Deshalb müssen die Industriestaaten Hilfe leisten. 2013 wurde der sogenannte Warschau-Mechanismus vereinbart, der den Umgang damit behandelt. Deutschland hat schon während der G7-Präsidentschaft eine Versicherungsinitiative vorangebracht, damit 400 Millionen arme Menschen zusätzlich gegen Klimaschäden abgesichert sind. Ungeklärt ist noch, wie das genau finanziert werden soll, wie viel geben multinationale Entwicklungsbanken, was wird bilateral gemacht. Aber dass dies die Struktur ist, darüber ist man sich einig.

Man ist sich also einig, dass man das Thema Finanzen jetzt auch wirklich anpackt? Seit 2013 ist da ja im Rahmen des Warschau-Mechanismus nichts geschehen…

Flasbarth: Das ist auch noch ungelöst geblieben. Aber es verweigert sich auch niemand. Vor Kattowitz wird es deshalb noch einmal eine hochrangige Expertentagung zu dem Thema geben. Das ist noch kein Durchbruch, aber man muss auch sehen, wie weit die Positionen vorher auseinanderlagen. Was viele Industriestaaten nicht akzeptieren würden, ist, wenn der Mechanismus zu einem rechtsverbindliches Haftungsregime gemacht würde, der Staaten mit hohen Emissionen zu Zahlungen heranzieht.

Wie sieht es mit der Forderung aus, den Fonds zur Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel aus dem Kyoto-Protokoll in das Pariser Abkommen zu überführen?

Flasbarth: Das ist im Prinzip im Pariser Abkommen ja schon so angelegt. Hier ist die Frage zwar noch nicht endgültig geregelt worden, aber es gibt eine Formulierung, die das nahelegt. Es ist jetzt erkennbar geworden, dass die Industrieländer sich der Verankerung im Pariser Abkommen nicht wirklich verschließen.

Deutschland hat während der Konferenz die Ratifizierung der Doha-Ergänzung zum Kyoto-Protokoll hinterlegt, in der die Klimaverpflichtungen bis 2020 festgeschrieben sind. Wie war die Reaktion auf der Cop darauf?

Flasbarth: Deutschland hatte diese Verpflichtungen ja schon in nationales Recht umgesetzt. Aber dass die Urkunde nun hinterlegt wurde, ist von den Entwicklungsländern sehr positiv aufgenommen worden. Es hat ja auch viel mit Glaubwürdigkeit zu tun: Liefern die Industrieländer oder sind sie zögerlich?

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