60 Jahre Presserat Berichterstattung im Namen der Wahrheit

Berlin · Beim Festakt zur Gründung des Deutschen Presserates vor 60 Jahren prangert Bundespräsident Joachim Gauck den Begriff der „Lügenpresse“ an.

 "Wer die Medien heute und hierzulande zur 'Lügenpresse' umdeutet, dem geht es nicht um Diskussion, sondern um Denunziation.“ Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Festakt zu 60 Jahre Deutscher Presserat.

"Wer die Medien heute und hierzulande zur 'Lügenpresse' umdeutet, dem geht es nicht um Diskussion, sondern um Denunziation.“ Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Festakt zu 60 Jahre Deutscher Presserat.

Foto: dpa

Bundespräsident Joachim Gauck hat mit Nachdruck den Begriff der „Lügenpresse“ zurückgewiesen, der seit geraumer Zeit vor allem von Anhängern rechtspopulistischer Bewegungen zur Diskreditierung etablierter Medien verwendet wird. „Noch sind die, die sich abwenden und die Unvoreingenommenheit der Medien grundsätzlich in Zweifel ziehen, nicht in der Mehrheit. (...) Aber es ist eine starke und lauter werdende Minderheit, die Misstrauen gegen Medien hegt“, sagte Gauck am Donnerstag in Berlin beim Festakt zur Gründung des Deutschen Presserates vor 60 Jahren.

Gauck verwies auf sein Leben in der DDR und betonte dazu: „Was dagegen 'Lügenpresse' wirklich bedeutet, das weiß ich. Ich habe es erlebt, jahrzehntelang, in der DDR. Wer die Medien heute und hierzulande zur 'Lügenpresse' umdeutet, dem geht es nicht um Diskussion, sondern um Denunziation.“ Das Staatsoberhaupt sagte weiter, wer behaupte, eine fehlerhafte Berichterstattung sei nicht etwa die Ausnahme, sondern die Regel, der habe vermutlich weniger die Wahrung der Sorgfaltspflicht als vielmehr die Bestätigung seiner vorher gefassten Überzeugung im Sinn, wonach „überall nur gelogen und betrogen werde“.

Auch der Sprecher des Deutschen Presserates, Manfred Protze, wies den Begriff der „Lügenpresse“ zurück: „Der Vorwurf der 'Lügenpresse' hat mit begründeter, auf Tatsachen gestützter Kritik an journalistisch-redaktionellen Produkten nichts zu tun. Niemand von jenen, die das Kampfwort im Munde führen, hat bisher versucht, in einem ordentlich geführten Prüfungsverfahren beim Presserat den Vorwurf der Lüge, also der Falschberichterstattung, mit Tatsachen zu untermauern.“

Protze riet den Medienhäusern und den dort beschäftigten Journalisten gleichwohl, „sich begründeter Kritik jederzeit souverän zu stellen“. Protze ging auch auf die schwierigen Arbeitsbedingungen des Berufsstandes ein: „Von Journalisten wird erwartet, dass sie, mit einigen Grundregeln und begrenztem Erfahrungswissen ausgerüstet, auch Situationen gewachsen sind, mit denen sie selten oder zum ersten Mal konfrontiert werden. Zumal unter den Anforderungen eines hoch kompetitiven Marktes.“

Bundespräsident Gauck wies in seiner Rede gleichfalls auf die schwierigen Rahmenbedingungen von seriösem Journalismus im Zeitalter der Digitalisierung hin. Wenn in diesen Tagen von Tages- und Wochenzeitungen gesprochen werde, „dann sprechen wir leider zugleich über eine Krise des Gedruckten, eine Krise der Printmedien“.

Kern der Herausforderung sei die Digitalisierung. Sie eröffne „schier unendliche Möglichkeiten der Wissensaneignung, der Teilhabe und Kommunikation, aber sie stelle eben auch „das Geschäftsmodell des Journalismus, wie wir ihn kennen, infrage.“ Wenn jeder sein eigener Verleger oder Autor sein könne, stelle sich die Frage: „Wer braucht dann noch Journalisten, noch Qualitätskontrolle, noch Zeitungen?“ Tageszeitungen könnten den Wettlauf um die Verbreitung der Nachricht nicht gewinnen. Auf die Frage, wie man im Zeitalter der Digitalisierung journalistische Qualität und ökonomischer Erfolg zusammenbringen könne, sei die Antwort noch nicht gefunden.

Der Bundespräsident lobte in Berlin ferner sechs Jahrzehnte institutionalisierte Selbstkontrolle durch den Deutschen Presserat, „auch wenn seine Geschichte, wie die Geschichte jeder Institution, nicht frei von Krisen war, und auch, wenn es mitunter Kritik an einer gewissen Zahnlosigkeit seines Wirkens gibt“.

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