Kampf gegen Rechts 600 Stellen gegen Rechtsradikale

Berlin. · Bundesinnenminister Horst Seehofer will härter gegen Rechtsextremismus vorgehen. Dazu sei auch mehr Personal notwendig, sagte Seehofer am Dienstag vor Journalisten in Berlin.

  Thomas Haldenwang (l-r), Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, und Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, sitzen gemeinsam auf einer Pressekonferenz zur Neuorganisation der Sicherheitsbehörden im Bundesinnenministerium.

Thomas Haldenwang (l-r), Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, und Horst Seehofer (CSU), Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, sitzen gemeinsam auf einer Pressekonferenz zur Neuorganisation der Sicherheitsbehörden im Bundesinnenministerium.

Foto: dpa/Gregor Fischer

Acht Jahre nach dem Erschrecken über die zehn Morde der rechtsterroristischen NSU-Gruppe macht Innenminister Horst Seehofer (CSU) Ernst mit dem Kampf gegen den Rechtsextremismus. Dabei will Seehofer auch fragwürdige Tendenzen innerhalb der Behörden genauer in den Blick nehmen. Das Bundeskriminalamt (BKA) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) bekommen im nächsten Jahr jeweils 300 neue Stellen, um besser rechtsextremistische Netzwerke aufdecken und gegen Hass und Hetze im Netz intensiver vorgehen zu können.

Weil die Behörden auch die Junge Alternative, die Jugendorganisation der AfD, und den völkisch-nationalistischen „Flügel“ der Partei zu den Rechtsextremisten zählen, hat sich deren Zahl insgesamt um ein Drittel auf 32.200 erhöht. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten gibt das BKA mit 12.700 an. Darunter seien 48 Gefährder und 126 weitere „relevante“ Personen, denen ein besonderes Straftaten-Potenzial zugetraut wird.

In diesem auffälligen Unterschied zwischen Gewaltbereiten und Gefährdern sieht die Grünen-Sicherheitsexpertin Irene Mihalic ein „riesiges Loch“. Sie erwarte eine neue Beurteilung von den Behörden. BKA-Präsident Holger Münch bestätigte, dass dem Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum (GETZ) zahlreiche weitere Fälle zur Begutachtung vorlägen. Wie zuvor im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus bauten die Behörden nun auch Strukturen und Mechanismen zur Priorisierung des Umgangs mit gefährlichen Rechtsextremisten auf.

In der Vergangenheit habe man sich auf die Aufklärung der rechtsextremistischen Gewalt konzentriert, sagte Münch. Es falle auf, dass die Hälfte der ermittelten Tatverdächtigen der Polizei zuvor nicht bekannt war. Es müsse daher sehr viel intensiver das Milieu mit seinen Kontakten und Netzwerken aufgeklärt werden. Auch BfV-Präsident Thomas Haldenwang kündigte an, sich vermehrt um die sogenannte Neue Rechte rund um die Identitäre Bewegung zu kümmern, die den geistigen Nährboden für den Rechtsextremismus schaffe.

Anfang nächsten Jahres will der Verfassungsschutz auf der Grundlage von Informationen aller Landesbehörden erstmals ein präzises Lagebild über die Verbreitung des Rechtsextremismus innerhalb der Behörden liefern. Es handele sich zwar stets nur um Einzelfälle, aber es seien eindeutig „zu viele Einzelfälle“. Das BKA überprüfe alle Bewerber und achte etwa für den Einsatz im Polizeivollzugsdienst auch darauf, ob die jungen Männer und Frauen eindeutige Tätowierungen hätten, erläuterte Münch. „Wir wollen zwar ein Spiegelbild der Gesellschaft sein, aber nicht komplett“, unterstrich der BKA-Chef.

Seehofer bezifferte die Zahl der allein bei der Bundespolizei zwischen 2012 und 2019 entdeckten Beamten mit rechtsextremistischem Hintergrund mit 57. Das seien 0,1 Prozent der 48 753 Beamten. Zehn Fälle hätten sich auf den Verdachtsbereich von Reichsbürgern bezogen. In 22 Fällen waren die Vorgesetzten durch Selbstanzeige auf die fragwürdige Gesinnung aufmerksam geworden. Seehofer sprach von einer „hässlichen Blutspur“, die Rechtsextremisten vom Nationalsozialistischen Untergrund bis hin zum Anschlag auf die Synagoge in Halle gezogen hätten. Inzwischen gehe die Hälfte der politisch motivierten Körperverletzungen auf Rechtsextremisten zurück, sagte er. Er räumte ein, dass die Behörden Zeit im Kampf gegen Rechts vertan hätten. Die Anstrengungen hätten „früher mit der politischen Priorisierung versehen werden müssen – auch das gehört zur Wahrheit“, erklärte der Innenminister.

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