"Vatileaks"-Skandal Der Papst, der zu wenig wusste

ROM · Paolo Gabriele, der ehemalige Kammerdiener Benedikts XVI., nennt im Prozess Hintergründe des "Vatileaks"-Skandals. Am zweiten Verhandlungstag des Prozesses gegen ihn bekannte sich Gabriele "nicht schuldig".

 Paolo Gabriele, Ex-Kammerdiener des Papstes.

Paolo Gabriele, Ex-Kammerdiener des Papstes.

Foto: ap

Ein Papst, der über bedeutende Fragen der Kirche nicht informiert ist. Dieses Bild hat Paolo Gabriele, ehemaliger Kammerdiener von Benedikt XVI., bei seiner Anhörung vor dem vatikanischen Tribunal gezeichnet.

"Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass eine Person, die ein solche Fülle an Entscheidungsmacht hat, leicht manipulierbar ist", sagte der 46 Jahre alte Ex-Butler des Papstes vor Gericht und stellte Benedikt als von seinen Beratern im Dunklen gelassenes Kirchenoberhaupt dar: "Manchmal, wenn wir zusammen bei Tisch saßen, stellte der Papst Fragen über Dinge, über die er hätte informiert sein müssen."

Am zweiten Verhandlungstag des Prozesses gegen ihn bekannte sich Gabriele "nicht schuldig" im Hinblick auf die Anklage, die ihm schweren Diebstahl vorwirft. Er gestand jedoch ein moralisches Versagen ein: "Ich fühle mich schuldig, das Vertrauen des Heiligen Vaters missbraucht zu haben, den ich wie einen Sohn liebe", sagte der dreifache Familienvater.

Gabriele soll Dutzende Dokumente sowie mehrere Wertgegenstände aus dem Büro des Papstes entwendet haben.

Über die Hintergründe seiner Aktion befragt, beharrte der ehemalige Kammerdiener darauf, nicht als einziger Informationen nach außen gegeben zu haben. Gabriele behauptete auch, ohne Komplizen vorgegangen zu sein. Erstmals nannte Gabriele jedoch Namen von Leuten aus seinem Umfeld, die Einfluss auf ihn gehabt hätten.

Darunter seien die beiden Kardinäle Angelo Comastri, Erzpriester von Sankt Peter, sowie Kardinal Paolo Sardi. Sardi redigierte früher Manuskripte des Papstes und empfahl Gabriele, der einst als Putzkraft in der Peterskirche seine Karriere begonnen hatte, für höhere Aufgaben. Gabriele nannte auch die ehemalige Haushälterin und enge Mitarbeiterin Joseph Ratzingers, die Deutsche Ingrid Stampa.

Außerdem Monsignor Francesco Cavina, Vincenzo Mauriello, Schreibkraft im Staatssekretariat, sowie Luca Catano, der belastendes Material über den Chef der Vatikangendarmerie Domenico Giani in seinem Besitz hatte.

Stampa und Sardi waren im Juli bereits als Urheber einer Verschwörung beschuldigt worden, der Vatikan dementierte einen entsprechenden Zeitungsbericht aber.

Ob dieser Personenkreis sich mit der Gruppe von etwa 20 Kurienmitarbeitern überschneidet, die zusammen mit dem Kammerdiener "die Wahrheit" im Vatikan zu Tage fördern wollten, sagte Gabriele nicht. In diesem Sinne hatte sich der Ex-Butler vor Monaten in einem Fernsehinterview ausgedrückt.

In der Verhandlung gestern berichtete Gabriele auch über eine schlechte Behandlung während der ersten 20 Tage seiner Untersuchungshaft in einer Zelle der Vatikangendarmerie.

Der Ex-Butler sprach von "psychologischem Druck". Er habe seine Arme nicht ausstrecken können, in seiner Zelle habe rund um die Uhr das Licht gebrannt, seine Sehkraft sei seither eingeschränkt. Der Vatikanankläger Nicola Picardi wurde vom Gericht mit einer Untersuchung beauftragt.

Mit seiner Behauptung, Benedikt sei über wichtige Vorgänge nicht informiert, wirft Gabriele ein schlechtes Licht auf die engsten Mitarbeiter des Papstes, insbesondere dessen Privatsekretär Monsignore Georg Gänswein sowie den zweithöchsten Mann der Kurie, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone.

Gabriele hatte die entwendeten Dokumente dem Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi übergeben, der sie dann in dem Buch "Seine Heiligkeit - Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Benedikt XVI." veröffentlichte und so den "Vatileaks" genannten Skandal lostrat. In den Papieren geht es unter anderem um Korruption, Geldwäsche und Machtkämpfe in der Kurie. Gabriele drohen bis zu sechs Jahre Haft.

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