Nach Drohnenangriffen in Saudi-Arabien Der Nahe Osten steht „ganz kurz vor Krieg“

Berlin · Nach der Eskalation zwischen Saudi-Arabien, dem Iran und den USA stehe der Nahe Osten "ganz kurz vor Krieg", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU). Ob in der Region ein Konflikt ausbricht, hängt nach wie vor von US-Präsident Donald Trump ab.

Jemenitische Huthi-Rebellenkämpfer.

Jemenitische Huthi-Rebellenkämpfer.

Foto:  Hani Al-Ansi

Die Drohnen- und Raketenangriffe auf saudische Raffinerien haben nach Einschätzung der deutschen Außenpolitik die konfliktbeladene Region in eine Situation gebracht, in der sie jederzeit in einen Krieg "hineinstolpern" könnte. Nach der Eskalation zwischen Saudi-Arabien, dem Iran und den USA stehe der Nahe Osten "ganz kurz vor Krieg", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bemühte sich nachdrücklich, zumindest am Rand des Konfliktes, in Jordanien und Libyen, zusätzliche stabilisierende Stützen einzubauen.

An diesem Mittwoch will das Bundeskabinett eine fünfmonatige Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Jordanien auf den Weg bringen. Am Vortag versicherte die Kanzlerin dem jordanischen König Abdullah II. nach einer Unterredung im Kanzleramt, "immer auf der Seite der Deeskalation stehen" zu wollen. Dazu gehörte nicht nur der Appell zur Mäßigung im Iran-Konflikt, sondern auch die Kritik an den Ankündigungen von Israels Premier Benjamin Netanjahu, im Fall einer Wiederwahl das Jordantal annektieren zu wollen. Annexionen seien einer Friedenslösung immer abträglich, "und deshalb sind wir damit nicht einverstanden", sagte Merkel.

Preissprung wie zuletzt Anfang der 90er Jahre

Ob in der Region ein heißer Krieg ausbricht, der sich wie ein Flächenbrand auf viele weitere schwelende Konflikte ausdehnen könnte, hängt nach wie vor von US-Präsident Donald Trump ab. Der US-Geheimdienst hatte seinem saudischen Verbündeten nach Medienberichten seine Erkenntnisse übermittelt, wonach die Angriffe am vergangenen Samstag vom Iran aus mit "mehr als 20 Drohnen und mindestens zwölf Raketen" verübt worden waren. Sie hatten sechs Prozent der weltweiten Ölversorgung in Flammen aufgehen lassen und einen Preissprung wie zuletzt in der Golfkrise Anfang der 90er Jahre ausgelöst. Der Iran hatte erklärt, Urheber seien die jemenitischen Huthi-Rebellen gewesen, die ihr Recht zur Selbstverteidigung wahrgenommen hätten.

Trump hatte von einem "sehr großen Angriff" gesprochen, dem nun ein "viel, viel größerer" folgen könne. Am Dienstag hielt er sich jedoch zurück. Washington werde Riad sicherlich zur Hilfe kommen, doch zunächst müsse die Verantwortlichkeit "definitiv" geklärt werden. Bereits im Juni hatte er einen Vergeltungsschlag gegen iranische Einrichtungen nach dem Abschuss einer US-Drohne durch den Iran zehn Minuten vor dem Start abgesagt. Er bereitet sich auf den Wahlkampf für eine zweite Amtszeit vor und steht bei seinen Wählern im Wort, die US-amerikanischen Soldaten aus Kriegs- und Krisengebieten heimzuholen.

Zudem sieht sich Trump vor einer Gemengelage, die auch durch sein Zutun noch komplizierter geworden ist. Durch den einseitigen Ausstieg aus dem Atom-Abkommen hat er Teheran als Akteur aufs Spielfeld der Weltpolitik geholt, der wieder und wieder austestet, wie weit er mit Provokationen gehen kann. Die Eskalation beim Wiederanwerfen der Anlagen zur Herstellung von waffenfähigem Nuklearmaterial gehen einher mit verstärkten militärischen Aktivitäten in der Straße von Hormus.

Iran auf Augenhöhe mit internationalen Akteuren

Damit ist der Iran auf Augenhöhe mit wichtigen internationalen Akteuren gekommen. Außenminister Mohammad Javad Zarif war Ende August der Überraschungsgast im französischen Biarritz während des Treffens der G7-Staats- und Regierungschefs. Präsident Hassan Ruhani verhandelte Anfang der Woche mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Ankara über die Zukunft Syriens, und in der nächsten Woche könnte es am Rande der UN-Generaldebatte zu einer Begegnung zwischen Ruhani und Trump kommen. Offensichtlich will das Weiße Haus eine solche zusätzliche Aufwertung des Irans vermeiden. Es zeugt vom gewachsenen Selbstbewusstsein Teherans, wenn sich der Iran bereits beeilte, iranisch-amerikanische Treffen, gleich auf welcher Ebene, zu dementieren.

Nachdem CDU-Politiker mit Blick auf die Angriffe auf Saudi-Arabien eine Lockerung des Waffenembargos in Aussicht gestellt hatten, machte Merkel inzwischen klar, dass der auslaufende Lieferstopp verlängert werde. Sie will auf der Seite der Deeskalation stehen.

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