Peer Steinbrück Der Kandidat hat drei Punkte

BONN · Warum Peer Steinbrück seine Bewerbung für das Kanzleramt heute für einen Fehler hält.

 Peer Steinbrück.

Peer Steinbrück.

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Am 9. Dezember 2012 wurde Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten der SPD gewählt - heute, 27 Monate später, hält er das für einen Fehler. Warum, sagt er dem "Spiegel" und landet damit zum zweiten Mal in dieser Woche in den Schlagzeilen. Nach langer Enthaltsamkeit. Zu Beginn der Woche ging es um Steinbrücks Engagement für den Aufbau der Ukraine. Seit gestern geht es um die Aufarbeitung der Vergangenheit. In der SPD. Kernsatz: "Die Kanzlerkandidatur war ein Fehler, und zwar meiner." Und: "Ich glaube, dass ich einer ausgeprägten Selbsttäuschung unterlag."

Für diese "Selbsttäuschung" führt Godesbergs prominentester Bürger drei Punkte an.

Punkt 1: Er habe sich getäuscht "bezogen auf meine eigenen Vorteile oder Nachteile gegenüber Frau Merkel". Was wohl heißen soll: Er gab sich im Duell der beiden Persönlichkeiten mehr Chancen, als es tatsächlich gab.

Punkt 2: Er habe sich getäuscht "in der Frage, wie ich als nicht unbedingter Messdiener parteipolitischer Wahrheiten zusammen mit meiner Partei einen solchen Wahlkampf erfolgreich gestalten kann." Das will sagen: Kandidat und Partei passten nach Auffassung des Kandidaten nicht zusammen.

Punkt 3: Er habe sich getäuscht "in der Einschätzung der politischen Stimmung im Land." Was wohl bedeutet: Er spürte mehr Wechselstimmung, als es gab.

Alle drei Punkte fasst Steinbrück zusammen in dem Satz: "Ich war etwas blind." Und er räumt eine "gewisse Koketterie" ein. Es hat ihm geschmeichelt, dass die SPD ihn rief, und auch das hat ihn veranlasst, seine und die Chancen seiner Partei zu rosig zu sehen.

Mehr noch: Der gescheiterte SPD-Kanzlerkandidat (Wahlergebnis 25,7 Prozent) räumt ein, dass der Wahlkampf schon im Frühjahr 2013, also ein halbes Jahr vor der Wahl, auch aus von ihm verschuldeten Gründen verloren war: "Da können Sie nichts mehr machen und nur noch in Würde zu Ende spielen." Das hat er getan.

Steinbrück hatte in der Tat schon selbsterzeugten Gegenwind, ehe es überhaupt richtig los gehen sollte. Da waren seine Vortragshonorare (in fünfstelliger Höhe), da waren Gedanken über die Höhe des Kanzlergehalts oder die Qualität von Weißwein, der keine fünf Euro kostet, und als Höhepunkt und Abschluss der berühmte Stinkefinger, den er den Medien zeigte. Die mit ihm nicht barmherzig waren und über deren Behandlung er sich später lautstark beklagte.

Doch der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Bundesfinanzminister in schwerer Zeit wäre nicht wie er ist, wenn er es bei Selbstkritik belassen würde. Er hält seiner Partei eine einseitige Darstellung der Lage Deutschlands und das als zentralen strategischen Fehler vor: "Die SPD vermittelte den Eindruck, das Land stehe am Abgrund und bestehe aus einer Ansammlung von Opfern".

Für die Zukunft der Partei erwartet der 68-Jährige nicht viel Gutes. Die SPD müsse die Niederlagen von 2009 und 2013 dringend aufarbeiten, er aber befürchte, sie werde das vor der Wahl 2017 nicht tun.

Was wiederum heißen dürfte: Auch diese Wahl können die Genossen schon heute verloren geben. Und wo er sich´s gerade mit der Partei verdirbt, sagt Steinbrück dann auch noch den Satz, der Held der SPD sei nicht der Politiker, der gutes politisches Handwerk liefere, sondern der "gesinnungsethisch und parteiverträglich stark auftretende Delegierte".

PS: Kommende Woche stellt Steinbrück sein neues Buch vor: "Vertagte Zukunft".

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