Brüsseler EU-Gipfel Der holprige Weg zur Bankenunion

BRÜSSEL · Europa nimmt Kurs auf eine Bankenunion. Doch schon der erste Schritt, eine gemeinsame Aufsicht über die rund 6000 Geldinstitute, lässt auf sich warten.

 Druck auf die Teilnehmer des Gipfels: Frankreichs Präsident François Hollande gestern in Brüssel.

Druck auf die Teilnehmer des Gipfels: Frankreichs Präsident François Hollande gestern in Brüssel.

Foto: ap

Dies zeichnete sich Donnerstagabend beim Gipfeltreffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel war noch vor Beginn der Tagung mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande zusammengetroffen, um die Meinungsverschiedenheiten beizulegen.

"Die einzige Entscheidung, die wir heute treffen müssen, bestätigen müssen, ist die Einführung einer Bankenunion bis zum Jahresende", hatte sich Hollande schon zuvor festgelegt. Dagegen wiederholte Merkel ihr Credo "Gründlichkeit muss vor Schnelligkeit gehen".

Später bestritten Diplomaten, dass es überhaupt Differenzen gegeben habe. Und auch von Forderungen, die neue Aufsicht solle schon zum Jahresanfang stehen, wollte niemand mehr etwas wissen.

Wie längst vereinbart, werden die Finanzminister bis Ende Dezember alle rechtlichen Probleme lösen, die Installation der neuen Kontrollinstanz zieht sich aber vermutlich bis Mitte 2013 hin. Fazit: Merkel und Hollande konnten beide ohne Gesichtsverlust die Einigung, die gar nicht nötig war, als Sieg verkaufen.

Es ist der Kampf der Südländer wie Spanien, Italien und Griechenland, als deren Fürsprecher der französische Präsident einmal mehr auftrat, gegen den Rest der Union.

Deutschland steht nicht alleine: Der niederländische Premier Mark Rutte sprach sich ebenso wie sein schwedischer Kollege Fredrick Reinfeldt dafür aus, die "schwierige Materie in Ruhe zu lösen, weil sonst diejenigen, die darauf hoffen, nichts davon haben." Dennoch dürfe nicht der Eindruck von "Stillstand aufkommen". "Wir kommen weiter, es dauert nur eben ein wenig länger", resümierte Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker.

Die anderen, die dringend auf einen Durchbruch bei der Bankenaufsicht warten, weil sie erst dann ihre Geldinstitute aus der ESM-Kasse refinanzieren können, hielten sich gestern zunächst zurück. Italiens Ministerpräsident Mario Monti und der spanische Regierungschef Mariano Rajoy verschwanden ungewohnt wortlos im Ratsgebäude.

Ihnen steht das Wasser bis zum Hals. Ohne rettende Milliardenspritzen für ihre Geldinstitute droht der Kollaps und somit der Gang nach Luxemburg, wo der ESM seinen Sitz hat. Beide wollen genau das vermeiden, um sich nicht der Troika und ihren Forderungen unterwerfen zu müssen.

"Das ist ein EU-Gipfel für die Zukunft", hatte es zuvor von hohen Diplomaten der Kommission geheißen. Auf dem Tisch lag ein achtseitiges Papier von Ratspräsident Herman Van Rompuy zum Umbau des europäischen Hauses zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion. Denkverbote wolle man nicht, hatte Van Rompuy vorher betont.

Entscheidungen werde man schließlich erst im Dezember treffen. Und deshalb durfte gestern auch jeder frank und frei die Vorschläge anderer in der Luft zerreißen. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann, der trotz seiner sozialdemokratischen Herkunft sonst eher als Anhänger der christdemokratischen deutschen Regierungschefin gilt, ließ denn auch an den Berliner Ideen über einen Super-Währungskommissar und ein eigenes Euro-Budget nichts Gutes.

Polens Premier Donald Tusk fragte sich, wie die Europäische Zentralbank (EZB) eigentlich Geldhäuser außerhalb des Euro-Raums kontrollieren wolle. Der Brite David Cameron und seine dänische Kollegin Helle Thorning-Schmidt sagten gar nichts und verstärkten damit den Eindruck, sich stillschweigend von der Entwicklung der EU zu verabschieden.

Zynischer Kommentar eines deutschen EU-Diplomaten: "Man hätte sich ein bisschen mehr Schwung von einer Gemeinschaft gewünscht, die gerade den Friedensnobelpreis zuerkannt bekommen hat."

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