Gerhard Papke im Interview Der FDP-Fraktionschef über seine Kritik an der Berliner Parteiführung

BONN · Gerhard Papke, der FDP-Fraktionschef im nordrhein-westfälischen Landtag, spricht im Exklusiv-Interview über die Etat-Verhandlungen mit Rot-Grün und seine Kritik an der Berliner Parteiführung.

 Neue Nähe: FDP-Fraktionschef Gerhard Papke mit Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD).

Neue Nähe: FDP-Fraktionschef Gerhard Papke mit Regierungschefin Hannelore Kraft (SPD).

Foto: dpa

Schwarz-Gelb in Berlin ist ein Projekt auf Zeit. Richtig oder falsch?
Gerhard Papke: Richtig.

Jede demokratische Partei ist prinzipiell mit jeder anderen koalitionsfähig.
Papke: Richtig.

Und weil das so ist, ist Rot-Grün-Gelb in Düsseldorf vorstellbar. Richtig oder falsch?
Papke: Derzeit falsch.

Heißt im Klartext?
Papke: Eine inhaltliche Grundlage für Ampelbündnisse in Berlin und hier in Düsseldorf sehe ich derzeit und auf Sicht nicht.

Das schließt Zusammenarbeit in einzelnen, auch wichtigen Punkten nicht aus?
Papke: Richtig.

Wenn Sie also den kommenden Haushalt nicht ablehnen, heißt das noch lange nicht: Das Bündnis steht vor der Tür.
Papke: Zur Erinnerung: Wir hatten nach der Landtagswahl zunächst de facto ein rot-rot-grünes Bündnis.

Hatten?
Papke: Mein Eindruck ist, dass sich die SPD stärker von der Linkspartei emanzipieren möchte, sich öffnen möchte für Vereinbarungen mit der CDU und uns. Die CDU hat da übrigens mit dem sogenannten Schulkonsens den Anfang gemacht, der nach unserer Überzeugung unser begabungsgerechtes Schulsystem gefährdet. Jedenfalls entwickelt sich der Umgang von Minderheitsregierung und Opposition inzwischen offener.

Ist Hannelore Kraft solider, seriöser geworden?
Papke: Ich habe sie jenseits unserer politischen Differenzen immer als angenehme und verlässliche Gesprächspartnerin erlebt. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass sie ihr Regierungshandeln neu justiert.

Ist es nicht eher so, dass Sie auf die SPD zugehen?
Papke: Nein. Als wir Ende letzten Jahres ein Sonderprogramm für notleidende Kommunen mit der Regierung verabschiedet haben, stand am Anfang eine Einladung der SPD. Und ich habe immer gesagt: Ernst gemeinte Gesprächseinladungen nehmen wir an.

Und beim Haushalt?
Papke: Da lief es ähnlich. Nicht ich habe zum Hörer gegriffen, sondern die Koalition. Spätestens in drei Wochen, bei der dritten Lesung des Etats, werden wir wissen, was daraus wird. Die Atmosphäre bei den Vorgesprächen war gut. Das Ergebnis ist aber völlig offen.

Sie können sich sogar eine Zustimmung vorstellen?
Papke: Nein. Wie immer die Gespräche ausgehen: Wir sind und bleiben Opposition. Wir halten die rot-grüne Regierungspolitik in weiten Teilen für falsch. Das fängt bei der Abschaffung der Studienbeiträge an. Und setzt sich mit einer leistungsfeindlichen Wirtschafts- und Mittelstandspolitik fort. Aktuell will die rot-grüne Regierung die Ladenöffnungszeiten beschneiden und ein totales Rauchverbot verhängen.

Woran entscheidet sich die neue Zusammenarbeit?
Papke: Beim Haushalt geht es für uns alleine um die Frage, ob Rot-Grün nach der schrankenlosen Verschuldungspolitik der ersten Jahre zu einem echten Richtungswechsel bereit ist.

Eine Regierung ohne Haushalt muss zurücktreten. Warum ist das nicht mehr Ihr Ziel?
Papke: Die Frage sollten Sie besser der CDU stellen. Die hat bei der WestLB-Abstimmung im vergangenen Jahr die Regierung gestützt, als sie ohne Mehrheit war.

Auch nicht angesichts der Umfrageergebnisse der FDP...
Papke: Ja, lese ich auch gelegentlich - auch in meiner geliebten Heimatzeitung. Aber ich mache keine Politik nach Umfragewerten. Die Bürger erwarten, dass die Parteien die Probleme unseres Landes lösen, statt über Neuwahlen zu taktieren.

Wenn man der Regierung zum Verbleib im Amt hilft, dann muss das ja auch etwas kosten. Was ist denn Ihr Preis für eine Enthaltung?
Papke: Die FDP hat keine Ambitionen, sich als heimlicher oder gar offizieller Koalitionspartner ins Spiel zu bringen.

Was wollen Sie denn?
Papke: Deutlich weniger Schulden für Nordrhein-Westfalen. Allein darum geht es uns bei unseren Gesprächen mit der Regierung. Unser Interesse lautet: Sparen, Sparen, Sparen. Wenn sich die Regierung darauf nicht einlässt, lehnen wir den Haushalt im Landtag geschlossen mit allen 13 Stimmen der FDP ab.

Was muss die Regierung denn leisten, damit sie mit der FDP ins Geschäft kommt?
Papke: Uns geht es nicht nur um den Haushalt 2012. Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen das Verschuldungsverbot des Grundgesetzes bis 2020 sicher einhalten kann. Das ist für uns ein Gebot der Generationengerechtigkeit. Einen Griechenland-Weg in der Haushaltspolitik gehen wir definitiv nicht mit.

Was steckt denn für ein Signal dahinter, dass Sie nicht gegen die Weiterführung von Frau Krafts Tatkraft-Tour gestimmt haben?
Papke: Wir haben von unserer inhaltlichen Kritik an der Tatkraft-Tour nichts zurückgenommen, weil es nicht sein kann, dass eine SPD-Parteiveranstaltung als Regierungspolitik fortgesetzt und ein Parlamentsbeschluss ignoriert wird. Aber es gab keinen Grund, schon diese Woche einen Haushaltsbeschluss herbeizuführen. Die Regierung hat noch drei Wochen Zeit, nötige Änderungen an der Tatkraft-Tour vorzunehmen. Wir haben das Thema nur vertagt.

Aber dass Ihr Verhalten der Klimapflege dient, ist Ihnen auch klar.
Papke: Es war sicher kein unfreundliches Signal an die Ministerpräsidentin.

Sie galten lange Zeit als scharfer Kritiker der Grünen. Jetzt reden Sie mit deren Vertretern über den Haushalt. Wie passt das denn zusammen?
Papke: Wir stehen den Grünen auch weiter kritisch gegenüber, wenn sie mit ihrer Verbotsmentalität die Menschen bevormunden und immer noch eine industriefeindliche Haltung an den Tag legen. In Datteln kann das umweltfreundlichste Steinkohlekraftwerk ganz Europas nicht fertiggestellt werden, weil es von den Grünen hintertrieben wird. Das werden wir auch in Zukunft kritisieren, was aber nicht ausschließt, uns bei anderen Themen projektbezogen an einen Tisch zu setzen.

Die FDP liegt in den Umfragen in NRW derzeit bei zwei Prozent. Wo kommt denn das zweite Prozent her?
Papke: Na ja, ich bin zu lange im Geschäft, um mir wegen Umfrageergebnissen schlaflose Nächte zu bereiten. Die FDP wird auch aus dieser schwierigen Situation wieder herauskommen.

Wie?
Papke: Wenn sie vor allem in Berlin verlorenes Vertrauen zurückgewinnen kann.

Aber sicher nicht mit Kochtopf-Vergleichen, wie sie Philipp Rösler benutzt hat.
Papke: Ich halte die Frosch-Metapher und ähnliche Bilder für denkbar ungeeignet, um das Verhältnis von Koalitionspartnern positiv zu entwickeln.

Wie beurteilen Sie die neue Führung?
Papke: Man wird noch nicht behaupten können, dass die neue Parteiführung die Trendwende für die FDP bereits geschafft hätte. Der Parteivorsitzende weiß, dass die Landtagswahl in Schleswig-Holstein eine wichtige Etappe wird. 2012 muss der Wiederaufstieg der FDP auf Bundesebene beginnen.

Was sind denn das für Lieferfristen?
Papke: Es geht nicht in erster Linie um die Lieferfristen, sondern um die Produktqualität. Viele in der FDP erwarten, dass die liberale Handschrift in der Bundesregierung in Zukunft häufiger so gut sichtbar wird wie bei der Nominierung von Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten.

Haben Sie schon mal davon geträumt, der Vorsitzende Ihrer Partei hieße wieder Guido Westerwelle?
Papke: Gott sei dank träume ich nicht von Politik, aber ich hoffe sehr, dass sich Guido Westerwelle auch in der Innenpolitik wieder häufiger zu Wort meldet. Er kann wie wenige andere für freiheitliche Politik begeistern.

Zur Person:

Gerhard Papke ist nicht nur Fraktionsvorsitzender der Düsseldorfer FDP-Fraktion, sondern auch im Wirtschaftsrat von Borussia Dortmund aktiv. Besucher seines Landtagsbüros weist er gern auf den schwarz-gelben Ball mit den Unterschriften aller Meisterspieler hin, der im Regal ganz vorn liegt. Der 50-Jährige wohnt in Königswinter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort