Interview mit Christiana Figueres "Der beste Motivator für Klimaschutz ist der Eigennutz"

Bonn · Christiana Figueres ist zuversichtlich, dass die Welt mit dem Abkommen von Paris beim Klimaschutz auf dem richtigen Weg ist. Mit der Chefin des Sekretariates der UN-Klimarahmenkonvention, deren Mandat Anfang Juli ausläuft, sprach Cem Akalin.

Der Klimawandel ist für viele Menschen spürbare Realität: In Boliviens zweitgrößtem See, dem Poopó, liegen die Fischerboote kieloben auf dem Trockenen.

Der Klimawandel ist für viele Menschen spürbare Realität: In Boliviens zweitgrößtem See, dem Poopó, liegen die Fischerboote kieloben auf dem Trockenen.

Foto: dpa

Frau Figueres, Sie sind die vierte Exekutivsekretärin der UN-Klimakonvention in Bonn und die populärste. Ich denke, man hat die UN in Bonn zuvor niemals so mit einem Namen und einer Person verbunden wie mit Ihrem. Haben Sie eine Erklärung?

Christiana Figueres: Das Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention ist in der Tat mittlerweile weltweit bekannt. Das hat weniger mit mir als Einzelperson zu tun, als mit der gestiegenen Wichtigkeit des Themas Klimaschutz in der öffentlichen Wahrnehmung und in der weltweiten Berichtserstattung.

Vor allem über die UN-Klimakonferenz in Paris im vergangenen Jahr...

Figueres: Mit der globalen Klimaschutzvereinbarung in Paris haben wir einen historischen Erfolg zu verbuchen. Diese Vereinbarung konnte nur erfolgreich sein, weil die gesamte Gesellschaft dahinter stand und die Regierungen dieser Welt ermutigt hat, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Mit vorne dabei waren vor allem Regionen, Städte, Wirtschaftsverbände und Investoren. Wir hatten also die nötige Unterstützung, und diese Unterstützung muss jetzt nicht nur anhalten, sondern deutlich verstärkt werden, damit die Ziele der Pariser Vereinbarung erreicht werden können.

Sie haben sich stets mit Bonn verbunden gefühlt. Was gefällt Ihnen an Bonn als Stadt und an Bonn als UN-Standort?

Figueres: Mit gefällt besonders gut an Bonn, dass die Stadt ein einladendes und sicheres Umfeld für die rund 1000 internationalen Kolleginnen und Kollegen bietet, die hier leben und arbeiten. Auch Delegierte aus aller Welt, die zu unseren Konferenzen kommen, fühlen sich in Bonn gut aufgehoben.

Welches Gefühl nehmen Sie mit, wenn Sie Bonn verlassen?

Figueres: Ich werde vor allem den Blick auf den Rhein vermissen, den ich sowohl von meinem Büro sowie von meiner Wohnung in Königswinter aus hatte. Ich habe es auch sehr genossen, mit dem Rad zur Arbeit fahren zu können und am Rhein zu joggen. Sicher werde ich die Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der Menschen in Bonn vermissen. Aber ich werde auch wieder nach Bonn kommen, da ich hier viele Freunde habe.

Stimmt es, dass Bonn vor allem für jene UN-Mitarbeiter attraktiv ist, die mit ihren Familien kommen, und dass es eine große Fluktuation unter den jungen Leuten gibt?

Figueres: Die Fluktuation kann ich so nicht bestätigen. Aber Bonn ist in der Tat eine tolle Stadt für junge Familien. Unserer Erfahrung nach sind Familien mit dem Bildungsangebot, den öffentlichen Verkehrsmitteln, kulturellen Angeboten und den vielen anderen Aktivitäten sehr zufrieden.

Welche Chancen sehen Sie, noch weitere UN-Organisationen in Bonn anzusiedeln?

Figueres: Bonn hat ein großes Potenzial als UN-Standort. Die Stadt hat ein klares Profil als Zentrum für nachhaltige Entwicklung. Nachhaltige Entwicklung braucht wiederum Wissen und Unterstützung aus allen Bereichen der Gesellschaft. Die Kombination von fachlicher Kompetenz und politischer Unterstützung bietet hier in Bonn eine einzigartige Möglichkeit für Partnerschaften.

Und Bonn als Kongressstadt?

Figueres: Die Stadt Bonn bietet mit dem WCCB ein hochmodernes Konferenzzentrum - groß genug für komplexe Veranstaltungen der Vereinten Nationen. Damit ist Bonn auf demselben Niveau wie die anderen zentralen UN-Standorte angekommen. Es gibt hier ausreichend viele Hotels in verschiedenen Preisklassen, und die Anbindung durch den Flughafen und an den Schienenverkehr machen die Stadt sehr schnell erreichbar.

Tut Bonn aus Ihrer Sicht genug für sein Image?

Figueres: Soweit ich erkennen kann, ja. Das internationale Image der Stadt sowie die Infrastruktur sind in letzten Jahren enorm gewachsen. Das ermöglicht der Stadt jetzt, sich international weiter zu vermarkten.

Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, die Klimaverhandlungen nach einem gescheiterten Gipfel 2009 in Kopenhagen wieder zu beleben. Der Pariser Vertrag gilt als Ihr persönliches Meisterstück, weil er erstmals alle Länder verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen zu senken. Wie geht es damit weiter?

Figueres: Wir sind erst am Anfang eines langen Prozesses hin zur Klimaneutralität. Das heißt, die steigenden globalen Treibhausgasemissionen müssen so schnell wie möglich einen Höhepunkt erreicht haben und danach rapide abfallen, so dass spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts mehr CO2 und andere Treibhausgase von den Ökosystemen der Welt - also von Ozeanen, Wäldern und Böden - absorbiert als ausgestoßen werden. Als nächster Schritt im UN-Verhandlungsprozess wird ein "Regelwerk" für die kommenden Jahre ausgearbeitet.

Was für ein Regelwerk?

Figueres: Darin wird festgeschrieben, wer, was und wie über seine Emissionsdaten berichtet. Das ist ganz wichtig, um die nötige Transparenz zu schaffen. Wir hatten gerade im Mai in Bonn ein sehr produktives Treffen, um diese Arbeit auf den Weg zu bringen. Beim nächsten Klimagipfel in Marrakesch im November dieses Jahres wird diese wichtige Arbeit fortgesetzt, und es werden entsprechende Beschlüsse gefällt werden. Im Jahr 2018 werden die Vertragsstaaten Bericht erstatten, wie sie ihre nationalen Selbstverpflichtungen, die sie vor Paris eingereicht haben, noch nachbessern können. Dies ist unabdingbar für das Hauptziel von Paris, den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad und vorzugsweise auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken.

Glauben Sie, dass der Vertrag die Welt wirklich weiterbringen wird?

Figueres: Ja, ich bin sehr zuversichtlich, dass die Weltgemeinschaft auf dem richtigen Weg ist. Allerdings muss es jetzt mit den nötigen Anstrengungen erst recht losgehen. Und dies wird nur mit der tatkräftigen Unterstützung von Regionen, Städten, Unternehmen und Investoren möglich sein. So werden bald mehr Menschen in Städten wohnen als auf dem Land. Städte sind derzeit für den Großteil der energiebezogenen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Rund eine Billion US-Dollar pro Jahr wird über die nächsten 15 Jahre in städtische und regionale Infrastruktur investiert - das sind 1000 Milliarden Dollar.

Wo soll die Investition hinfließen?

Figueres: Wie diese Investitionen aussehen - ob sie klimafreundlich und klimaresistent sind - wird maßgeblich entscheiden, wohin die Reise geht. Was mich mitunter zuversichtlich stimmt, ist die Tatsache, dass genau diese Gruppen - also Städte, Regionen, Investoren und viele Unternehmen - eigene Klimaschutzziele formulieren, die teilweise ehrgeiziger sind, als die Ziele der Vertragsstaaten.

Das Problem ist doch, dass man keine Nation verpflichten kann, die Ziele einzuhalten. Es gibt keine Sanktionen. Welche Strategien gibt es, um Staatschefs dazu zu bewegen, beim Klimaschutz aktiv zu werden?

Figueres: Der beste Motivator für den Klimaschutz ist der pure Eigennutz. Alle beteiligten Staaten haben sich am Pariser Abkommen beteiligt und entsprechende Pläne vorgelegt, weil sie erkannt haben, dass es in ihrem eigenen Interesse ist, ihre Bevölkerung vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Auch volkswirtschaftlich macht es Sinn, Wirtschaftssysteme auf eine saubere, günstige Energieversorgung umzustellen und Wälder zu schützen. Vieles ist auch durch den technischen Fortschritt möglich geworden.

Zum Beispiel?

Figueres: So ist beispielsweise der Preis für Solarpaneele seit 2008 um 80 Prozent gefallen, der Preis für Windenergie ist mittlerweile in Europa rund 30 Prozent billiger als Energie aus einem neuen Kraftwerk, das mit Gas befeuert wird. Erneuerbare Energien können an vielen Orten der Welt mit fossilen Brennstoffen preislich mithalten oder sind sogar billiger, aber Regierungen haben immer noch eine sehr wichtige Führungsrolle - sie müssen die Preissignale setzen, etwa, indem sie Subventionen für Öl, Gas und Kohle abschaffen. Auch müssen die Industrienationen dafür sorgen, dass die armen Länder dieser Welt mit Finanzhilfen und Technologien unterstützt werden, damit sie ihre Volkswirtschaften möglichst schnell auf saubere Technik umstellen.

Die eigentliche Arbeit beginnt ja erst: Es wird nicht leicht werden, die Ziele auch umzusetzen. Braucht es nicht gerade in dieser Phase jemanden wie Sie, der das Vertrauen vieler Regierungen genießt und jetzt permanent unterwegs sein müsste, um als Klimabotschafterin Überzeugungsarbeit zu leisten?

Figueres: Meine Nachfolgerin Patricia Espinosa ist bestens geeignet, in diese Rolle zu schlüpfen. Sie kommt aus Mexiko, einem Land, das eine Brücke schlägt zwischen Entwicklungs- und Industrienationen. Patricia Espinosa hat jahrzehntelange Erfahrung auf dem diplomatischen Parkett und ein tiefes Verständnis für die Zusammenhänge zwischen nachhaltiger Entwicklung und Klimaschutz. Als Außenministerin von Mexiko hat sie als Präsidentin des Klimagipfels von Cancun 2010 den Prozess tatkräftig vorangetrieben und wesentlich zum Erfolg von Paris beigetragen. Das UN-Klimasekretariat ist in denkbar guten Händen.

Letzte Frage: Wie geht es mit Ihnen weiter? Welche Pläne haben Sie?

Figueres: Das werde ich zur gegebenen Zeit bekanntgeben - bis zum 7. Juli bin ich im Amt.

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