Interview mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks "Der Ausstoß von Kohlendioxid wird wieder teurer"

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sieht langfristig keine Zukunft für die Kohleproduktion. Es sei erklärtes Ziel der Bundesregierung die Erneuerbaren Energien so auszubauen, dass auf fossile Energieträger weitgehend verzichtet werden kann.

 Barbara Hendricks

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Mit Hendricks sprach Holger Möhle.

Es scheint, als habe sich die Kohlepartei SPD für das Klima und für den Ausstieg aus der Braunkohle entschieden. Wann soll das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen?
Barbara Hendricks: Da gibt es kein Datum. Aber zur Ehrlichkeit gehört es zu sagen: Es ist seit Jahren beschlossene Sache, dass wir die Erneuerbaren Energien so ausbauen, dass sie im Jahr 2050 mindestens 80 Prozent der Stromversorgung übernehmen. Die verbleibenden maximal 20 Prozent decken Gas und Kohle. Die Richtung ist also klar: Die Erneuerbaren nehmen zu, die Fossilen nehmen ab. Auf dieser Grundlage können wir einen Strukturwandel mit verlässlichen Rahmendaten für Unternehmen wie Arbeitnehmer organisieren, damit es eben nicht zu Brüchen in einer Region kommen kann.

Wenn Sie das deutsche Klimaziel erreichen wollen, muss der Emissionshandel wieder in Schwung kommen. Derzeit kostet eine Tonne Kohlendioxid etwa sieben bis acht Euro, so viel wie eine Pizza. Wie teuer muss es werden?Hendricks: Wir haben uns in der EU gerade auf die Reform des europäischen Emissionshandels geeinigt. Der Ausstoß von Kohlendioxid wird damit mittelfristig auch wieder teurer. Wie teuer genau, will ich nicht abschätzen. Aber ein ordentliches Tellergericht sollten Sie dafür bekommen, um in Ihrem Bild zu bleiben. Seit Frühjahr 2014 werden schrittweise rund 900 Millionen Verschmutzungszertifikate vom Markt genommen. Wir haben uns jetzt darauf geeinigt, diese Zertifikate auch nicht wieder in den Markt zurückzugeben. Das genügt aber noch nicht. Wir haben immer noch fast zwei Milliarden Verschmutzungszertifikate zu viel auf dem Markt. Aber ab 2019 greift die Reform und wird diese Überschüsse schrittweise abbauen. So bekommen wir nach und nach wieder einen richtigen CO2-Markt mit echten Anreizen für den Klimaschutz.

Deutschland will wie schon 2007 auch beim G7-Gipfel in wenigen Wochen in Bayern wieder Klimavorreiter sein. Womit will die Regierung die Welt beeindrucken?
Hendricks: Unsere Energiewende und unsere konkreten Klimaschutzbemühungen werden international genau verfolgt. Damit können wir zeigen, dass Klimaschutz auch wirtschaftlich funktioniert - und so andere dazu ermutigen, sich ebenfalls auf diesen Weg zu begeben. Wenn wir es beim G7-Gipfel schaffen, eine positive Vision einer klimaneutralen Gesellschaft zu entwerfen mit einem langfristigen Ziel, wäre das ein starkes Signal für die Klimaverhandlungen. Sie können davon ausgehen, dass die Bundeskanzlerin wie auch die gesamte Bundesregierung dem Klimaschutz auch bei diesem G7-Gipfel hohen Stellenwert einräumt. Die G7 können für die Weltgemeinschaft im Rahmen der Vereinten Nationen nichts beschließen, aber sie können einen Prozess in Gang bringen.

Sie haben ja beim letzten UN-Klimagipfel in Lima selbst die Erfahrung gemacht, wie die Weltgemeinschaft drei Wochen um sich kreist und am Ende nur sehr vage Zusagen für den nationalen Klimaschutz beschließt. Was, wenn die Welt es nicht schafft, einen verbindlichen Fahrplan aufzustellen, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen - bislang sind es nur Absichtserklärungen?
Hendricks: So schlecht war die Konferenz in Lima nicht. Wir haben immerhin eine Verhandlungsgrundlage beschlossen, auf der wir für die Konferenz in Paris Ende des Jahres aufbauen können. Wir wollen und müssen im Pariser Abkommen festlegen, dass wir die Erderwärmung auf maximal zwei Grad begrenzen. Sonst steht unter anderem die Existenz ganzer Staaten, die von Überschwemmung bedroht sind, auf dem Spiel. Mehr als zwei Grad Erwärmung werden die Menschen auf diesem Erdball kaum verkraften. Optimistisch stimmt mich, dass die Konferenz in Paris sehr viel besser vorbereitet ist als Kopenhagen 2009. Das betrifft die Verhandlungen selbst. Das betrifft aber vor allem auch die Möglichkeiten, die es heute für den Klimaschutz gibt. Dezentraler Strom aus Solarenergie zum Beispiel ist heute überall auf der Welt günstiger als Strom aus Dieselaggregaten.

Was legt Deutschland denn der UN-Klimakonferenz im Juni am Sitz des UN-Klimasekretariates in Bonn vor, die den nächsten Weltklimagipfel Ende des Jahres in Paris vorbereitet?
Hendricks: Wir wollen alles daransetzen, dass Paris ein Erfolg wird. Darum arbeiten wir daran, dass die Entwicklungsländer auch in den Klimaschutz und in die Anpassung an den Klimawandel investieren können - mit einer glaubwürdigen Klimafinanzierung, zu der wir unseren fairen Anteil beitragen werden. Insgesamt gibt es in Bonn übrigens nicht nur eine Vorbereitungskonferenz, sondern sogar drei. Bonn ist der internationale Klimastandort schlechthin. Im Juni werden wir dann eine Achse erleben zwischen Schloss Elmau mit dem G7-Gipfel und Bonn, wo zeitgleich die Klima-Unterhändler der Vereinten Nationen tagen.

Zurück ins eigene Land. Deutschland sucht weiter nach einem geeigneten Standort für ein Atommüllendlager. Bis wann muss Deutschland ein solches Endlager haben?
Hendricks: Bis spätestens Mitte 2016 soll die Endlagerkommission die Kriterien vorlegen, nach denen ein Standort für ein solches Endlager gesucht wird. Die Suche nach einem Standort soll dann bis 2031 abgeschlossen sein. Bis zur Planung und Errichtung eines Atommüllendlagers werden noch einmal einige Jahre vergehen. Ich gehe davon aus, dass wir nicht vor 2050 damit beginnen können, Atommüll in einem Endlager mit der bestmöglichen Sicherheit einzulagern. Diese schrittweise Befüllung des Endlagers wird nochmal mehrere Jahrzehnte dauern.

Es soll ja bundesweit ergebnisoffen gesucht werden. Haben Sie den Eindruck, dass die einstigen Atombefürworter in Bayern und Baden-Württemberg schon begriffen haben, dass ein Standort auch bei ihnen gefunden werden könnte?
Hendricks: Allen muss klar sein, dass die Suche, basierend auf wissenschaftlichen Kriterien, ohne Vorfestlegungen erfolgen soll. Keine Region und kein Standort sind von vorne herein ausgenommen. Dort, wo aufgrund der Suchkriterien ein Endlager möglich wäre, müssen sogenannte Veränderungssperren erlassen oder gleich wirksame rechtliche Instrumente geschaffen werden, damit nicht z. B. durch den Abbau von Steinen oder Salzen der Standort verändert wird. Für Gorleben gibt es bereits eine solche Veränderungssperre, die verlängert wird, weil Gorleben nicht vor dem kriterienbasierten Vergleich mit anderen Standorten aus dem Verfahren ausscheiden darf.

Was, wenn die Milliarden-Rückstellungen der Atomkonzerne nicht reichen, um den Rückbau der Anlagen zu bezahlen? Springt dann der Staat ein?
Hendricks: Die Kosten für die Stilllegung der Atomkraftwerke, deren Rückbau und für die Entsorgung des Atommülls tragen die Energieversorgungsunternehmen, die Atomkraftwerke betreiben. Das ist verursachergerecht. Die AKW-Betreiber sind auch für die Kostenabschätzungen zuständig. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums belaufen sich die Rückstellungen auf über 36 Milliarden Euro. Ob die finanziellen Mittel ausreichen, darüber will die Bundesregierung Gespräche mit den Betreibern führen. Für uns ist wichtig, dass die Gelder dann zur Verfügung stehen, wenn sie tatsächlich gebraucht werden.

Im Übrigen hat der Kollege Gabriel vor kurzem angekündigt, dass das Wirtschaftsministerium die Rückstellungen überprüfen will. Dabei soll auch die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds geprüft werden, in den die Rückstellungen oder zumindest ein Teil davon überführt werden könnten.

Zur Person

Unlängst hat ihr Kabinettskollege Christian Schmidt (Agrar) gesagt, sie komme doch aus einem "typischen Unterliegergebiet". Stimmt: Barbara Hendricks, seit Dezember 2013 Bundesumweltministerin, stammt vom Niederrhein und kümmert sich von Amts wegen auch um Hochwasserschutz. Über Jahre hatte man die 63 Jahre alte promovierte Sozialwissenschaftlerin mit Geld in Verbindung gebracht: Von 2007 bis 2013 war Hendricks SPD-Schatzmeisterin, davor von 1998 bis 2007 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesfinanzminister. Nun ist Hendricks für Klima, Naturschutz, Umwelt, Städtebau und Reaktorsicherheit zuständig.

Strenge Regeln, aber kein Verbot

Bundestag diskutiert Gesetzespaket zur Fracking-Technologie

Grüne und Linke pochen auf ein Verbot der umstrittenen Gasförderung aus tiefen Gesteinsschichten in Deutschland. "Fracking ist die neue Eskalationsstufe der fossilen Energiegewinnung", sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer am Donenrstag bei der Beratung des Gesetzes im Bundestag. Die Bundesregierung will die Technologie ab 2016 bundesweit unter strengen Auflagen und unter Ausschluss sensibler Gebiete erproben lassen. Sie schließt eine kommerzielle Nutzung ab 2019 aus. Die Vorkommen könnten theoretisch die Versorgung in Deutschland über zehn Jahre decken.

Beim Fracking wird mit Quarzsand und Chemikalien vermischtes Wasser unter hohem Druck in Schiefergestein gepresst, mit Hilfe von Querbohrungen wird das Gestein großflächig aufgebrochen, damit das Gas entweichen kann. Der Linken-Umweltpolitiker Hubertus Zdebel warnte: "Fracking ist eine Gefahr für Mensch und Natur." Krischer betonte, in den USA, wo die Technik zum Sinken der Energiepreise geführt hat, gebe es Umweltschäden. "Man muss kein Prophet sein, dass die USA diesen kurzfristigen Gasboom noch teuer bezahlen."

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kann sich eine Verschärfung vorstellen. "Für weitergehende Vorschläge bin ich selbstverständlich offen", sagte sie im Bundestag. Bisher gibt es keine gesetzliche Regelung. Hendricks betonte, man könne die Technik nicht einfach pauschal verbieten, erst brauche es eine wissenschaftliche Grundlage. "Ich habe große Zweifel daran, ob wir diese Technik unter energiepolitischen Gesichtspunkten brauchen."

"Wir verbieten vieles, was bislang nicht rechtssicher verboten werden konnte", so Hendricks. Dennoch sei sie offen für Veränderungen - so ist eine Kommission umstritten, die Anträge auf Probebohrungen und kommerzielle Projekte bewerten soll.

Aus Reihen der SPD wird stattdessen eine Mitbestimmung des Bundestags gefordert. "Wir könnten 13 Jahre eine Vollversorgung aus heimischen Quellen sicherstellen", warb der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer für das Fracking.

Die Erdgas-Förderindustrie forderte eine Entschärfung des Entwurfs. Er gehe an einigen Stellen deutlich zu weit.

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