Mehr Geld Das zähe Ringen von Potsdam

Potsdam · Nach 37 Verhandlungsstunden steht der Abschluss für den öffentlichen Dienst mit einem Plus von knapp acht Prozent

 Zufrieden: Frank Bsirske (l.), Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi, nach der Einigung in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder.

Zufrieden: Frank Bsirske (l.), Vorsitzender der Gewerkschaft Verdi, nach der Einigung in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder.

Foto: dpa

Im Moment des krönenden Abschlusses seiner Karriere wirkt Deutschlands bekanntester Gewerkschafter erschöpft. Als Frank Bsirske am späten Samstagabend nach 37 zähen Verhandlungsstunden vor die Kameras tritt, um den Tarifabschluss für die Landesbeschäftigten zu verkünden, da gehen dem Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi die Worte nicht ganz so flüssig über die Lippen wie an weniger aufreibenden Tagen. Die letzten großen Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst haben den Sozialpartnern noch einmal alles abverlangt. Beide Seiten lagen extrem weit auseinander, als sie nach einer massiven Warnstreikwelle im Tagungshotel Potsdam zur dritten und entscheidenden Runde aufeinandertrafen. Auch ein Scheitern schien möglich.

Doch es kam anders. Der 67-jährige Bsirske, der im Herbst das Ruder bei Verdi an seinen Nachfolger Frank Werneke übergibt, verabschiedet sich mit einem bemerkenswert üppigen Abschluss in den Ruhestand. In drei Schritten werden die Löhne der Tarifangestellten angehoben: Rückwirkend zum 1. Januar steigen sie zunächst um 3,2 Prozent, mindestens jedoch um 100 Euro, im kommenden Jahr dann noch einmal um 3,2 Prozent, mindestens jedoch um 90 Euro, und im Jahr 2021 um 1,4 Prozent, mindestens jedoch um 50 Euro. Um den öffentlichen Dienst besonders für Berufseinsteiger attraktiver zu machen, steigen die Gehälter in der ersten Stufe der Gehaltstabelle um insgesamt 10,6 Prozent und damit deutlich stärker. Das Weihnachtsgeld wird auf dem Niveau von 2018 eingefroren.

Die Gehälter von Azubis und Praktikanten werden ebenfalls in zwei Schritten um insgesamt 100 Euro angehoben, Auszubildende an den Unikliniken müssen sich mit einem Plus von 95,50 Euro begnügen. Alle Azubis und Praktikanten erhalten einen Urlaubstag mehr und damit 30 Tage im Jahr. Für die unterm Strich knapp acht Prozent akzeptieren die Gewerkschaften 33 Monate Laufzeit bis zum 30. September 2021. Den Versuch, die Tarifverhandlungen der Länder wieder näher an die von Bund und Kommunen heranzuführen, haben die Arbeitgeber damit erfolgreich verhindert.

Ein zweiter Wermutstropfen aus Gewerkschaftssicht: Die Angleichung der Gehälter der tarifangestellten Lehrer an ihre beamteten Kollegen lässt immer noch auf sich warten. Für die sogenannte Paralleltabelle fehlte am Ende die Kraft. Die reichte lediglich für eine Erhöhung der sogenannten Angleichszulage auf 105 Euro.

„Die Einigung ist für die Länder zwar ein finanzieller Kraftakt, allerdings gewährleistet der Abschluss Planungssicherheit für 33 Monate“, sagte der Verhandlungsführer der Länder, Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz. Gleichzeitig ist sichergestellt, dass die Beschäftigten an der positiven finanziellen Entwicklung der Länder teilhaben – ohne dass wir die Finanzierung von Neueinstellungen und den Abbau des Investitionsrückstaus und der Schulden aus dem Blick verlieren.“

Frage nach Übertragung des Ergebnisses auf die Beamten

Spannend wird nun die Frage, ob und wie schnell die erzielten Ergebnisse auf die Beamten übertragen werden. Das ist Sache der Länder. „Wir begrüßen das Ergebnis der Verhandlungen als einen wichtigen Schritt zur Teilhabe der Kollegen an der allgemeinen Einkommensentwicklung“, sagte Roland Staude, Vorsitzender des DBB NRW, unserer Redaktion. „Es ist ein guter erster Schritt zur Verbesserung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes. Im nächsten Schritt muss das Volumen des Tarifergebnisses nun auch zeit- und wirkungsgleich auf die Beamtinnen und Beamten übertragen werden.“

Die nordrhein-westfälischen Beamten sind bei dem Thema gebrannte Kinder. Die Regierung der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hatte versucht, den Tarifabschluss für 2013 und 2014 nicht für die oberen Besoldungsgruppen zu übernehmen. Der NRW-Verfassungsgerichtshof hatte diese Entscheidung im Juli 2014 gekippt. Üblicherweise orientiert sich die Besoldungshöhe der Kommunal- und Landesbeamten am Tarifabschluss für die Landesbeschäftigten.

Aus dem Finanzministerium hieß es dazu, über die Übertragung des Tarifergebnisses auf die nordrhein-westfälischen Beamten, Richter und Versorgungsempfänger werde die Landesregierung nach sorgfältiger Analyse des Tarifergebnisses entscheiden. „Die Auswirkungen auf den nordrhein-westfälischen Haushalt werden im Rahmen einer Betrachtung aller Details des Ergebnisses, das Lohnkomponenten und Strukturkomponenten enthält, derzeit geprüft“, erklärte ein Ministeriumssprecher. Nach Abschluss der Prüfung erfolge eine Gesprächseinladung an die Gewerkschaften.

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