Regierungskrise in Österreich Das muss man über das Strache-Video wissen

Bonn · Die unglaubliche Videoaffäre um Österreichs Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat zu einem politischen Beben weit über Österreichs Grenzen hinaus geführt. Viele Fragen bleiben offen. Etwa: Warum wusste Jan Böhmermann schon länger davon?

Wie ist das Video an die Öffentlichkeit gelangt?

Es wurde dem „Spiegel“ und der „Süddeutschen Zeitung“ nach eigenen Angaben vor Kurzem, offenbar erst im Mai, angeboten. Die Redaktionen taten sich daraufhin zusammen und recherchierten zur Echtheit des Videos. Auch der Redaktion der österreichischen Wochenzeitung „Falter“ zeigten sie das Video vorab im Zuge des Verifizierungsprozesses. Als man sich sicher gewesen sei, dass das Video echt sei, sei man an die Öffentlichkeit gegangen.

Warum wurden nur Ausschnitte des Videos veröffentlicht?

Die Aufnahme ist etwa sechs Stunden lang. „Spiegel“ und „Süddeutsche“ haben sich dazu entschieden, nur einen kleinen Teil der gefilmten Szenen zu veröffentlichen – nämlich solche, deren Inhalt die Redaktionen als politisch brisant einschätzten, wie etwa die Aussagen zu politisch motivierten Entlassungen und Neueinstellungen bei der „Kronen Zeitung“ im Falle einer Übernahme des Blattes durch die Oligarchin. Inzwischen sind auch andere Ausschnitte aus dem Video im Netz auftgeaucht. Unter anderem enthält es Behauptungen über Verfehlungen von Kanzler Sebastian Kurz, die die Journalisten laut „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk aber als privat und zudem nicht verifizierbar einschätzen. Einige Behauptungen seien nachweislich falsch. Da in dem Video wenig schmeichelhafte Aussagen über Kurz fallen, ist auch klar, warum sich Strache in seiner Ansprache bei Kurz entschuldigt hat.

Woher kommt das Video?

Das ist unklar. Die Journalisten, die zu dem Video recherchiert und es veröffentlicht haben, berufen sich auf den Quellenschutz. Theorien zur Urheberschaft gibt es viele, gesicherte Erkenntnisse keine. Dass das Video seit 2017 existierte, aber erst jetzt veröffentlicht wurde, spricht gegen einen innenpolitischen Hintergrund – innenpolitisch wäre eine Veröffentlichung vor der Nationalratswahl im Oktober 2017 wohl effektiver gewesen. „Spiegel“-Redakteur Wolf Wiedmann-Schmidt sagte dem Sender „ntv“, aus seiner Sicht seien die Aufnahmen auch nicht gezielt vor der Europawahl platziert worden, der Veröffentlichungszeitpunkt habe von der Dauer der Recherchen zur Echtheitsprüfung des Videos abgehangen.

Dürfen Journalisten brisantes Material veröffentlichen, wenn sie wissen, dass der Beschuldigte in eine Falle gelockt worden ist?

Ja. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln dürfen Medien belastende Informationen auch dann veröffentlichen, wenn sie wissen, dass der Beschuldigte in eine gestellte Falle gelaufen ist. Das öffentliche Interesse an der Enthüllung stehe dann über den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten. Die Redaktion habe sich genau aus diesem Grund für die Veröffentlichung entschieden, sagte Redakteur Nicolas Richter von der „Süddeutschen Zeitung“ am Sonntag im „WDR Presseclub“.

Warum fällt der Name Jan Böhmermann im Zusammenhang mit der Veröffentlichung?

Hinter der Rolle des Satirikers steht ein großes Fragezeichen. Wie sein Manager der dpa bestätigte, kannte Böhmermann das Video seit Wochen. Dieses Wissen war auch Grundlage für einen zunächst bizarren Fernauftritt Böhmermanns bei der Vergabe des österreichischen Romy-Akademiepreises am 11. April: In einer Video-Botschaft meinte der 38-Jährige, er könne den TV-Preis nicht persönlich abholen, weil er „gerade ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchen-Villa auf Ibiza rumhänge“. Außerdem verhandele er gerade, wie er die „Kronen Zeitung“ übernehmen könne, dürfe darüber aber nicht reden.

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