Brüssels Hilfe für Aufnahmeländer Das Flüchtlings-Puzzle

Brüssel · Als EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am späten Dienstagabend Frankreich und Großbritannien Unterstützung zusagt, hütet sich der Grieche, von einer humanitären Katastrophe zu sprechen.

Stattdessen berichtet er von einem "konstruktiven" Gespräch mit Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve und dessen britischer Amtskollegin, Theresa May, die ihn über die "Situation in Calais" ins Bild gesetzt hatten. Die französische Grenzstadt am Ärmelkanal sei "ein weiteres deutliches Beispiel, dass wir beim Umgang mit dem Zuwanderungsdruck in Europa mehr Solidarität und Verantwortungsbewusstsein brauchen. Es ist ein Stück eines größeren Puzzles, das eine breite Palette von Antworten verlangt", sagte Avramopoulos.

Zwei unmittelbare Antworten der Kommission kamen prompt: Die EU-Grenzschutzorganisation Frontex soll bei der Registrierung und der Ausstellung von Reisedokumenten helfen - um jene Flüchtlinge zurück in ihre Heimat zu schicken, die die Kriterien des europäischen Asylrechts nicht erfüllen. Außerdem sagte Avramopoulos Hilfszahlungen aus dem 3,1 Milliarden Euro (2014-2020) schweren Fonds für Asyl, Migration und Integration (Amif) zu, die beiden Ländern ohnehin zustehen. Frankreich bekommt demnach 266 Millionen Euro, Großbritannien sogar 370 Millionen Euro.

Dabei bitten mehr Flüchtlinge in Frankreich als im Vereinigten Königreich um Asyl. Laut der EU-Statistikbehörde Eurostat warten in Frankreich derzeit noch circa 37 000 (Stand Mai) Anträge auf Bearbeitung, in Großbritannien waren es im April noch 29 000 offene Anfragen. Im vergangenen Jahr erhielten 31 Prozent der insgesamt 32 000 Migranten einen positiven Bescheid, in Frankreich hatten 23 Prozent von 64 000 Flüchtlingen Glück. Bricht man ihre Zahl auf jeweils 1000 Einwohner herunter, zeigt sich aber ein anderes Bild. Frankreich nimmt mit 0,22 Flüchtlingen pro 1000 Bürger mehr auf als Großbritannien, wo nur 0,16 Migranten auf 1000 Briten kommen.

Die meisten Flüchtlinge wollten im vergangenen Jahr in Deutschland Asyl beantragen. Von 203 000 Anträgen wurden allerdings nur 40 500 bewilligt - macht 0,5 pro 1000 Bundesbürger. In diesem Jahr belaufen sich die noch offenen Anfragen auf bislang 288 000. Die Bundesrepublik soll dafür aber nur 208 Millionen Euro aus dem Amif-Fördertopf bekommen. Die meisten Flüchtlinge dürfen in Schweden bleiben, wo bereits 2014 3,14 Flüchtlinge auf 1000 Einwohner entfielen. Trotzdem erhält Stockholm in den kommenden Jahren nur 118 Millionen Euro Fördergeld.

Italien hat im vergangenen Jahr mit über 20 000 Flüchtlingen (0,34 pro 1000 Einwohner) doppelt so viele Menschen bei sich aufgenommen wie Großbritannien. Dafür bekommt Rom bis 2020 310 Millionen Euro aus dem AMIF. Das ärmste EU-Land Bulgarien hat im vergangenen Jahr 7000 Asylanten aufgenommen (0,97 pro 1000 Einwohner). Zehn Millionen Euro sind alles, was Sofia bis 2020 für die Versorgung der zumeist aus Syrien flüchtenden Menschen erhält. Eine Antwort auf die ungleiche Fördersumme aus dem Amif-Topf blieb die Kommission auf Anfrage schuldig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort