Die "Euro Hawk"-Affäre Das Ende der Salami

BERLIN · Verteidigungsminister Thomas de Maizière bringt sich mit seiner scheibchenweisen Aufklärung immer stärker in Erklärungsnot.

Langsam geht das Salamistück zu Ende. Noch eine Scheibe. Und noch eine. Und noch eine. Thomas de Maizière, seine Berater, Abteilungsleiter und Staatssekretäre haben in den zurückliegenden Tagen und Wochen schon ordentlich von dem Salamistück geschnitten, um zu erklären, was der Bundesminister der Verteidigung in der Affäre um den geplanten Kauf der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" ab wann gewusst haben will. Und was nicht.

Der Politprofi de Maizière müsste nach dem Muster gewesener Affären anderer Minister gelernt haben: Am Ende kommt doch alles raus. Vor allem muss er jetzt wissen: Ein nächstes Stück Salami braucht er gar nicht anzuschneiden. Die Zeit arbeitet - nicht unbedingt für ihn.

Der CDU-Politiker muss permanent vorangegangenen Erklärungen hinterhersteuern, seit herausgekommen ist, dass seine Militärs und Planer wie auch die begleitende Industrie in der Pleite um den "Euro Hawk" mindestens eine halbe Milliarde Euro Steuergeld verbrannt haben. Als wäre es nur eine Fünf hinter dem Komma.

Erst soll es der März 2012 gewesen sein, als der Minister nach eigener Darstellung erstmals von Problemen beim "Euro Hawk" gehört haben will, wohl gemerkt damals noch von lösbaren. Im vorläufigen Protokoll des hinter verschlossener Tür tagenden Verteidigungsausschusses ist laut Aussage des Ministers sogar vom "einzigen Zusammenhang" zu lesen, in dem de Maizière zu Problemen mit der Drohne befasst worden sei. Die Reißleine für den Ausstieg aus dem aus dem Ruder gelaufenen Drohnenprojekt sei dann am 13. Mai 2013 gezogen worden. Erst da habe er umfassend von allen Problemen erfahren.

[kein Linktext vorhanden]Doch diese Version ist nicht lange zu halten. Nur Tage nach de Maizières erster Einlassung im Verteidigungsausschuss kommt heraus, dass der Minister bei einem Redaktionsbesuch beim Ingolstädter "Donaukurier" am 7. Mai 2013 bereits vom Ausmaß der Drohnen-Pleite gewusst haben muss.

Wie sonst hätte er auf eine Frage, ob wie geplant fünf Exemplare der Drohne gekauft würden, antworten können: "Im Moment sieht es nicht so aus." In den Tagen danach räumt das Ministerium dann ein, der Minister sei - anders als von diesem selbst zunächst dargestellt - immer wieder informiert worden, allerdings habe es sich dabei um "allgemeine Informationen" gehandelt.

Doch jetzt, da die Opposition drei Monate vor der Bundestagwahl noch einen Untersuchungsausschuss in Sachen "Euro Hawk" durchdrücken und de Maizière weiter unter Druck setzen will, kommen neue Details ans Licht, die den Minister nicht gut dastehen lassen. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass de Maizière anders als bislang von ihm oder seinem Haus verbreitet, bereits Ende 2012 schriftlich über erhebliche Probleme beim "Euro Hawk" ins Bild gesetzt worden sei.

Beleg dafür ist demnach die Ministermappe 75-60-00, deren Empfang der CDU-Politiker quittiert haben soll. Die Mappe sei ihm als Vorbereitung für seinen Besuch bei der EADS-Tochter Cassidian, die die Aufklärungselektronik im "Euro Hawk" entwickelt, von Staatssekretär Stéphane Beemelmans zugeleitet worden. Und in eben dieser Mappe sei de Maizière der Stand der Entwicklung sehr kritisch geschildert worden.

[kein Linktext vorhanden]De Maizière sei in einer "Sprachempfehlung" nahegelegt worden, seinerzeit darauf zu verweisen, wonach es "aufgrund der Zulassungsprobleme und weiterer Unsicherheiten" nicht möglich sei, "eine Entscheidung für eine Serienfertigung zu befürworten oder gar zu treffen". Das Ministerium sieht folgenden Satz in den Unterlagen als "entscheidend" und damit den eigenen Minister gewissermaßen aus der Pflicht: "Auf Weisung der Staatssekretäre Beemelmans und Wolf ist die Zulassung des Euro Hawk bis 31. Dezember (2012, d. Red.) abschließend zu bewerten, eine Entscheidung zur Serie und die weitere Vorgehensweise im Hause BMVg bis 31. Januar 2013 vorzubereiten und bis 31. März 2013 abgestimmt vorzulegen."

Die Opposition will sich damit nicht zufrieden geben. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann gewohnt angriffslustig: "Thomas de Maizière hat hier nicht die Wahrheit gesagt. Er hat gelogen." Mehr noch: "Je länger er im Amt bleibt, desto mehr schadet er sich selbst." Am 26. Juni schon soll sich der Verteidigungsausschuss nach dem Willen der Opposition als Untersuchungsausschuss konstituieren. In Zeiten des Wahlkampfs soll dann ein besonderer Zeitzeuge gehört werden: Thomas de Maizière, Minister der Verteidigung.

Der Untersuchungsausschuss zum "Euro Hawk"

Der gemeinsame Antrag ist schon formuliert. SPD und Grüne wollen einen Untersuchungsausschuss zum Debakel um die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" des Bundestages einsetzen. Das parlamentarische Ermittlergremium soll im Eilverfahren herausfinden, zu welchem Zeitpunkt Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) von Problemen bei dem Rüstungsprojekt wusste und welche Vorgaben der Minister gegebenenfalls zur Lösung der Probleme gemacht hat.

Drei Wochen vor der Bundestagswahl will der Untersuchungsausschuss dann seine Arbeit beendet haben. Bereits heute will die SPD im Bundestag die Regierung mit einer Großen Anfrage zum Einsatz von Kampfdrohnen allerdings vor sich hertreiben. Die Linke wiederum will in einem eigenen Antrag de Maizières Amtsführung durch den Bundestag missbilligt sehen.

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