Urteil zum Nachtflug am Flughafen Köln/Bonn Bruchlandung für Lärmgegner in Münster

MÜNSTER/KÖLN/BONN · Anlieger des Flughafens Köln/Bonn sind mit der Forderung nach einem generellen Nachtflugverbot vor Gericht gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht in Münster wies am Donnerstag die Klagen der Städte Siegburg und Lohmar sowie eines Privatmannes aus der Umgebung ab.

"Es ist uns durchaus klar, dass dies kein Ergebnis ist, das Sie zufriedenstellt." Dirk Lechtermann, Vorsitzender des 20. Senats des Oberverwaltungsgerichts in Münster, zeigte Verständnis für die lärmgeplagten Anwohner des Flughafens Köln/Bonn. Gleichwohl: "Unsere Aufgabe ist es, uns an der gegebenen Rechtslage zu orientieren." Und die, daran ließen die obersten Verwaltungsrichter des Landes Nordrhein-Westfalen am Donnerstag keinen Zweifel, ist eindeutig. Die Klagen gegen Nachtflüge am Flughafen Köln/Bonn wurden allesamt zurückgewiesen.

Zwar habe es nie ein Planfeststellungsverfahren für den Flughafen gegeben. Der Gesetzgeber habe jedoch 1999 festgesetzt, dass Köln/Bonn so zu behandeln sei, als habe es das gegeben. Damit ist der Flughafen vor Anfechtungen auf dem Rechtsweg geschützt, folgerten die Richter.

In der Urteilsbegründung wurde auch deutlich, dass sich die Kläger - die Städte Siegburg, Lohmar und ein Privatmann - offenbar juristisch nicht besonders gut vorbereitet hatten. Die Richter wiesen ihnen nach, dass ihre Klagen gegen die vorzeitige Verlängerung des Nachtflugverbots im Jahr 2008 schon allein deshalb unzulässig waren, weil sie im Erfolgsfall gerade das Gegenteil dessen bewirkt hätten, was die Kläger eigentlich bezweckten. "Denn eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides habe zur Folge, dass am Flughafen ab dem 1. November 2015 auf der Grundlage der dann wieder unbeschränkt geltenden Genehmigungen aus den Jahren 1959 und 1961 ein Nachtflugbetrieb ohne jede Einschränkungen genehmigt wäre." Und nicht etwa, wie die Kläger offenbar vermuteten, automatisch ein Nachtflugverbot herrsche.

Zudem, so die Richter, fehle es den Klägern auch an der erforderlichen Klagebefugnis. Ihre Rechte seien offensichtlich nicht durch den angefochtenen Bescheid verletzt. Die vom Nachtflugverkehr ausgehende Lärmbelastung beruhe weder auf dem angefochtenen Bescheid noch auf dem diesen vorausgegangenen Bescheid vom 26. August 1997, sondern ausschließlich auf der ursprünglichen Genehmigungslage von 1959/61.

Keine Revision zugelassen

Wie sicher sich die Richter am Donnerstag waren, zeigte nicht nur die Tatsache, dass die Urteile schon fielen, nachdem nur wenige Stunden mündlich verhandelt worden war. Das Oberverwaltungsgericht ließ außerdem keine Revision zu. Für die Lärmgegner bleibt als letzte juristische Möglichkeit jetzt nur eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Doch die Aussichten auf einen Erfolg, der dann auch bloß erst einmal einen erneuten Prozess zuließe, sind minimal.

Die Fluglärmgegner in der Region reagierten am Donnerstag mit Entsetzen, Frustration und Unverständnis auf den Richterspruch in Münster. Siegburgs Bürgermeister Franz Huhn, der gemeinsam mit seinem Stellvertreter Martin Rosorius und seinem Lohmarer Kollegen Wolfgang Röger in Münster war, macht aus seinem Ärger keinen Hehl: "Ein Urteil für den Nachtflug kann schwerlich im Namen des Volkes sein."

Noch im Gerichtssaal in Münster erklärte Huhn, dass er den Widerstand gegen den Nachtfluglärm verstärken wolle.: "Wir dürfen nicht aufgeben." Außerdem werde die Stadt Siegburg jetzt alle rechtlich möglichen Schritte prüfen. Vor dem Urteilsspruch hatte Huhn appelliert, an die betroffenen Menschen in der Region zu denken. Huhn: "Die können nämlich nicht verstehen, wenn ihnen mit dem Hinweis auf Bestimmungen der Schutz versagt wird, der ihnen zusteht."

Die Städte Siegburg und Lohmar, die besonders viele Überflüge durch startende und landende Flugzeuge zu verzeichnen haben und dadurch besonders stark vom Fluglärm betroffen sind, hatten ihre Klagen im Februar 2002 in Münster eingereicht.

Auslöser war, dass kurz zuvor der damalige NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke, jetzt Generalsekretär der NRW-CDU, die eigentlich bis zum 31. Oktober 2015 geltende Nachtflugregelung vorzeitig bis 2030 verlängert hatte. Anliegerkommunen und Umweltverbände kritisierten diesen Schritt heftig. sie monierten, dass Wittke die Verlängerung ohne jede Änderung und ohne Anhörung der Betroffenen auf den Weg gebracht hatte.

Angeblich, so Lärmgegner, soll Wittke die Verlängerung des Nachtfluges durchgeboxt haben, um so den Weg für die Ansiedlung des US-amerikanischen Frachtunternehmens FedEx in Köln/Bonn zu ebnen. Der US-Logistikkonzern soll seine Investitionen am Flughafen von langfristigen perspektiven abhängig gemacht haben.

Und der Flughafen benötigte damals dringend einen neuen global Player, nachdem 2007 die Luftfracht-Unternehmen Lufthansa Cargo und DHL zum Flughafen Leipzigabgewandert waren. Der Umzug zum hochsubventionierten Airport in Sachsen führte dazu, dass am Flughafen Köln/Bonn rund 850 Arbeitsplätze und etwa 200.000 Tonnen Frachtumschlag verloren gingen.

Kritik am Richterspruch

Deutliche Kritik am Richterspruch kommt auch von Helmut Breidenbach, Vorsitzender der Köln/Bonner Lärmschutzgemeinschaft. "Die Verwaltungsgerichte machen es sich einfach. Sie lassen Klagen an formalen Gründen scheitern, um sich nicht inhaltlich äußern zu müssen", so Breidenbach. Letztlich bedeute die Entscheidung des OVG, dass die 1997 erlassene Nachtflugregelung bis 2030 gelten könne, ohne dass irgendwelche Verbesserungen für die vom Lärm betroffenen Menschen eingearbeitet werden könnten.

Breidenbach: "Dieses Verwaltungsdenken hat mit gesundem Menschenverstand nichts mehr zu tun."Die NRW-Landesregierung sah sich gestern in einer Stellungnahme in der Rechtmäßigkeit ihres Handelns durch das Urteil bestätigt."Wir gehen davon aus, dass auch die jüngst beschlossene Änderung der Nachtflugregelung für Passagierflüge rechtmäßig ist", sagte Verkehrsminister Harry Kurt Voigtsberger.

Der Flughafen Köln/Bonn begrüßte die Entscheidung. "Nach all den Nackenschlägen, die der Luftverkehr in den letzten Monaten hat einstecken müssen, freuen wir uns über dieses positive Urteil", sagte Flughafenchef Michael Garvens.

Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters sieht in dem Urteil auch eine Würdigung der Anstrengungen des Flughafens, den Lärm zu mindern: "Das Gericht hat bei seiner Urteilsfindung sehr genau die bisher schon vom Flughafen geleisteten Schallschutzmaßnahmen zum Schutz der Anwohner untersucht und hat dann zu Gunsten des Flughafens entschieden."

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