Finanzverfassung Bertelsmann-Stiftung legt Empfehlungen für klamme Kommunen vor

BERLIN · Die massive Verschuldung vieler Kommunen, nicht zuletzt in Nordrhein-Westfalen, kann aus Sicht der Bertelsmann-Stiftung nur durch eine Totalreform der bundesstaatlichen Finanzverfassung gelöst werden.

 Steuereinnahmen: 70 Prozent stehen Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam zu.

Steuereinnahmen: 70 Prozent stehen Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam zu.

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Die Empfehlungen, die am Donnerstag die Stiftung in Berlin vorstellte, lassen im deutschen Finanzausgleichssystem praktisch keinen Stein auf dem anderen.

Im Mittelpunkt der Vorschläge der beiden Wissenschaftler Joachim Wieland und Thomas Lenk stehen die Kommunalfinanzen. Aus ihrer Sicht hat sich das komplizierte Steuerverteilungssystem zwischen Bund, Ländern und Gemeinden überlebt. Ein Konstruktionsfehler, den auch die letzte Reform 2004 nicht behoben habe, sei die mangelnde Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft.

Denn in der Regel hätten finanzstarke Länder auch viele finanzstarke Kommunen, andersherum gebe es in ärmeren Ländern auch mehr finanzschwache Kommunen. Würde man diese Unterschiede aber voll mit einrechnen, seien die Geberländer im Länderfinanzausgleich - Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg - noch ein Stück reicher.

Wieland und Lenk warnen davor, noch weiter am Länderfinanzausgleich im engeren Sinn herumzubasteln. Letztlich müsse bis 2020, wenn die Schuldenbremse voll greift und der Solidarpakt ausläuft, das ganze System auf den Prüfstand. Das heißt, nach der Bundestagswahl 2013 müsste die neue Bundesregierung mit den Ländern eine Reform ausarbeiten.

Der Finanzwissenschaftler Lenk von der Universität Leipzig schlägt vor, bereits bei der primären Steuerverteilung anzusetzen. Über 70 Prozent der Steuereinnahmen stehen Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam zu und werden auf die drei Ebenen nach Regeln verteilt, die keine angemessene Aufgabenerfüllung erlauben würden.

Die Folge: Allein in NRW sind die Städte und Gemeinden mit 57 Milliarden Euro verschuldet. Auch um das System zu vereinfachen, sei etwa denkbar, Umsatz- und Einkommensteuer jeweils einer einzigen Ebene zukommen zu lassen.

Als eine Fehlkonstruktion sehen die Gutachter ferner, dass die Schuldenbremse nur für Bund und Länder gilt, nicht aber für die Kommunen. Die Länder seien so verleitet, sich auf Kosten ihrer Gemeinden zu sanieren. Man könnte aber auch darüber nachdenken, dass der Bund die Sozialausgaben der Kommunen komplett übernimmt.

Wieland, der Mitglied des NRW-Verfassungsgerichtshofes ist, hält eine staatliche Aufgabenkritik für notwendig. Die Schuldenbremse könne nur eingehalten werden, wenn entweder die Aufgaben beschnitten oder die Steuern erhöht werden. "Die Steuerquote in Deutschland ist zu niedrig."

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