Präsidentenwahl in den USA „Zwei Parteien sind einfach nicht genug“

Bonn · Candice Kerestan arbeitet als Regionalkoordinatorin für die US-Demokraten in Bonn und rührt für Hillary Clinton die Werbetrommel. Die 23-Jährige studiert seit 2014 in der Stadt.

„Ich war am Anfang des Wahlkampfes nicht für Hillary Clinton“, sagt Candice Kerestan knapp. So, nun ist es raus. Die 23-Jährige aus Pennsylvania studiert in Bonn – und rührt mittlerweile doch für Clinton die Werbetrommel. Kerestan ist Bonner Regionalkoordinatorin für „Democrats Abroad in Germany“, eine Organisation, die geneigte US-Amerikaner in Deutschland betreut.

Wie bei der Mehrheit ihrer Generation hing auch ihr politisches Herz an Bernie Sanders – Clintons frühem parteiinternen Gegenkandidaten. Für Systemmüde war Sanders ein Versprechen auf eine menschlichere, ökologischere, linksliberalere Politik – Ziele, die gerade Millenials, jungen Wählern, die nach 1980 geboren wurden, wichtig sind. „In meinem Bekanntenkreis gab es lange niemanden, der Hillary unterstützt hätte“, sagt Kerestan. In den Vorwahlen um die Kandidatur wählten in Iowa 84 Prozent der Menschen unter 30 den grummeligen Opa-Typen Sanders, in New Hampshire 85 Prozent. Ähnlich sah es auch bei US-Amerikanern im Ausland aus. Die „Democrats Abroad“ bekamen weltweit insgesamt 17 Delegierte, davon zwei aus Deutschland , die sie bei den Vorwahlen ähnlich wie einen Bundesstaat vertreten haben. „Und 69 Prozent der Democrats-Anhänger im Ausland haben für Sanders gestimmt“, weiß Candice Kerestan.

Der Senator aus Vermont ist mittlerweile Wahlgeschichte, die Mehrheit der Demokraten erwärmt sich für Clinton. Auch Kerestan: „Nach der ersten TV-Debatte war klar, dass wir auf keinen Fall riskieren dürfen, dass Donald Trump das Rennen macht.“ Die Reihen haben sich hinter Clinton geschlossen, abgestimmt per Briefwahl haben die sechs Millionen US-Amerikaner im Ausland längst – eine Zahl, die angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens ums Weiße Haus entscheidend sein kann. „Es war wichtig, meinen Landsleuten in Bonn zu erklären, dass sie schon für die Vorwahlen wahlberechtigt waren und wie das Prozedere der Briefwahl abläuft“, sagt die Studentin. Über 100 Menschen, die meisten aus Kalifornien und Texas, hat sie in der Bundesstadt für die Briefwahl registriert.

Seit 2014 lebt Candice Kerestan in Bonn. Über den Umweg via Marburg ist sie für ein Praktikum bei der Umweltschutzorganisation „Germanwatch“ am Rhein gelandet. An der Universität macht sie seit 2015 ihren Master-Abschluss in Politikwissenschaft. Politisch aktiv war sie schon am Juniata College in Pennsylvania. „Als ich hörte, dass 'Democrats Abroad' auch acht Ortsvereine in NRW haben, war es selbstverständlich, mich in Deutschland zu engagieren.“

Kerestan ist zuversichtlich, dass die Wahl am Dienstag ein „eindeutiges Ergebnis mit klarem Sieger, klarem Verlierer“ ergibt. Der Sieger heißt für sie: Hillary Clinton. „Ihre Hauptaufgabe wird sein, die Rassenfrage zu entschärfen, muslimische Amerikaner einzubinden und ein sehr polarisiertes Land zu einen.“ Auf Platz zwei der politischen Agenda wünscht die junge Demokratin sich Maßnahmen gegen den Klimawandel, auf Platz drei Maßnahmen gegen die Einkommensungleichheit in den USA. „Man sollte endlich gebührenfrei studieren dürfen“, sagt sie.

Auch von Deutschland könnten die USA lernen. Wenn sie könnte, würde Kerestan ein Multiparteien-System in ihrer alten Heimat etablieren. „Zwei Parteien sind einfach nicht genug“, findet sie, „und die Stimmen für den Verlierer gehen im US-System komplett verloren.“ Eine Parteikarriere strebt die zurückhaltende, aber selbstbewusste Frau nicht an: „Ich würde gerne Politikprofessorin in Deutschland werden.“

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