Assoziierungsvertrag Zwei Parlamente - ein Ja

STRASSBURG · Es ist ein Moment mit hoher Symbolkraft. Noch nie zuvor haben zwei Parlamente gleichzeitig und miteinander per Video verbunden einen gemeinsamen Vertrag ratifiziert.

 Zeitgleiche Sitzung: Die ukrainischen Abgeordneten applaudieren EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.

Zeitgleiche Sitzung: Die ukrainischen Abgeordneten applaudieren EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.

Foto: dpa

An diesem Dienstag um 12 Uhr aber geschieht genau das: Das Europäische Parlament in Straßburg und die ukrainische Abgeordnetenkammer Rada im 1650 Kilometer entfernten Kiew werden per Video zusammengeschaltet, um gleichzeitig das Partnerschaftsabkommen mit der EU zu verabschieden.

"Wir erleben heute einen historischen Moment", sagte Martin Schulz, der Präsident der europäischen Volksvertretung in Straßburg. "Heute wählen wir eine europäische Zukunft und die Wahl ist hart und entscheidend", erklärte sein ukrainischer Amtskollege Alexander Turtschinow auf der anderen Seite. "Wir haben uns nicht erpressen lassen, wir haben durchgehalten", untermauerte Präsident Petro Poroschenko die Bedeutung des Tages. Am Ende fiel die Mehrheit deutlich aus: Einhellige Zustimmung in Kiew, 555 Ja-Stimmen (127 dagegen, 35 Enthaltungen) in Straßburg.

Doch die getragenen Worte wurden überschattet von scharfer Kritik an den Verhandlungen. Zwar war das gesamte Abkommen bereits vom EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Juni unterzeichnet worden. Doch der wirtschaftliche Teil wurde in letzter Minute noch einmal zurückgestellt und soll nicht am 1. November dieses Jahres, sondern am 15. Dezember 2015 in Kraft treten. Man habe sich dazu durchgerungen, um Bedenken der Regierung in Moskau gegen das Freihandelspaket auszuräumen, betonte Erweiterungskommissar Stefan Füle.

"Es ist richtig, die Bestimmungen erst einmal auszusetzen", sagte der Vizepräsident des Europäischen Parlamentes, der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff. Durch die Verschiebung kann mit Russland und der Ukraine ein Kompromissweg ausgelotet werden. Dabei dürfe jedoch nichts mehr verändert werden, forderte der CDU-Außenpolitiker Elmar Brok. Ob das gelingen kann, erscheint allerdings fraglich.

Denn Moskau befürchtet, dass auf dem Umweg über die Ukraine, deren Wirtschaft und innere Gesetzgebung nun Schritt für Schritt auf EU-Niveau gebracht werden müssen, westliche Waren auch nach Russland gelangen und einheimische Unternehmen darunter leiden. Schon im Vorfeld hatte Präsident Wladimir Putin deshalb gedrängt, die Verhandlungen über das Abkommen jetzt noch nicht abzuschließen.

Den Beschluss der Union, das Inkrafttreten um ein Jahr hinauszuschieben, beantwortete er auf seine Weise: Die russische Regierung erklärte sich unmittelbar nach der Ratifizierung in Straßburg und Kiew zu neuen Gesprächen über Gaslieferungen an die Ukraine bereit. Ein Termin war am Montag abgesagt worden.

Der Vertrag soll aber noch nicht das Ende sein. Kommissionspräsident José Manuel Barroso stellte dem Land bei einem Besuch in Kiew bereits eine Mitgliedschaft in Aussicht. Die Ukraine gehöre zur europäischen Nationenfamilie, sagte er. Er glaube daran, dass ein wirtschaftlicher Aufstieg ähnlich wie nach dem EU-Beitritt Polens möglich sei. "Die Ukraine hat dieselben Rechte wie alle anderen europäischen Nationen."

Der Weg bis dahin dürfte aber noch dauern. Denn nach den Feierlichkeiten gestern muss der Vertrag noch einige Hürden nehmen. Von den 28 Regierungen der EU-Staaten haben erst sechs das Dokument ratifiziert. Bis die Zustimmung aus allen Hauptstädten vorliegt, dürften nach Einschätzung von Beobachtern noch Jahre vergehen. Beitrittsverhandlungen, die sich erfahrungsgemäß zwischen fünf und zehn Jahre hinziehen, könnten erst danach beginnen.

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