"Ukraine"-Gipfel in Mailand Zoff von Mitternacht bis zum Frühstück

MOSKAU · Das Gespräch sei "gut" gewesen, "positiv", grinste Wladimir Putin nach dem Frühstück. Aber richtig begeistert war Russlands Staatschef nicht von der Runde mit seinem ukrainischen Amtskollegen Pjotr Poroschenko, Italiens Premier Matteo Renzi, der Deutschen Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande, dem Briten David Cameron, EU-Chefkommissar José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy.

 Das Klima könnte besser sein: Angela Merkel und Wladimir Putin vor den Gesprächen in Mailand.

Das Klima könnte besser sein: Angela Merkel und Wladimir Putin vor den Gesprächen in Mailand.

Foto: ANSA POOL

"Leider ist festzustellen, dass einige Teilnehmer keinerlei Verlangen zeigen, die wirkliche Situation im Südosten der Ukraine zu verstehen", schimpfte sein Pressesprecher Dmitri Peskow.

Schon die Zweieinhalbstunden-Sitzung nachts zuvor zwischen Putin und Merkel hatte Peskow eher düster kommentiert: "Die Meinungsverschiedenheiten bleiben."

Im Klartext: Mit Merkel stritt Putin zum Thema Ukraine genauso wie später beim Frühstück mit den Anderen. Auch das Plenum des europäisch-asiatischen ASEM-Gipfels in Mailand brachte keinen Durchbruch. "Es hat sich noch keine politische Lösung für den Konflikt in der Ukraine gefunden", sagte EU-Ratspräsident Rompuy später.

Nach Aussagen europäischer Teilnehmer ging es vor allem um die Realisierung jener Waffenstillstandsvereinbarungen, auf die sich Diplomaten Russlands, der Ukraine und der OSZE mit Vertretern der ostukrainischen Separatisten schon Anfang September in Minsk geeinigt hatten. Der Waffenstillstand selbst gilt vor Ort als völlig durchlöchert.

In Mailand versuchten die Europäer, den Waffenstillstand zu flicken. Gastgeber Renzi sagte, Frankreich, Italien und Deutschland seien bereit, sich an der internationalen Kontrolle der Grenze zwischen dem ukrainischen Krisengebiet und Russlands zu beteiligen, die das Minsker Abkommen vorsieht.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Russland die Rebellen über diese Grenze mit Waffen, Freiwilligen, zeitweise auch mit regulären Truppen unterstützt. Renzis Vorschlag produzierte nach Aussagen von Beobachtern in Mailand bei den Russen nur neue Ärgerfalten. Außerdem wurde er prompt von den Rebellen in Donezk abgeschmettert.

"Wir möchten keine internationalen Vermittler an der Grenze", erklärte Seperatistenführer Andrei Purgin. "Sonst wird man uns blockieren und einfach ersticken." Der Moskauer Politologe Jewgeni Mintschenko hält jede Kontrolle der Grenze für überflüssig, weil die Ukrainer sowieso eine Mauer um das Rebellengebiet bauen wollten.

Auch die Minsker Vereinbarung, im Krisengebiet Lokalwahlen durchzuführen, sorgte in Mailand für Diskussionen. Die Rebellen planen, Anfang November eigene Parlamente und Republikchefs zu wählen, Russland lässt sie gewähren, die Europäer dagegen forderten gestern erneut Wahlen nach der ukrainischen Verfassung.

"Wahlen machen keinen Sinn, solange eine Partei mit vorgehaltenen Kalaschnikows den Wahlkampf kontrolliert", sagt der ostukrainische Politologe Sergei Tkatschenko. "Erst, wenn die Waffenstillstandsvereinbarungen erfüllt sind, die die Entwaffnung der illegalen Kampfgruppen und den Abzug ausländischer Krieger vorsehen, kann dort gewählt werden."

Nach Ansicht des Osteuropa-Experten Guiseppe D'Amato klemmt der Friedensprozess, weil auf diplomatischer Ebene vereinbarte Absichten von den Parteien im Kriegsgebiet ignoriert oder sabotiert werden. "Doch zumindest bleiben die Verhandlungskanäle offen. Auch wenn in Mailand heftig gestritten worden ist, reden Europäer, Russen und Ukrainer weiter miteinander."

Nach einer weiteren Tafelrunde zwischen Putin, Poroschenko, Merkel und Hollande verkündete der ukrainische Präsident am Nachmittag, man habe sich immerhin auf die Grunddaten eines neuen Gasvertrages geeinigt. Dann aber traf er sich zu einem letzten Gespräch mit Putin, hinterher gestand Poroschenko, es habe doch noch keine Einigung gegeben.

Russland liefert der Ukraine seit Monaten kein Gas mehr, Putin drohte schon mit Lieferkürzungen auch für Europa, falls die Ukraine sich aus russischem Transitgas bediene. Ende September erreichte man einen möglichen Kompromiss für die Winterzeit: Die Ukraine bezahlt 3,1 Milliarden Dollar Gasschulden an Russland und kauft vier bis fünf Milliarden Kubikmeter russischen Gases. Am Dienstag wollen beide Seiten in Brüssel weiter verhandeln. Vorerst nur das Thema Gas.

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