Demokraten setzten auf Live-Faktor Zeugen sagen öffentlich gegen Trump aus

Washington · Hunderte Seiten mit Zeugenaussagen haben die Demokraten vorgelegt, um ihre Vorwürfe gegen Präsident Donald Trump zu erhärten. Nun beginnen die öffentlichen Anhörungen der Zeugen - live übertragen im Fernsehen.

 Eindeutige Botschaft: Eine Anti-Trump-Demonstrantin fordert auf Washingtons Pennsylvania Avenue, an der auch das Weiße Haus liegt, die Inhaftierung des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump.

Eindeutige Botschaft: Eine Anti-Trump-Demonstrantin fordert auf Washingtons Pennsylvania Avenue, an der auch das Weiße Haus liegt, die Inhaftierung des amtierenden US-Präsidenten Donald Trump.

Foto: AP/Jose Luis Magana

William Taylor, George Kent, Marie Yovanovitch: Es sind Namen, mit denen bis vor einigen Wochen nur Washington-Insider etwas anzufangen wussten. Diese Woche tritt das Trio ins Rampenlicht, wenn im US-Kongress die öffentliche Phase der Anhörungen des Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump beginnt. Hinter verschlossenen Türen haben sie alle schon stundenlang auf Fragen geantwortet. Was sie vor laufenden Kameras zu sagen haben, dürfte sich kaum unterscheiden von dem, was sie bereits zu Protokoll gaben. Dennoch spricht die Opposition von einer Zäsur.

Das amerikanische Volk soll sich selbst ein Urteil bilden

Man wolle dem amerikanischen Volk die Möglichkeit geben, sich selber ein Urteil über die Zeugen zu bilden, sagt Adam Schiff, der Abgeordnete aus Los Angeles, der den Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses leitet. Zwar hat Schiff längst freigegeben, was jene Zeugen bei nichtöffentlichen Vernehmungen in einem abhörsicheren Raum im Keller des Kapitols zu Protokoll gaben. Die Aussagen summieren sich auf mehr als 2500 Seiten, aus denen die großen Zeitungen des Landes ausführlich zitiert haben. Nur sei es eben, argumentieren die Demokraten, etwas anderes, wenn man das alles live im Fernsehen erlebe. Zumal man damit ein deutlich größeres Publikum erreiche.

    Zwei Wochen, bis zum Thanksgiving-Fest Ende November, sollen die Hearings dauern. In diesen zwei Wochen will die Opposition der Wählerschaft darlegen, warum sie keine Alternative zu einem Impeachment Trumps sieht. Und da niemand behaupten kann, dass es sich bei den zu Befragenden um treue Parteisoldaten der Demokraten handelt, soll dies möglichst überzeugend geschehen.

    William Taylor etwa, der 72-jährige Diplomat, der am Mittwoch den Anfang macht, wurde von Außenminister Mike Pompeo aus dem Ruhestand geholt, um interimistisch die Nachfolge der geschassten Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, anzutreten. Einst hat er die Militärakademie West Point absolviert, mit einer Luftlandedivision wurde er nach Vietnam beordert, von 2006 bis 2009 war er schon einmal Botschafter in der Ukraine, berufen vom Republikaner George W. Bush.

George Kent, der Zweite im Zeugenstand, ist seit 27 Jahren im diplomatischen Dienst, nachdem er in Harvard russische Geschichte und Literatur studiert hatte. Ein Staatssekretär, im State Department zuständig für Teile Osteuropas, dem niemand vorwerfen kann, Außenpolitik durch irgendjemandes Parteibrille zu sehen.

     Ausgeleuchtet werden soll, was jenem Telefonat vorausging und folgte, in dem Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij am 25. Juli um „einen Gefallen“ bat, nämlich um die Aufnahme von Ermittlungen gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter, der im Aufsichtsrat des Gasunternehmens Burisma gesessen hatte.

Mit anderen Worten, um Wahlkampfhilfe gegen einen potenziellen künftigen Rivalen. Nach allem, was man bisher weiß, gab Mick Mulvaney, der Stabschef des Weißen Hauses, eine Woche vor Trumps Gespräch mit Selenskij die Anweisung, 391 Millionen Dollar Militärhilfe für die Ukraine zurückzuhalten. Warum, daran hat Taylor hinter schalldichten Türen nicht den geringsten Zweifel gelassen: Das Geld sollte erst fließen, wenn Selenskij Nachforschungen gegen die Bidens zugesagt hatte.

Kent hat es plastischer formuliert: Potus, der Präsident der Vereinigten Staaten, habe verlangt, dass Selenskij an ein Mikrofon trete, um Ermittlungen gegen Vater und Sohn Biden anzukündigen.

     Dennoch bleiben Fragen, auf die es noch keine eindeutigen Antworten gibt. Kam die Order, die Auszahlung der Hilfe zu blockieren, von Trump? Oder handelte Mulvaney auf eigene Faust, womöglich in vorauseilendem Gehorsam? Seit wann drängte Rudy Giuliani, Trumps persönlicher Anwalt, der fast ein Jahr damit verbrachte, in der Ukraine Munition für die eventuelle Wahlschlacht gegen Biden zu sammeln, auf ein Junktim? Seit wann wusste der Mann im Oval Office Bescheid?

  Republikaner halten Trump überwiegend die Treue

 Klar ist zumindest, dass die Republikaner dem eigenen Präsidenten – bis auf wenige Ausnahmen – die Treue halten. Von einer Absetzbewegung kann bislang noch keine Rede sein. Im Gegenteil, Politiker, die früher durchaus kritische Worte über Trump fanden, etwa der libertär- konservative Senator Rand Paul, klingen neuerdings so, als wären sie dessen Sprecher. Letzten Endes, argumentiert Paul, seien doch die Millionen für Kiew im September geflossen, während die Ukraine die Bidens mitnichten ins Visier nehme. Im Grunde gehe es also um nichts.

Worauf die Demokraten antworten, dass man derselben Logik auch einen versuchten Raubüberfall abhaken könnte: Dem Opfer wurde eine Pistole an den Kopf gehalten, dann schritt die Polizei ein – in diesem Fall der Whistleblower, der intern Alarm schlug – sodass es glimpflich ausging. Niemand, so die Opposition, käme bei einem solchen Szenario auf die Idee, den Angreifer laufen zu lassen.

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