Verleihung des Friedensnobelpreises Äthiopiens Ministerpräsident Ahmed ist ein Versöhner

New York · Der Friedensnobelpreis geht an Äthiopiens Ministerpräsidenten Abiy Ahmed. Er beendete den Konflikt mit dem Nachbarland Eritrea und leitete Reformen in seiner lange autoritär regierten Heimat ein.

 Ausgezeichnet: Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed.

Ausgezeichnet: Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed.

Foto: AFP

Als Abiy Ahmed Ali am 15. August 1976 in der äthiopischen Kleinstadt Beshasha geboren wurde, wurden ihm die Voraussetzungen für religiöse und ethnische Versöhnung mit in die Wiege gelegt. Sein Vater war Muslim und gehörte der größten äthiopischen Ethnie, den Oromo, an. Seine Mutter war konvertierte orthodoxe Christin und Amharin, Angehörige der zweitgrößten Volksgruppe. 43 Jahre später wurde der Sohn des Paares für seinen internationalen Einsatz für den Frieden und die Beilegung des Grenzkonfliktes mit dem Nachbarland Eritrea mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Als Abiy - in Äthiopien werden selbst Regierungschefs mit dem Vornamen angesprochen - am 2. April 2018 nach langanhaltenden Unruhen mit vielen Toten überraschend zum Regierungschef ernannt wurde, hätte niemand damit gerechnet, dass der bis dahin in Äthiopien und international bislang weitgehend unbekannte Abiy eineinhalb Jahre später mit der weltweit höchsten Ehre ausgezeichnet werden würde.

Doch Abiy - 2008 Mitbegründer eines Internetkontrolldienstes, der die eigenen Bürger überwachte, und bis dahin loyaler Funktionär des seit 1991 mit eiserner Hand regierenden repressiven Systems - überraschte Äthiopien, Afrika und die Welt mit einem atemberaubenden Reformtempo.

Jüngster Regierungschef Afrikas

Der jüngste Regierungschef Afrikas, der nach dem Genozid als UN-Blauhelmsoldat in Ruanda gedient hatte, ließ Tausende von politischen Gefangenen und Journalisten frei, hob den Ausnahmezustand auf, öffnete das Land für ausländische Investoren, besetzte sein Kabinett zur Hälfte mit Frauen, begeistert sein Volk mit einer Rhetorik von Liebe und Versöhnung, spricht sich für Menschenrechte und Demokratie aus - und beendete nach mehr als 18 Jahren den Krieg mit dem Nachbarland Eritrea. Dem Konflikt waren rund 80 000 Menschen zum Opfer gefallen, Abiy selbst hatte im Krieg als Soldat feindliche Stellungen ausgespäht.

Eritrea, einstmals Teil von Äthiopien wurde im Jahr 1993 unabhängig, fünf Jahre später brach ein Krieg zwischen den beiden Staaten aus. Eritreas Präsident Isaias Afewerki diente der Grenzkonflikt fortan als Alibi, einen Großteil der Bevölkerung zum unbefristeten Militärdienst einzuberufen - einer der Gründe, warum viele Eritreer unter Lebensgefahr flohen. Viele suchten Schutz beim Erzfeind Äthiopien, andere schafften es bis nach Deutschland. Mit dem sogenannten Abkommen von Algier wurde im Jahr 2000 der Krieg zwar beendet, die beiden Länder blieben aber weiter verfeindet, bis Abiy Afewerki im vergangenen Jahr die Hand schüttelte.

Junge Äthiopier verehren Abiy Ahmed

In Äthiopien und anderen Teilen Afrikas brach eine Abiymania aus. Vor allem junge Äthiopier verehrten Abiy in einem quasi-religiösen Personenkult. Sein freundliches, oft lächelndes Gesicht prangte plötzlich millionenfach auf T-Shirts, Postern und Aufklebern. Abiy, der fließend die äthiopischen Sprachen Oromo, Amharisch und Tigrinya sowie Englisch spricht, war sich nicht zu schade, Selfies mit seinen Fans zu machen, die ihn teilweise wie den Messias verehrten. Vor allem zu Beginn seiner Amtszeit lag das Land ihm zu Füßen.

Doch nicht alle liebten den jungen Reformator und Vater von drei Töchtern. Im Juni vorigen Jahres entging er in der Hauptstadt Addis Abeba nur knapp einem Anschlag mit einer Handgranate. Zwei Menschen starben, 156 wurden verletzt. Keine vier Monate später stürmten aufgebrachte Soldaten seinen Amtssitz. Der sportliche Abiy beruhigte die Meuterer, indem er mit ihnen Liegestützen machte. Vor allem einigen Angehörigen des Militärs und Anhängern der repressiven Vorgänger-Regierung geht der Reformprozess offenbar zu weit und zu schnell. Im vergangenen Juni scheiterte ein Putschversuch gegen die Regierung in der nördlichen Region Amhara.

Ethnisch motivierte Gewalt hat zugenommen

In den 558 Tagen, die Abiy nun regiert, hat die ethnisch motivierte Gewalt in vielen Landesteilen zugenommen. Immer wieder sterben Menschen, rund eine Million Äthiopier sind zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden. Dass es im Vielvölkerstaat Äthiopien mit mehr als 80 Ethnien und mindestens ebenso vielen Sprachen ausgerechnet jetzt zu tödlichen Ausschreitungen kommt, liegt auch daran, dass sich unter der jahrzehntelangen Herrschaft der Tigray-Minderheit viel Hass und Frustration angestaut haben. Jetzt, da das totalitäre System der Überwachung und Unterdrückung der Entwicklungsdiktatur Äthiopien teilweise zerschlagen ist, entladen diese Konflikte sich oft gewalttätig.

Nur wenn es Abiy Ahmed gelingt, diese Konflikte beizulegen, ohne dass Äthiopien auseinanderbricht, und er es schafft, Jobs für die rund 110 Millionen überwiegend jungen Äthiopier zu schaffen, wird er nicht nur als international gefeierter Friedensnobelpreisträger, sondern auch als erfolgreicher äthiopischer Regierungschef in die Geschichte eingehen.

Abiy Ahmed selbst zeigte sich glücklich und begeistert. "Das ist ein Preis, der Afrika verliehen wird, der Äthiopien verliehen wird", sagte Abiy. In seiner Heimat wurde gejubelt. Wie Abiys Büro mitteilte, ist der Nobelpreis ein Ansporn für die Fortsetzung seiner Friedensarbeit. "Wir laden alle Äthiopier und Freunde Äthiopiens ein, sich weiter auf die Seite des Friedens zu stellen", hieß es in einer über Twitter verbreiteten Erklärung.

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