12.700 Soldaten eingesetzt Umstrittenes Militärmanöver "Sapad 2017" beendet

Moskau · Die stark kritisierte russisch-weißrussische Übungsmission „Sapad 2017“ endet am Mittwoch. Trotz Befürchtungen aus dem Baltikum und der Ukraine ist es nicht in einen Krieg ausgeartet.

Der Regen wird stärker. Zischende Leuchtspurgarben verschwinden in den Nebelschwaden, ebenso die SU-34 Kampfbomber und zwölf Il-76-Hubschrauber mit Fallschirmjägern. Aber der Kriegslärm schwillt an, Raketenwerfer wummern, Panzer- und Artilleriegeschosse jaulen, mehrere überschwere „Totschka-U“-Raketen explodieren, riesige Feuerpilze lassen den Dunst aufglühen.

Russland zeigt Feuerkraft. Gemeinsam mit dem verbündeten Weißrussland bekämpft man vom 14. bis zum 20. September auf drei weißrussischen und zwei russischen Truppenübungsplätzen eine fiktive terroristische Streitmacht. Diese macht im Rahmen des Manövers „Sapad 2017“ auch das Manövergelände bei Luga, 150 Kilometer südwestlich von St. Petersburg, unsicher.

Insgesamt nehmen an der Übung 12.700 Soldaten teil, 70 Flugzeuge und Hubschrauber, 250 Panzer und 200 Geschütze. Eine Übung, die nicht nur mit Kanonendonner Lärm verursacht.

Angeblich mehr Soldaten eingesetzt

Seit Wochen befürchteten Balten, Polen und Westeuropäer Schlimmeres: Das Manöver könnte in militärische Provokationen ausarten oder gar in einen Angriff Russlands auf die westliche Nachbarschaft. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen warf Moskau vor, statt 12.700 kämen mehr als 100.000 Mann zum Einsatz. Der ukrainische Generalstabschef Viktor Muschenko sprach gar von 230.000 bis 240.000: „Das schafft die Voraussetzungen für eine breite bewaffnete Aggression Russlands gegen die Ukraine wie gegen die Nato.“

Die russische Seite antwortete empört. „Nicht eine dieser paradoxen Versionen hat etwas mit der Realität gemein“, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Alexander Fomin. Das Manöver sei rein defensiv, sein Ziel die Bekämpfung von Extremistenbanden, die ins russisch-weißrussische Manövergebiet eingedrungen seien. Der weißrussische Militärexperte Alexander Alesin sagt, um die Nato in Osteuropa anzugreifen, bedürfe es 500.000 Mann. „Eine solche Truppenkonzentration würde die Satellitenaufklärung sofort entdecken.“

Aber Sapad 2017 findet nicht nur in Weißrussland statt. An dem Gegenstoß auf dem Gelände bei Luga sind fast 1000 Soldaten beteiligt. Auch auf dem Truppenübungsplatz Prawdinski im Gebiet Kaliningrad werden Terroristen niedergekämpft, vor der Küste jagen Marineeinheiten feindliche Landungstrupps. Es manövert in ganz Russland. Von Motorschützen der Schwarzmeerflotte, die auf der annektierten Halbinsel Krim taktische Übungen veranstalten, über sibirische Einheiten, die ebenfalls Antiterroreinsatz trainieren, bis zur Nordmeerflotte, wo zehn U-Boote, 20 Kriegsschiffe und 5000 Mann feindliche Luftstreitkräfte abwehren. Nur wird dabei weder Tallinn noch Kiew bedroht.

Ausgedachte Repellenrepublik "Weischnorien"

Im Szenario von Sapad 2017 aber gibt es zwei fiktive baltische Staaten, die im Westen Weißrusslands eine Rebellenrepublik namens „Weischnorien“ errichtet haben und ihr Waffenhilfe leisten. Ukrainische Beobachter vergleichen Weischnorien mit dem Donbass im Frühjahr 2014: Damals organisierten dort russische Freischärler eine separatistische Rebellenrepublik, die Russland danach mit Waffen und Geld massiv gegen die Ukraine unterstützte. „Jetzt machen die Russen kurzen Prozess mit Weichschnorien“, spottet der ukrainische Blogger Roman Tsymbaluk. „Von uns fordern sie, mit den Rebellenrepubliken im Donbass zu verhandeln.“

Aber nicht jeder russische Militär bei Sapad 2017 nimmt Weischnorien ernst. „Sie sehen ja , wir bekämpfen hier einen vollwertigen militärischen Gegner“, erklärt ein Offizier. „Eine Streitmacht wie den Islamischen Staat.“ Nur alle vier Jahre veranstalte man gemeinsam mit den Weißrussen das Manöver „Sapad“, (deutsch: „Westen“). Deshalb hätten die Terroristen diesmal aus dem Westen kommen müssen. Das Jekaterinenburger Portal 66.ru aber meldete am Dienstag, ein Hubschrauber habe an einem Manövertag in Luga versehentlich eine Rakete auf Zuschauer abgefeuert. Zwei Menschen sollen schwer verletzt worden sein. Laut Verteidigungsministerium wurde bei dem Unfall niemand verwundet.

Nach Luga flog Wladimir Putin persönlich ein, um, so das Fachportal „topwar.ru“, der „Vernichtung Weischnoriens zuzusehen“. Nebenher bemerkte er auch die 95 ausländischen Militärattachés, die ebenfalls zuschauten. Die seien offenbar interessiert, sagte Putin seinen Generälen. Aber in Panik gerieten die ausländischen Diplomaten nicht. „Sie haben viel Stahl in die Heide gestellt“, grinste ein westeuropäischer Attaché hinterher. „Um ihrem Präsidenten etwas zu bieten.“

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