Schock, Ärger und Ratlosigkeit Trump spaltet mit dem G7-Eklat den Westen

La Malbaie/Berlin/Paris · Mit nur einem Tweet fährt US-Präsident Trump den G7-Gipfel gegen die Wand. Ein nie dagewesener Affront gegen die westlichen Verbündeten. Vor allem Merkel und Macron sind düpiert. Ist der exklusive Club tot?

 Donald Trump, Präsident der USA, steigt an Bord der Air Force One nach dem G7-Gipfel.

Donald Trump, Präsident der USA, steigt an Bord der Air Force One nach dem G7-Gipfel.

Foto: Evan Vucci, AP

Mit einem beispiellosen Eklat hat US-Präsident Donald Trump die seit mehr als 40 Jahren bestehende G7-Staatengruppe in eine tiefe Existenzkrise gestürzt.

Die Europäer reagierten am Sonntag empört auf den nachträglichen Ausstieg Trumps aus der zunächst gemeinsam beschlossenen Abschlusserklärung des G7-Gipfels in Kanada: Die internationale Zusammenarbeit könne nicht von "Wutanfällen" abhängig gemacht werden, erklärte der französische Präsident Emmanuel Macron.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt sich zunächst zurück und ließ lediglich erklären, dass das Kommuniqué für sie weiter gelte. Dafür kritisierten andere führende Koalitionspolitiker Trump scharf. Außenminister Heiko Maas (SPD) warf dem US-Präsidenten vor, "unheimlich viel Vertrauen sehr schnell zerstört" zu haben.

Die USA und die sechs anderen G7-Staaten - darunter die wichtigsten westlichen US-Verbündeten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada - hatten sich bei dem Gipfel in La Malbaie bei Québec trotz tiefgreifender Differenzen bei den Themen Handel und Klimaschutz in letzter Minute zu der achtseitigen Abschlusserklärung durchgerungen.

Auf dem Flug nach Singapur zum Gipfel mit dem nordkoreanischen Präsidenten Kim Jong Un zog Trump dann völlig überraschend per Twitter seine Zustimmung wieder zurück - ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der G7 . Als Grund nannte er "falsche Aussagen" des kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau, den er als "sehr unehrenhaften und schwachen" Gastgeber bezeichnete.

Trudeau hatte am Samstag in seiner Pressekonferenz gesagt, die US-Strafzölle gegen die EU und Kanada, die Trump mit der Wahrung der amerikanischen Sicherheitsinteressen begründet, seien "etwas beleidigend". Kanada werde seinerseits die USA mit höheren Zöllen belegen. "Denn wir Kanadier sind freundlich und vernünftig, aber wir lassen uns nicht herumkommandieren."

Trump hatte die Partner bereits vorher düpiert, indem er fünf Stunden vor Ende des Treffens zu dem Nordkorea-Gipfel abreiste, der aber erst am Dienstag stattfindet. Vor seinem Abflug hatte er sich trotz der tiefen Gräben im transatlantischen Verhältnis noch zufrieden gezeigt. Der Gipfel sei "ausgesprochen erfolgreich" verlaufen.

Das Verhältnis zu den anderen sechs inklusive Trudeau bewertete er mit der Bestnote 10 auf einer Skala von 1 bis 10 . "Das heißt aber nicht, dass ich mit allem einverstanden bin, was sie tun", fügte er vor allem mit Blick auf den Handelsstreit hinzu. Die EU sei "brutal" zu den USA. "Wir sind das Sparschwein, das jeder plündert, und das hört jetzt auf."

In der mühsam ausgehandelten Gipfelerklärung kommen die Strafzölle gar nicht vor. Aber es gibt eine Passage zum Handel, die allerdings nicht wesentlich über Gipfelformulierungen aus dem vergangenen Jahr hinausgeht.

Merkel und Macron waren auf dem Rückflug nach Europa, als Trump seinen Ausstieg erklärte. Ein Regierungssprecher teilte nach Merkels Ankunft in Berlin am frühen Sonntagmorgen nur einen einzigen Satz dazu mit: "Deutschland steht zu dem gemeinsam vereinbarten Kommuniqué."

Das sahen auch Macron und EU Ratspräsident Donald Tusk so. Macron griff Trump aber auch direkt an: Wer sich nachträglich von den Vereinbarungen abwende, zeige sich als sprunghaft und haltlos, hieß es in einer Erklärung des Elyséepalastes.

In Deutschland übernahmen die harsche Kritik an Trump die Chefs der Koalitionsfraktionen. Trump habe der "wertebasierten Zusammenarbeit der führenden Wirtschaftsnationen einen schweren Schlag versetzt", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles nannte Trump einen Chaoten. "Donald Trump hat im Ergebnis ein Desaster bei G7 veranstaltet und sich per Tweet von der internationalen Verantwortung verabschiedet."

Kanadas Premier Trudeau ließ Trumps Anschuldigungen zurückweisen: "Wir konzentrieren uns darauf, was wir hier bei dem G7-Gipfel erreicht haben." Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow legte daraufhin im Fernsehsender CNN nach. Trudeau sei der US-Regierung in den Rücken gefallen, sagte er.

Noch schärfer äußerte sich Trumps Handelsberater Peter Navarro: "Es gibt in der Hölle einen besonderen Platz für jeden ausländischen Regierungschef, der in böser Absicht Diplomatie mit Präsident Donald J. Trump betreibt und dann versucht, ihm ein Messer in den Rücken zu rammen, wenn er zur Tür hinausgeht", sagte er dem Sender Fox News.

Trump habe Trudeau einen Gefallen getan, indem er zu dem Gipfel gereist sei, obwohl er wegen des Treffens mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un wichtigere Dinge zu tun gehabt habe. "Er hat ihm einen Gefallen getan, und er war sogar bereit, dieses sozialistische Kommuniqué zu unterzeichnen", sagte Navarro. Trudeau hingegen habe Trump hintergangen.

Zur G7 gehört neben den sechs führenden westlichen Wirtschaftsmächten auch Japan. Was der Eklat nun für die Zukunft der Staatengruppe bedeutet, ist noch völlig unklar. Das Format wird schon seit Jahren infrage gestellt. Seit 2008 machen ihm die G20-Gipfel Konkurrenz, bei denen auch China und Russland dabei sind. Nur zusammen mit diesen beiden Vetomächten im UN-Sicherheitsrat könne man bei globalen Problemen weiterkommen, sagen G7-Kritiker.

Russland war 2014 nach zwölfjähriger Vollmitgliedschaft wegen der Annexion der ukrainischen Krim aus der damaligen G8 ausgeschlossen worden. Trump schlug beim Gipfel im kanadischen La Malbaie vor, das Land wieder aufzunehmen. Chancen auf Erfolg hat der Vorstoß nicht, weil Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada sich offen dagegen aussprachen, sollte es in der Ukraine keine Fortschritte geben. Der neue italienische Premierminister Giuseppe Conte ist allerdings dafür. Eine Wiederaufnahme Russlands ist nur einstimmig möglich.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat bisher aber ohnehin kein Interesse daran erkennen lassen, in den exklusiven Club zurückzukehren. Er nahm parallel zum G7-Gipfel an einer Art Gegenveranstaltung mit Ländern wie China, Iran und Pakistan in der ostchinesischen Stadt Qingdao teil.

Er nutzte das Treffen, um Vorwürfe der G7-Mitglieder gegen ihn zurückzuweisen. Sie hatten Moskau in ihrer Abschlusserklärung dazu aufgerufen, damit aufzuhören, andere Länder zu destabilisieren. "Wir müssen dieses kreative Geschwätz beenden und zu konkreten Fragen echter Zusammenarbeit übergehen", sagte Putin. Gleichzeitig zeigte er sich offen für ein Treffen mit Trump.

Chinas Präsident Xi Jinping rief zu mehr globaler Zusammenarbeit auf. Eine nur auf sich selbst gerichtete und "kurzsichtige Politik der geschlossenen Türen" müsse beendet werden, sagte er - ohne Trump namentlich zu nennen.

Im Januar übernimmt Macron die G7-Präsidentschaft. Er wird damit auch die weitere Diskussion über die Zukunft der G7 steuern. Der nächste Gipfel soll im Sommer 2019 im französischen Badeort Biarritz stattfinden.

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